Mit einem Wangenabstrich kann ein Menschenleben gerettet werden. Das ist der erste Schritt, um in eine Knochenmarkspenderdatei aufgenommen zu werden. Dann findet sich vielleicht bald ein Empfänger für eine Stammzelltransplantation, mit der das Leben eines Leukämiepatienten gerettet werden kann. Foto: Andrey Popov/stock.adobe.com

José Carreras Leukämie-Stiftung: Neuer Therapieansatz soll Leukämie behandeln, bevor der Blutkrebs ausbricht

„Leukämie bei Kindern ist dank der immensen Forschungsanstrengungen mittlerweile oftmals gut behandelbar. Bei Erwachsenen ist die Überlebenswahrscheinlichkeit dagegen leider immer noch gering. Die José Carreras Leukämie-Stiftung verstärkt deshalb ihre Forschungsförderung, um auch diesen Patienten ein zweites Leben schenken zu können“, erklärt Prof. Dr. Hans-Jochem Kolb im Vorfeld des Weltblutkrebstags am 28. Mai.

Kolb ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der José Carreras Leukämie-Stiftung sowie einer der maßgeblichen Pioniere der Stammzelltransplantation und der zellulären Immuntherapie in Deutschland. Derzeit können bei einer akuten myeloischen Leukämie nur 30 bis 40 von 100 Patienten dauerhaft geheilt werden. In der Forschung, die die José Carreras Leukämie-Stiftung fördert, geht man zudem einen ganz neuen Weg: Gefährdete Patienten sollen bereits behandelt werden, bevor die Leukämie bei ihnen ausbricht.

Pro Jahr über 7000 Stammzelltransplantationen

1975 hatte Kolb die erste erfolgreiche Stammzelltransplantation in Deutschland durchgeführt und damit einen jugendlichen Patienten gerettet. Die generelle Herausforderung war und ist, dass das Knochenmark des Spenders nicht nur die lebensnotwendigen blutbildenden Stammzellen enthält, sondern auch die sogenannten T-Zellen, die den Körper des Empfängers als fremd betrachten und dessen Organe und Gewebe angreifen. Darauf aufbauend entwickelte Kolb die adoptive Immuntherapie, wodurch die Vorbehandlung mit Chemotherapie oder Bestrahlung eine weitaus geringere Dosis benötigt und damit den Patienten weniger stark belastet.

Mit den Spenden aus der ersten José Carreras Gala, die erstmals im Dezember 1995 live im Fernsehen übertragen wurde, baute Prof. Kolb am Universitätsklinikum München-Großhadern eine beispielhafte Knochenmark-Transplantations-Einheit in Deutschland auf, die am 1. Juni 1997 eröffnet wurde. Mittlerweile werden an deutschen Kliniken pro Jahr über 7000 Stammzelltransplantationen durchgeführt.

Erfolge mit CAR-T-Zellen-Therapie

Nach wie vor kann es aber dabei zu Komplikationen kommen. So tritt bei jedem zweiten Patienten nach einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation die „Graft-versus-Host-Disease“ (Spender-gegen-Wirt-Reaktion oder GvHD) ein. Bei dieser Immunreaktion können bestimmte Gewebe des Patienten, wie Haut, Darm, Leber oder Lunge geschädigt werden. In 15 bis 20 Prozent der Fälle kommt es sogar zu lebensbedrohlichen Reaktionen. Die José Carreras Leukämie-Stiftung fördert deshalb seit Jahren unter anderem am Universitätsklinikum Regensburg ein großes Forschungsprojekt, um diese Komplikation besser in den Griff zu bekommen.

Neben der Stammzelltransplantation und der Immuntherapie ist ein weiterer Schwerpunkt die CAR-T-Zellen-Therapie. Dabei werden im Labor hochwirksame, spezialisierte Immunzellen mit genetisch veränderten Rezeptoren produziert, die, später im Körper eingesetzt, Leukämie- und Tumorzellen erkennen und gezielt abtöten. Diese Rezeptoren werden CARs genannt, „chimeric antigen receptors“.

Risiko-Patienten finden und vor Leukämie-Ausbruch behandeln

Der neue Forschungsansatz geht dahin, bestimmte Risiko-Patienten zu identifizieren und zu behandeln, bevor bei ihnen eine Leukämie ausbricht. Prof. Dr. Hans-Jochem Kolb: „Kinder können einen angeborenen Gendefekt haben, der mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führt, dass sie irgendwann an Leukämie erkranken. Bei älteren Menschen kann sich dieses genetische Risiko im Laufe der Jahre auch entwickeln. Ziel ist es, diese Patienten herauszufiltern, um dann frühzeitig und mit Präzision eine Therapie einzuleiten, damit die lebensbedrohliche Krankheit erst gar nicht ausbricht. Wir stehen zwar noch am Anfang der Forschung, aber dies könnte ein weiterer Schlüssel sein, um Leukämie erfolgreich zu bekämpfen. Wir wollen deshalb verstärkt Forschungsprojekte in diesem Bereich fördern.“

