„Das Trio aus Hitzestress, Dehydrierung und körperliche Überanstrengung ist für die Nieren besonders gefährlich“, sagt Prof. Dr. Julia Weinmann-Menke vom Universitätsklinikum Mainz. Und: Nierenschäden summieren sich oft unbemerkt. Foto: New Africa/stock.adobe.com

Hitze geht an die Nieren: Schäden am Entgiftungsorgan summieren sich unbemerkt

Hitze kann die Nieren nachhaltig schädigen. Studien aus südlichen Ländern zeigen eine Häufung von chronischer Nierenkrankheit (CKD) bei ansonsten gesunden Menschen, die draußen in der Landwirtschaft arbeiten. Dies lässt erahnen, was auch hierzulande auf uns zukommen könnte. Da sich Nierenschäden über Jahre unbemerkt summieren können und dann oft nicht mehr rückgängig zu machen sind, rät die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e. V. (DGfN) dringend, die Nieren bei heißem Wetter zu schützen.

Dazu gehört, ausreichend Wasser oder ungesüßte Getränke zu trinken und extreme körperliche Anstrengungen in den besonders heißen Mittagsstunden zu vermeiden. Medikamente, die die Nieren schädigen können, wie Schmerzmittel – zum Beispiel Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen – sollten möglichst nicht eingenommen oder reduziert werden.

Risiko durch Kombination aus Hitzestress, Dehydrierung und Überanstrengung

Es wird wärmer und wärmer: Der 22. Juli 2024 war nach Angaben des EU-Klimawandeldienstes Copernicus der heißeste Tag auf der Erde seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Zahl der „heißen Tage“ – Tageshöchstwerte der Lufttemperatur von mindestens 30 °C – hat sich seit den 1950er-Jahren von etwa drei Tagen pro Jahr auf derzeit durchschnittlich neun Tage pro Jahr verdreifacht. Auch ausgeprägte Hitzeperioden haben in diesem Zeitraum sowohl an Häufigkeit als auch an Intensität zugenommen.

Was viele nicht wissen: Hitze kann auch den Nieren schaden. „Das Trio aus Hitzestress, Dehydrierung und körperliche Überanstrengung ist für die Nieren besonders gefährlich“, sagt Professor Dr. med. Julia Weinmann-Menke, Pressesprecherin der DGfN und Leiterin der Klinik für Nephrologie, Rheumatologie und Nierentransplantation (NTX) am Universitätsklinikum Mainz. „Denn es kann wichtige Strukturen der Nieren schädigen.“ In der Folge drohen die narbige Veränderung des Entgiftungsorgans und später möglicherweise sein irreversibler Funktionsverlust. Die Betroffenen benötigen dann mehrmals wöchentlich eine künstliche Blutwäsche, die Dialyse.

Mechanismen der Nierenschädigung durch Hitze

In Hitzeperioden fallen vermehrt schädliche Stoffwechselprodukte in den Nieren an, etwa durch den stressbedingten Zerfall von Muskelfasern, auch Rhabdomyolyse genannt. Durch Hitze und Austrocknung werden die Ausscheidungsorgane schlechter durchblutet, was Zellen absterben lässt. Oxidativer Stress entsteht, der Entzündungen und weitere Gewebeschäden nach sich zieht.

Der Urin selbst wird durch den Flüssigkeitsmangel hochkonzentriert. Hierdurch kann es zu vermehrter Bildung von Nierensteinen kommen, die sogenannte Nephrolithiasis. Außerdem steigt die Anfälligkeit für Harnwegsinfekte. Prognosen gehen von bis zu 2,2 Millionen zusätzlichen Fällen von Nephrolithiasis in den Vereinigten Staaten bis 2050 aus.

Auch junge gesunde Menschen sollten ihre Nieren schützen

Zu den Risikogruppen gehören neben Kindern Menschen, die an Diabetes, Bluthochdruck, Herzschwäche oder einer chronischen Nierenkrankheit (CKD) leiden sowie Ältere und stark Übergewichtige. Die Nierenexpertin betont: „Aber auch junge Menschen sollten aufpassen, etwa, wenn sie Sport treiben oder draußen arbeiten.“ Es sei wichtig, auf die Signale des Körpers zu achten, wie Durst, Schwindel, Kopfschmerzen oder Herzrasen.

Schädigung durch Feinstaub, Umweltgifte und Hitze bleibt lange unbemerkt

Und weiter: „Andere schädliche Umwelteinflüsse im Zusammenhang mit dem Klimawandel wie Feinstaub und Umweltgifte können den Hitzeeffekt verstärken, weil sie die Nieren schwächen.“ An heißen Tagen mit Smog oder Staubstürmen sei deshalb besondere Vorsicht geboten.

 „Wir müssen lernen, unsere Nieren während Hitzewellen bewusst zu schützen“, so Weinmann-Menke. Denn die Veränderungen der Niere spüre man zunächst nicht. „Man ist nicht von einem auf den anderen Tag krank. Es gibt verschiedene Stadien und Übergänge.“ Sie rät, grundsätzlich 1,5 bis 2,0 Liter Flüssigkeit am Tag zu trinken. Bei Hitze entsprechend mehr.

Notwendigkeit weiterer Forschung

Dr. med. Nicole Helmbold, Generalsekretärin der DGfN, betont den Handlungsbedarf: „Pro 1 °C Temperaturanstieg rechnet man mit einer um 1 Prozent höheren Rate an Nierenkrankheiten. Die Bevölkerung muss darüber aufgeklärt und geschützt werden. Deshalb ist es erforderlich, die Auswirkungen von Hitzeperioden auf die Nieren weiter zu erforschen. Beides könnte auch Aufgabe eines Deutschen Zentrums für Nierengesundheit sein, für dessen Gründung wir uns einsetzen“.   pm

Info

In Deutschland leben etwa 9 Millionen Menschen mit einer chronischen Nierenkrankheit. Bei 90.000 Patienten ist die Nierenfunktion so schwach, dass sie regelmäßig eine Dialysebehandlung benötigen.

Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) ist die Fachgesellschaft für klinische und wissenschaftliche Nephrologie und bündelt als Dachverband die Interessen aller deutscher Ärzte und Wissenschaftler mit Interesse an diesem breitgefächerten internistischen Fach, das die Pathogenese, Diagnose und Therapie aller Nierenerkrankungen (hereditär, immunologisch, tubulointestitiell) und Systemerkrankungen mit Nierenbeteiligung (zum Beispiel Lupus e.) umfasst. Weitere Kernbereiche der Nephrologie sind die Versorgung nierentransplantierter Patienten, das akute Nierenversagen, die Dialyse und anderer extrakorporaler Therapieverfahren (Immunadsorption oder Leberersatztherapie), die Behandlung von Elektrolytstörungen und Störungen des Säure-Basen-Haushalts sowie die Hypertonie. Auch das Begleiterkrankungen der chronischen Niereninsuffizienz (Mineral-und Knochenstörungen, Anämie, Neuropathie) sowie Maßnahmen zur Verlangsamung der Progression von Nierenkrankheiten fallen in den Aufgabenbereich von Nephrologen.