
Früher war alles besser. Auch der Kater nach dem üppigen Alkoholkonsum. Im Alter fällt in der Regel der Alkoholabbau immer schwerer. Foto: AntonioDiaz/stock.adobe.com
Früher Party, heute Pein: Warum der Alkohol-Kater im Alter heftiger zuschlägt
Früher war alles besser. Und das gilt auch fürs Feiern. Zwei, drei Gläser Wein, die mit 25 noch als „netter, harmloser Abend“ durchgingen, fühlen sich mit 45 am nächsten Morgen an wie eine schlecht gelaunte Betriebsprüfung im Kopf. Und mit 65 braucht man schon zwei ganze Tage, um sich von dem einst gut weggesteckten Pensum an Alkohol zu erholen.
Das Alter ist eben nichts für Feiglinge, sondern ein steter Kampf um alles, was einst selbstverständlich war. Oder weniger heroisch ausgedrückt: Der Körper wird im Alter nicht generell unfähiger, sondern anders. Und das betrifft auch den Konsum von Alkohol und die Auswirkungen der langsamer umgesetzten Abbauprodukte.
Was ist ein Kater – und welche Symptome sind typisch?
Medizinisch spricht man von „Alcohol Hangover“: einem Bündel unangenehmer körperlicher und psychischer Symptome, das typischerweise auftritt, wenn der Blutalkoholspiegel wieder Richtung null fällt.
- Kopfschmerzen, Pochen im Kopf
- Übelkeit, Magenschmerzen, Appetitlosigkeit
- Durst, trockener Mund (aber: Dehydrierung ist nicht die ganze Geschichte)
- Müdigkeit, Schwäche, Brain Fog, Konzentrationsprobleme
- Schwindel, Licht-/Lärmempfindlichkeit
- Herzklopfen, Zittern, Schwitzen, erhöhter Blutdruck
- Reizbarkeit, innere Unruhe, Angstgefühl („Hangxiety“)
Acetaldehyd: das toxische Zwischenprodukt
Im Mittelpunkt des Kater-Erlebnisses steht Acetaldehyd – ein Zwischenprodukt beim Alkoholabbau. Ethanol wird vor allem in der Leber durch die Alkohol‑Dehydrogenase (ADH) zu Acetaldehyd umgewandelt. Anschließend macht die Aldehyd‑Dehydrogenase (ALDH) daraus Acetat, das weiter zu Energiebausteinen verarbeitet wird.
Acetaldehyd ist kurzlebig, aber biologisch sehr reaktiv und kann Entzündungsreaktionen und oxidativen Stress anschieben, die viele Kater-Symptome plausibel mit erklären. Akut – also nach einer Trinknacht – geht es vor allem um Funktionsstörungen: Magen-Darm-Reizung, Gefäßreaktionen, Entzündungsbotenstoffe, Stress im Zellstoffwechsel. Langfristig wird Acetaldehyd besonders interessant, weil es an körpereigene Moleküle andocke kann: Es bildet Addukte mit Proteinen und DNA. Das gilt als ein Mechanismus, der zu den krebserzeugenden Effekten von Alkohol beitragen kann (unter anderem in Mundhöhle, Rachen, Speiseröhre).
Gut zu wissen…
„Hangxiety“ ist kein offizieller Diagnosebegriff, aber ein sehr realer Mix aus Schlafmangel, Stresshormonen und Kreislaufreaktionen.
Wasser hilft, aber nicht auf magische, heilsame Art: Studien finden nur einen eher begrenzten Effekt auf die Katerstärke.
Ein Teil des Katers ist Immunreaktion: Der Körper verhält sich ein bisschen wie bei einem Infekt, nur eben ohne Virus.
Alter und Alkohol: weniger Wasser, längerer Abbau, schlechterer Schlaf
Der Spruch „Früher konnte ich mehr“ hat tatsächlich biologische Anteile, auch wenn er nicht für jede Person gleich stark gilt.
Weniger Körperwasser, mehr Fettgewebe: Alkohol verteilt sich hauptsächlich im Körperwasser. Mit dem Alter sinkt oft die Muskelmasse, und damit der Wasseranteil. Ergebnis: Die gleiche Trinkmenge führt zu einer höheren Blutalkoholkonzentration und häufig auch zu einer stärkeren Belastung am nächsten Tag.
Abbau und Ausscheidung können langsamer werden: Leber und Nieren arbeiten im Alter im Durchschnitt weniger spritzig als mit 20. Das muss keine Krankheit sein, aber es kann bedeuten, dass Ethanol (und damit auch Acetaldehyd als Zwischenprodukt) länger im System bleibt. Je länger diese Stoffe zirkulieren, desto länger können sie Schlaf, Kreislauf, Magen und Gehirn nerven.
Schlaf wird leichter störbar: Alkohol macht zwar müde, aber er verschlechtert die Schlafqualität. Er kann Tief- und REM-Schlaf dämpfen, zu häufigem Erwachen beitragen und den nächtlichen Harndrang verstärken. Viele ältere Menschen schlafen ohnehin fragmentierter und so rächt sich ein alkoholgestörter Schlaf am Morgen besonders stark.
Mehr Vorerkrankungen und Medikamente: Mit den Jahren steigt die Wahrscheinlichkeit für Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Diabetes oder Reflux – und damit auch für regelmäßige Medikamente. Alkohol kann Blutdruck und Herzschlag beeinflussen und mit Arzneien interagieren (von Schlafmitteln über Schmerzmittel bis zu bestimmten Psychopharmaka). Das erhöht nicht nur das Kater-Risiko, sondern auch das Risiko für Stürze oder gefährliche Nebenwirkungen.