Dr. Ulrike Serini, Geschäftsführerin der José Carreras Leukämie-Stiftung: „Auch in diesem Jahr werden wir unserem Motto ,Jeder Euro hilft Leben zu retten und Leid zu lindern‘ gerecht und unterstützen neben Infrastruktur- und Sozialprojekten allein im Forschungsbereich 18 Forschungsprojekte mit insgesamt über fünf Millionen Euro. Alle Forschungsprojekte wurden intensiv vom Wissenschaftlichen Beirat, der aus den führenden Leukämieforscherinnen und -forschern besteht, begutachtet und von der Mitgliederversammlung, die unter dem Vorsitz von José Carreras in Frankfurt getagt hat, verabschiedet.“

Für die nachhaltige Förderung von Forschungsprojekten ist die José Carreras Leukämie-Stiftung 2019 von der Deutsche Universitätsstiftung und dem Stifterverband als „Wissenschaftsstiftung des Jahres“ ausgezeichnet worden. In der Begründung hieß es, die „Stiftung ist ein großzügiger und uneigennütziger Förderer der Leukämie-Forschung. Ihr Einsatz ist zupackend und vorbildlich: Sie trägt maßgeblich dazu bei, dass neue Wege in Diagnostik und Therapie beschritten werden“. pm

Info

Die José Carreras Leukämie-Stiftung fördert wissenschaftliche Forschungs-, Infrastruktur und Sozialprojekte. 1987 erkrankte Stifter José Carreras an Leukämie. Aus Dankbarkeit über die eigene Heilung gründete er 1995 den gemeinnützigen Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung e. V. und anschließend die dazugehörige Stiftung. Seither wurden bereits fast 1500 Projekte finanziert, die den Bau von Forschungs- und Behandlungseinrichtungen, die Erforschung und Heilung von Leukämie und anderer hämato-onkologischer Erkrankungen, die Förderung von jungen Wissenschaftlern im Rahmen von Stipendienprogrammen sowie die Unterstützung der Arbeit von Selbsthilfegruppen und Elterninitiativen zum Ziel haben. Weitere Informationen: www.carreras-stiftung.de

So kann man Spender von Stammzellen werden

Alle 12 Minuten erhält in Deutschland ein Mensch die niederschmetternde Diagnose Blutkrebs, weltweit alle 27 Sekunden. Blutkrebs ist nach wie vor die häufigste Ursache für krebsbedingte Todesfälle bei Kindern. Viele Patienten können ohne eine lebensrettende Stammzellspende nicht überleben, und mit der Suche nach geeigneten Spendern beginnt immer auch ein Wettlauf gegen die Zeit. Je schneller ein „Match“ gefunden wird, desto größer sind die Überlebenschancen der Patienten.

Die deutsche Knochenmarkspenderdatei DKMS ist eine internationale gemeinnützige Organisation, deren Ziel es ist, weltweit so vielen Blutkrebspatienten wie möglich eine zweite Lebenschance zu geben. Sie wurde 1991 in Deutschland von Dr. Peter Harf gegründet. In der DKMS sind mehr als 12 Millionen potenzielle Spender registriert, bis heute hat die Organisation mehr als 115.000 Stammzellspenden vermittelt.

  • Auf der Webseite https://www.dkms.de/aktiv-werden/spender-werden kann man sich als Spender registrieren lassen.
  • Wenn man auf den Button „Spender:in werden“ klickt und einige einfache Fragen beantwortet hat, kann man online ein Registrierungsset bestellen.
  • Das Set enthält Stäbchen für einen Wangenabstrich. Dessen Untersuchung zeigt, ob die Gewebemerkmale des Spenders zu denen eines Patienten passen.
  • Wenn die eingeschickte Probe analysiert ist, wird der Spender in die DKMS-Datei aufgenommen und kann eventuell zu einem späteren Zeitpunkt weltweit einem Patienten hilfreich sein.
  • Sollte das der Fall sein, wird eine Blutprobe genommen, um ganz sicher zu gehen, dass es ein richtiges „Match“ gibt.
  • In derzeit 90 Prozent der Fälle kommt die periphere Stammzellentnahme (Apherese) zum Einsatz. Der Spender muss dafür nur Blut entnehmen lassen.
  • In 10 Prozent der Fälle werden die Stammzellen aus dem Knochenmark entnommen. Dazu ist ein kleiner operativer Eingriff unter Vollnarkose notwendig.
  • Der Vorgang der Stammzelltransplantation beim Patienten ähnelt einer Bluttransfusion.

pm/tok