Experten am Helmholtz Zentrum München haben in Deutschland allein im Sommer 2022 erschreckende 9100 hitzeassoziierte Sterbefälle verzeichnet. Wird die Klimakrise nicht entscheidend aufgehalten, wird es immer mehr und immer stärkere Hitzewellen mit immer mehr Todesfolgen geben. Foto: Günter Albers/stock.adobe.com
Hitzewellen: Menschen in dicht besiedelten Gebieten und Ältere gesundheitlich stark betroffen
Langanhaltende Hitzeperioden mit Temperaturen über 30 Grad und deren Zunahme bereiten vor allem den Menschen in urbanen Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte und älteren Menschen Probleme und Sorgen. Das ist ein zentrales Ergebnis einer bevölkerungsrepräsentativen Online-Befragung der AOK.
Immerhin ein Drittel der Menschen wünscht sich laut der Civey-Befragung mehr Informationen zum Thema Hitzeschutz. Die AOK hatte zum Hitzeaktionstag am 5. Juni ein spezielles Online-Angebot mit Informationen zum oft unterschätzten Thema Hitze und Gesundheit gestartet und bietet außerdem ein neues medizinisches Hitzetelefon von AOK-Clarimedis an.
Angst vor dem Hitzestau in der Stadt
Die Sorge vor zukünftigen Hitzewellen ist laut der Befragung bei Menschen, die in Gebieten mit sehr hoher Bevölkerungsdichte leben, besonders ausgeprägt: Hier geben 52 Prozent der Befragten in ganz Deutschland an, sich Sorgen wegen zukünftiger Hitzewellen zu machen, während es in Regionen mit sehr niedriger Bevölkerungsdichte lediglich 40 Prozent sind. In Baden-Württemberg macht sich fast jeder Zweite (47,3 Prozent) Sorgen über die Zunahme von Hitzewellen, und ein Drittel der Menschen im Südwesten wünscht sich laut der Civey-Befragung mehr Informationen zum Thema Hitzeschutz (33,0 Prozent) und zu Auswirkungen längerer Hitzeperioden auf die Gesundheit (34,2 Prozent).
Die Diskrepanz der Angaben in Regionen mit sehr niedriger und sehr hoher Bevölkerungsdichte spiegelt sich auch in der Auswertung nach Bundesländern wider: Während sich in den Stadtstaaten Berlin (49 Prozent), Bremen (51 Prozent) und Hamburg (50 Prozent) jeweils etwa die Hälfte der Bevölkerung Sorgen wegen zunehmender Hitze macht, ist der Anteil in Sachsen-Anhalt mit 36 Prozent am niedrigsten.
Außerdem zeigt die Befragung, dass sich vor allem ältere Menschen Sorgen wegen der von Experten prognostizierten Zunahme von Hitzewellen machen: So geben knapp die Hälfte der Befragten in der Altersgruppe über 65 Jahre (49 Prozent) an, sich wegen zunehmender Hitzewellen zu sorgen. „Die Befragungsergebnisse machen deutlich, dass die Sensibilität für das Thema in den städtisch geprägten Regionen und bei älteren Menschen, die durch die gesundheitlichen Folgen langanhaltender Hitze besonders gefährdet sind, stärker ausgeprägt ist“, sagt Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.
Menschen im Südwesten etwas hitzeresistenter als im Nordwesten
In der aktuellen Civey-Befragung geben mehr als ein Drittel der befragten Menschen in Baden-Württemberg (36,7 Prozent) an, mit langanhaltender Hitze und hohen Temperaturen über 30 Grad schlecht oder eher schlecht zurechtzukommen und liegen damit leicht unter dem bundesweiten Durchschnitt (38,5 Prozent). 45 Prozent der bundesweit Befragten können nach eigenen Angaben gut mit längeren Hitzeperioden umgehen. Auffällig ist, dass Menschen in Ballungsräumen mit hoher Bevölkerungsdichte häufiger schlecht mit langanhaltender Hitze zurechtkommen (43 Prozent) als Menschen in ländlichen Gebieten mit sehr niedriger Bevölkerungsdichte (38 Prozent).
