
Windpocken müssen nicht sein: Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung gegen Windpocken (Varizellen) für alle Kinder mit zwei Impfstoffdosen. Die werden im Alter von 11 bis 14 Monaten und von 15 bis 23 Monaten verabreicht. Versäumte Impfungen sollten bis zum 18. Geburtstag nachgeholt werden. Foto: Dan Race/stock.adobe.com
Impfen: Millionen Kinder weltweit im Stich gelassen – Rückkehr von Polio und Masern
Zwar gibt es eine leichte Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr, aber Freude kommt nicht auf: Denn noch immer haben mehr als 14 Millionen Kinder auf der Erde nicht eine einzige Routineimpfung erhalten. Der Weltgemeinschaft ist es bislang nicht einmal gelungen, die Rückschritte aus der Pandemiezeit wettzumachen. Das geht aus neuen Daten von Weltgesundheitsorganisation WHO und UNICEF hervor.
Die Erfolgsgeschichte der Impfungen erreicht nicht alle
„Impfungen sind eine Erfolgsgeschichte […], sie retten Millionen Leben jedes Jahr“, heißt es in der „Immunization Agenda 2030“ (IA2030) der Weltgesundheitsorganisation. Hinter dieser Agenda steht die Vision von einer „Welt, in der jeder Mensch überall und in jedem Alter von Impfstoffen profitieren kann – mit Blick auf die Gesundheit und das Wohlbefinden“.
Die Realität sieht anders aus: Das zeigt unter anderem die geschätzte Zahl der sogenannten „zero dose“-Kinder – sie liegt bei 14,3 Millionen. Es sind Babys, die schon die allererste Dosis in ihrem Leben – mit einem Diphtherie-Tetanus-Pertussis-Impfstoff – nicht erhalten haben. Soll heißen: Routine-Immunisierungsprogramme erreichen sie gar nicht – aus verschiedensten Gründen. „2024 war die Zahl der ,zero dose‘-Kinder noch immer um 1,4 Millionen höher als 2019“, erklären WHO und UNICEF.
Die beiden Organisationen hätten sich deutlich weniger ungeimpfte Kinder erhofft, um das 2030er-Ziel – eine Halbierung zu 2019 – erreichen zu können. Doch besonders in „fragilen, konfliktreichen, anfälligen“ Regionen ist es schwierig, Vakzine strukturiert unter die Leute zu bringen. Auf solche Länder wie Jemen oder Sudan entfallen 24 Prozent aller Geburten weltweit, aber dort leben 51 Prozent aller „zero dose“-Kinder.


Impfen in Deutschland: Menschen „unzureichend geschützt“
Auch die Bevölkerung in Deutschland gilt über alle Altersgruppen hinweg als „unzureichend geschützt“. Das erklärte Ende vergangenen Jahres das Robert Koch-Institut (RKI): „Bei Kleinkindern liegen die Impfquoten insgesamt auf hohem Niveau, in vielen Fällen werden Impfserien aber zu spät oder gar nicht abgeschlossen. Bei Jugendlichen konnten die HPV-Impfquoten in den vergangenen Jahren gesteigert werden, sie scheinen nun aber auf mittlerem Niveau zu stagnieren. Die Impfungen für Erwachsene ab 60 Jahren werden überwiegend nicht in Anspruch genommen.“
Das ist tragisch – Beispiel Poliomyelitis: In Deutschland gibt es seit 1992 keinen Fall von Kinderlähmung (Polio) mehr; und auch weltweit wäre die Ausrottung der gefährlichen Krankheit durchaus möglich. Doch Voraussetzung ist eine hohe, stabile Impfquote. Nun werden in deutschem Abwasser schon seit längerer Zeit bestimmte Polioviren nachgewiesen. Das RKI hält es für „zunehmend wahrscheinlicher“, dass das Virus bereits zwischen Menschen in der Bundesrepublik übertragen wird.
„Eine vollständige Poliomyelitis-Impfung ist der wichtigste Schutz vor der Erkrankung“. Doch hierzulande haben nur 63 Prozent der Babys im Alter von 15 Monaten die 3. Dosis erhalten. Auch unter den Zweijährigen sind nur 77 Prozent vollständig geimpft – viel zu wenig. Zur Erinnerung: „Wenn das Poliovirus einmal in das Nervensystem eingedrungen ist, kann es innerhalb weniger Stunden zu irreversiblen Lähmungen führen“, erklärt Wissenschaftler Max Roser auf der Datenplattform Our World in Data. „Noch bis in die 1980er-Jahre wurden hunderttausende Menschen jedes Jahr weltweit durch das Virus gelähmt.“ Ungefährliche Kinderkrankheit? Von wegen. Vergessene Kinderkrankheit passt da eher.
Rückkehr der Masern durch irrlichternden US-Gesundheitsminister
So ähnlich gilt das auch für die Masern: Die USA kämpfen momentan mit dem schlimmsten Ausbruch seit mehr als drei Jahrzehnten. Unter anderem starben zwei ungeimpfte Schulkinder. Die Rolle des zuvor schon wegen seiner wissenschaftlich haltlosen Aussagen zu Viren, Impfungen und Behandlungsmethoden kritisierten US-Gesundheitsministers Robert F. Kennedy Jr. steht im Fokus der Kritik. Trotz seiner jüngsten Unterstützung der MMR-Impfung hat er zuvor alternative Behandlungsmethoden wie Vitamin A und Lebertran propagiert, was zu Verwirrung und Misstrauen in der Bevölkerung geführt hat. Experten betonen, dass solche Aussagen die öffentliche Gesundheit gefährden und die Eindämmung des Ausbruchs erschweren. Schließlich sind Masern sind eine hochansteckende Viruserkrankung, die durch Tröpfcheninfektion übertragen wird. Und: Komplikationen treten insbesondere bei ungeimpften Kindern auf.

Masernimpfquote ist noch gut in Baden-Württemberg
2024 waren 72 Prozent aller in Baden-Württemberg gemeldeten Masernfälle unter 14 Jahre alt. Davon waren 98 Prozent der Fälle nicht gegen Masern geimpft. „Eine Impfung ist der beste Schutz gegen Masern. Wer geimpft ist, schützt sich und andere“, betont Landesgesundheitsminister Manne Lucha. „Wir sehen weiterhin Masern-Ausbruchsgeschehen im Land – vor allem durch Ausbrüche in Einrichtungen mit niedrigen Impfquoten“, sagt Lucha.
Mit einer Masern-Impfquote von fast 97 Prozent im Untersuchungsjahr 2022/2023 war der Anteil der gegen Masern grundimmunisierten Vorschulkinder in Baden-Württemberg so hoch wie noch nie zuvor. „Wir haben die 95 Prozent-Zielmarke, die großflächige Ausbrüche verhindert und zur Elimination von Masern notwendig ist, endlich erreicht“, sagte Lucha. „Jetzt heißt es dranbleiben, verbleibende Impflücken schließen und Auffrischungsimpfungen nicht vergessen!“
In ganz Deutschland haben bis zum Ende des zweiten Lebensjahres 77 Prozent der Kinder die zweite Masern-Impfdosis erhalten – jedem vierten Kind fehlt somit ein kompletter Schutz in diesem Alter. Das Fazit: Erwachsene lassen Kinder weltweit im Stich – auch in Deutschland. pm/Pharma-Fakten.de/tok
Weiterführende Links:
„Immunization Agenda 2030“ der WHO