Alkohol-Risiken im Alter: Blutdruck, Herzrhythmus, Organschäden
- Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen können getriggert oder verschlechtert werden.
- Höheres Sturz- und Unfallrisiko (Alkohol und Gleichgewicht und gegebenenfalls sedierende Medikamente).
- Schlafstörungen: nächtlicher Harndrang, weniger erholsamer Schlaf, mögliche Verschlechterung von Schnarchen/Schlafapnoe.
- Leber- und Stoffwechselbelastung (Fettleber, Entzündungen, ungünstige Blutfette).
- Mehr Wechselwirkungen mit Medikamenten; in Einzelfällen gefährliche Überdosierungen/Über-Sedierung.
- Entzündliche Prozesse und Immunsystem-Aktivierung – was sich subjektiv als „länger krank“ anfühlen kann.
Wochenend-Kater bei jungen Leuten: Warnsignal für Binge Drinking
Der klassische Wochenend-Kater unter jungen Menschen ist oft ein Hinweis auf Rauschtrinken (Binge Drinking). Kurzfristig steigt das Risiko für Unfälle, riskanten Sex, Gewalt, Alkoholvergiftung. Medizinisch wichtig: In Jugend und frühem Erwachsenenalter reift das Gehirn noch; wiederholtes Binge Drinking wird mit messbaren Veränderungen in Gehirnstruktur und Gehirnfunktion und einem höheren Risiko für spätere Alkoholprobleme in Verbindung gebracht.
- Gehirn und Psyche: schlechtere Impulskontrolle, Lern- und Gedächtnisprobleme, mehr Angst/Depressionssymptome möglich.
- Herz-Kreislauf: vorübergehend erhöhter Blutdruck, Herzrasen; in Einzelfällen Rhythmusstörungen.
- Magen-Darm: Gastritis, Reflux, wiederkehrende Übelkeit – „der Magen lernt das“ leider schnell.
- Gewöhnung: Wer Kater „wegtrinkt“ oder jedes Wochenende braucht, rutscht leichter in riskante Muster.
Frauen und Alkohol: warum die gleiche Menge stärker wirken kann
Ist Alkohol für Frauen grundsätzlich ein größeres Gesundheitsproblem? Tendenziell ja, und das aus mehreren Gründen. Bei gleicher Trinkmenge erreichen viele Frauen schneller eine höhere Blutalkoholkonzentration, weil sie im Schnitt weniger Körperwasser haben. Außerdem ist die sogenannte „First‑Pass“-Verstoffwechselung im Magen bei Frauen häufig geringer, sodass mehr Alkohol unverändert ins Blut gelangt. Langfristig zeigen Studien, dass Frauen bei vergleichbaren Trinkmengen früher alkoholbedingte Organschäden (zum Beispiel in der Leber) entwickeln können. Das ist ein wichtiger biologischer Unterschied in der Risikobewertung.
Kater-Erste-Hilfe: Was hilft wirklich und was ist Mythos?
Nach einer langen Nacht greifen viele zu vermeintlichen Wundermitteln gegen den Kater. Medizinisch betrachtet gibt es allerdings keine echte „Heilung“, sondern nur Maßnahmen, die Symptome lindern oder die Erholung unterstützen.
✅ Was wirklich helfen kann
Wasser und Elektrolyte
Alkohol entwässert den Körper. Viel trinken (Wasser, Mineralwasser, verdünnte Saftschorlen) hilft, den Flüssigkeits- und Mineralstoffverlust auszugleichen.
Leichtes, salziges Essen
Brühe, Suppe oder ein einfaches Frühstück können Kreislauf und Elektrolythaushalt stabilisieren.
Schlaf und Ruhe
Der Körper braucht Zeit, um Alkohol und dessen Abbauprodukte vollständig zu verarbeiten. Ausschlafen ist oft die beste Medizin.
Schmerzmittel mit Vorsicht
Ibuprofen kann Kopfschmerzen lindern, belastet aber Magen und Nieren. Paracetamol ist bei Alkohol besonders problematisch, da es die Leber zusätzlich schädigen kann.
❌ Was eher Mythos ist
„Konterbier“ (weitertrinken)
Kurzfristig mag es Symptome überdecken, tatsächlich verzögert es aber den Alkoholabbau und verlängert den Kater.
Kalter Schweiß durch Sauna oder Sport
Alkohol wird nicht ausgeschwitzt. Im Gegenteil: Sport und Sauna können Kreislauf und Dehydrierung verschlimmern.
Fettiges Essen am Morgen
Es schützt nicht nachträglich vor einem Kater. Allenfalls fühlt man sich kurzzeitig besser, medizinisch ist der Effekt gering.
Vitamin- oder Wundermittel
Für die meisten frei verkäuflichen Anti-Kater-Produkte gibt es keine belastbaren wissenschaftlichen Belege.
Die ehrliche medizinische Wahrheit
Der sicherste Schutz vor einem Kater bleibt maßvoller Alkoholkonsum, langsames Trinken, Essen vor und während des Alkoholkonsums – und ausreichend Wasser zwischendurch. Was der Körper einmal zu viel bekommen hat, kann er am nächsten Morgen nur noch in Ruhe und mit Zeit verarbeiten.
Vor allem gilt: Die Warnzeichen eines schweren Katers ernst nehmen, denn anhaltendes Erbrechen, Verwirrtheit, starke Brustschmerzen und Atemnot benötigen medizinische Hilfe. tok