Besonders stark leiden die Menschen im Nordwesten unter extremen Temperaturen, allen voran die Schleswig-Holsteiner. Hier sagen 44 Prozent, dass sie eher schlecht oder eindeutig schlecht mit langanhaltenden Temperaturen über 30 Grad zurechtkommen. Im Saarland und in Sachsen-Anhalt sind es dagegen nur 33 Prozent.
Auffällig ist auch bei dieser Auswertung, dass Menschen in Ballungsräumen mit hoher Bevölkerungsdichte (43 Prozent) häufiger schlecht mit langanhaltender Hitze zurechtkommen als Menschen in ländlichen Gebieten mit sehr niedriger Bevölkerungsdichte (38 Prozent).
„Die Befragungsergebnisse machen deutlich, dass die Sensibilität für das Thema bei älteren Menschen, die durch die gesundheitlichen Folgen langanhaltender Hitze besonders gefährdet sind, stärker ausgeprägt ist.“
PD Dr. Sabine Knapstein, Ärztin bei der AOK Baden-Württemberg
Mehr als ein Drittel der Befragten wünscht sich mehr Information
Mehr als ein Drittel der Befragten (35 Prozent) wünschen sich mehr Informationen zu den Auswirkungen von längeren Hitzeperioden auf die Gesundheit. Bei 58 Prozent der Bevölkerung ist das allerdings nicht das Fall. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Thema Hitzeschutz: 61 Prozent fühlen sich gut darüber informiert, wie sie sich bei länger anhaltender Hitze schützen können, immerhin 33 Prozent wünschen sich mehr Informationen. Bei älteren Befragten und bei Menschen, die in Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte wohnen, ist der Wunsch nach zusätzlichen Informationen stärker ausgeprägt.
„Die klimaresiliente Versorgung in der Haus- und facharztzentrierten Versorgung (HZV/FAV) der AOK Baden-Württemberg hat seit dem vergangenen Jahr zum Ziel, auch hitzebedingte Gesundheitsschäden vor allem bei chronisch kranken und älteren Menschen zu vermindern. Die teilnehmenden Arztpraxen können gezielter über Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Gesundheit informieren und möchten motivieren zu Klima- und Gesundheitsschutz“, betont PD Dr. Knapstein. „Hitzeprobleme werden oft eher unterschätzt, und mehr Informationen tun not, wie das Umfrageergebnis bestätigt.“ Die klimaresiliente Versorgung in der HZV/FAV hilft damit auch wichtige Versorgungsthemen schnell und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen umzusetzen. „Auch mit neuen Informationsangeboten wie dem medizinischen Hitzetelefon von AOK-Clarimedis leisten wir einen Beitrag, gerade besonders belastete Menschen auch niedrigschwellig zu erreichen und zu informieren.“
Die Politik ist gefordert
„Die Information der Menschen über Hitzeschutz ist in erster Linie eine Aufgabe der Länder und Kommunen, die in Hitzeaktionsplänen verbindlich verankert werden sollte. Denn Studien zeigen, dass das eigene Hitzerisiko von den Menschen oft unterschätzt wird, auch wenn Risikofaktoren vorliegen. Das mangelnde Problembewusstsein bei vielen Menschen spiegelt sich auch in den Befragungsergebnissen. Mit unseren neuen Informationsangeboten wie dem medizinischen Hitzetelefon von AOK-Clarimedis wollen auch wir einen Beitrag dazu leisten, gerade vulnerable Gruppen wie Ältere und chronisch Kranke niedrigschwellig zu erreichen und zu informieren“, betont Carola Reimann vom AOK-Bundesverband.
„Denn Hitze ist das größte durch den Klimawandel in Deutschland verursachte Gesundheitsrisiko, und das Problem wird in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen. So gab es laut einer Analyse der Fachzeitschrift Nature seit 2000 Jahren noch keinen heißeren Sommer auf der Nordhalbkugel als den Sommer 2023.“
9100 hitzeassoziierte Sterbefälle in Deutschland im Jahr 2022
Die zunehmende Relevanz des Themas untermauern auch Daten zu Sterblichkeit und Krankenhauseinweisungen aufgrund von Hitzewellen: Nach einer aktuellen Auswertung des IBE-Lehrstuhls für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München waren in Deutschland allein im Sommer 2022 insgesamt 9100 hitzeassoziierte Sterbefälle zu verzeichnen. In Sommern mit extremen Hitze-Episoden wie 2015, 2018, 2019 und zuletzt 2022 habe es jeweils eine erhebliche Übersterblichkeit in der Größenordnung von neun- bis zehntausend hitzeassoziierten Sterbefällen gegeben. Der Versorgungs-Report „Klima und Gesundheit“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hatte bereits 2021 gezeigt, dass es an Hitzetagen mit über 30 Grad Celsius drei Prozent mehr Krankenhauseinweisungen in der Altersgruppe über 65 Jahren gibt.
„Da Hitze vor allem für Ältere und chronisch kranke Menschen schnell gefährlich werden kann, müssen wir diese Gruppen besonders für das Thema sensibilisieren. Aufmerksamkeitsstarke und konzertierte Informationskampagnen, wie jetzt im Rahmen des bundesweiten Hitzeaktionstages, sind ein wichtiger Schritt hin zu mehr Bewusstsein und Prävention“, so Reimann. Der Hitzeaktionstag ist erstmals 2023 von der Bundesärztekammer und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) e.V. initiiert worden und findet in diesem Jahr mit vielen regionalen und bundesweiten Aktionen und Veranstaltungen am 5. Juni statt. Beteiligt sind zahlreiche Organisationen und Verbände, die den Aktionstag unterstützen.
Erschöpfung ist häufigste Hitze-Folge
Im Rahmen der Civey-Umfrage wurde auch erhoben, welche konkreten gesundheitlichen Beschwerden die Menschen in Deutschland durch Hitze bekommen: Mit Abstand am häufigsten wird Erschöpfung genannt (44 Prozent), gefolgt von Kopfschmerzen (17 Prozent) sowie Schwindel und Übelkeit (15 Prozent).
Als Strategien im Umgang mit Hitzeperioden setzen 73 Prozent auf eine vermehrte Flüssigkeitsaufnahme, 55 Prozent auf das Verdunkeln der Wohnung oder des Hauses und 38 Prozent auf leichte Mahlzeiten.
Online-Angebot und medizinische Hotline von AOK-Clarimedis
Experten-Tipps zum Thema Hitzeschutz stellt die AOK auf einer Aktions-Webseite unter der Adresse www.aok.de/pk/hitzeschutz frei zugänglich zur Verfügung. Die Seite informiert auch über die oftmals unterschätzten Gesundheitsgefahren durch Hitze. In einem Video gibt der Arzt und Youtuber „Doc Felix“ konkrete Tipps und Informationen zum Umgang mit Hitzeperioden.
Individuelle Fragen von AOK-Versicherten zum Thema beantwortet das medizinische Hitzetelefon von AOK-Clarimedis unter der Telefonnummer 0800 1 265 265. Das Hitzetelefon ist täglich und rund um die Uhr erreichbar. AOK-Clarimedis beantwortet mit einem Team aus Fachärzten und medizinischen Experten alle Fragen zu Diagnosen, Therapien und Symptomen. Gesundheitliche Beschwerden bei Hitze werden von den Medizinern eingeordnet; darüber hinaus erläutern sie Möglichkeiten, um der Hitze entgegenzuwirken.
Info
Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat im Auftrag des AOK-Bundesverbandes vom 22. April bis zum 26. April 2024 online 10.000 Bundesbürger ab 18 Jahren befragt. Der statistische Fehler für die bundesweiten Auswertungen liegt bei 2,5 Prozentpunkten, im Falle der regionalen Auswertungen nach Bundesländern bei 3,0 bis 3,7 Prozentpunkten (Gesamtergebnis). Die regionalen Ergebnisse sind repräsentativ auf Basis einer modellbasierten, statistischen Methode für kleine Datenräume. pm