
„Am besten ist es, eine Null-Alkohol-Politik im Unternehmen zu fahren und diese dann auch zusammen mit den Mitarbeitervertretern in einer Betriebsvereinbarung entsprechend zu regeln“, sagt Dr. Marlen Cosmar, Psychologin am Institut für Arbeit und Gesundheit (IAG) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung in Dresden, zum Thema Alkoholprävention am Arbeitsplatz. Foto: dusanpetkovic1/stock.adobe.com
Mediziner fordern Alkohol-Werbeverbot – Am Arbeitsplatz ist jedes Glas eins zu viel
Alkohol ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig, leicht verfügbar und relativ günstig. Man feiert mit ihm, Jugendliche trinken sich in den Kreis der Erwachsenen und andere finden Trost im Rausch. Alkohol hat ein hohes Suchtpotenzial. Und gesund ist er auch nicht, was ihn nicht nur zu einer medizinischen Herausforderung, sondern zu einem großen gesamtgesellschaftlichen Problem macht.
Anlässlich der noch bis zum 16. Juni laufenden „Aktionswoche Alkohol“ fordert die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) gemeinsam mit der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), der Bundesärztekammer (BÄK), der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sowie der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e. V. (DG-Sucht), die Alkoholprävention in Deutschland zu stärken. Um den Alkoholkonsum insgesamt und die daraus erwachsenden Folgen für Konsumierende, das soziale Umfeld und die Gesellschaft einzudämmen, müssten Alkoholpreise spürbar angehoben, die Verfügbarkeit alkoholischer Getränke eingeschränkt sowie Alkohol-Werbung und -Sponsoring reguliert werden.
Ärzte und Suchtexperten fordern mehr Alkoholprävention
„Die gesundheitlichen und sozialen Schäden durch Alkohol können nicht länger ignoriert werden. Höhere Alkoholpreise, Einschränkung der Werbung und eine geringere Verfügbarkeit sind wirksam, um den Konsum und damit auch die Suchtgefahren zu reduzieren“, fordert BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung wurde vereinbart, dass die Alkoholprävention gestärkt und Maßnahmen an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet werden sollen. Die Koalition hat sich selbst zum Ziel gesetzt, die Alkoholprävention bei Kindern, Jugendlichen und Schwangeren zu verbessern und die Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol zu verschärfen.
„Nach wie vor ist Deutschland ein Hochkonsumland, wenn es um Alkohol geht. Die gesundheitlichen und gesellschaftlichen Schäden sind immens. Dabei könnten wir den Alkoholkonsum deutlich reduzieren, sofern der politische Wille dazu vorhanden ist“, sagt Erik Bodendieck, Co-Vorsitzender des Ausschusses „Sucht und Drogen“ der Bundesärztekammer. Diese fordert den Ausbau verhältnispräventiver Maßnahmen, die zur Verringerung des riskanten Alkoholkonsums beitragen. Auf diesem Gebiet hat Deutschland laut WHO und OECD im internationalen Vergleich großen Nachholbedarf. Zu den Maßnahmen gehören neben einem umfassenden Werbeverbot für Alkohol auch die höhere Besteuerung und Bepreisung von Alkoholprodukten und die Einschränkung der Verfügbarkeit von alkoholischen Getränken.
Psychotherapeuten fordern: Behandlungsangebote ausbauen
„All diese Maßnahmen sind hoch wirksam und leicht umzusetzen. Die Politik steht hier in der Verantwortung, endlich zu handeln und die Menschen besser vor den negativen Folgen des Alkoholkonsums zu schützen. Stattdessen schützt sie bisher aber leider vor allem die Interessen der Alkoholindustrie“ so Bodendieck. Auch der 128. Deutsche Ärztetag in Mainz hatte zuletzt mit deutlicher Mehrheit umfassende Werbeverbote für Alkoholprodukte gefordert.
„Um die Versorgung von Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen zu verbessern, müssen einerseits die Behandlungsangebote ausgebaut und andererseits das Abstinenzgebot aus der Psychotherapie-Richtlinie gestrichen werden“, so Benecke. Denn aktuell darf mit Patienten, die nicht spätestens bis zur zehnten Behandlungsstunde abstinent sind, keine Psychotherapie durchgeführt werden.
Die bundesweite Aktionswoche Alkohol 2024 stellt unter dem Motto „Wem schadet dein Drink?“ die Auswirkungen des Alkoholkonsums auf Dritte in den Fokus. Mit Hunderten von Veranstaltungen während des Aktionszeitraums soll über Risiken und Folgen des Alkoholkonsums aufgeklärt und ein gesellschaftlicher Diskurs angeregt werden.
Kein Alkohol am Arbeitsplatz
Was können Betriebe tun, um Alkohol und andere berauschende Substanzen vom Arbeitsplatz zu verbannen und zumindest in der Phase der Arbeitszeit den Zugang zu Alkohol einzudämmen? Ein direktes Gesetz gegen Alkohol am Arbeitsplatz gibt es nicht, aber wenn man zur Gefahr für sich oder andere wird, dann ist auch Alkohol in der Arbeitszeit verboten. Betriebe können eigene Vereinbarungen zu Alkohol und anderen Drogen beschließen. Dann müssen Geburtstage, Urlaubsrunden oder Firmenjubiläen eben alkoholfrei gefeiert werden, so die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV).
Wichtig ist es für die Kollegen oder Vorgesetzten im Betrieb, auf Anzeichen einer Alkoholsucht bei den Kollegen zu achten. Sind häufige Ausfallzeiten von wenigen Tagen, starke Leistungsschwankungen, oder eine Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Tätigkeit und teilweise auch ein verändertes Erscheinungsbild festzustellen? Dann könnte ein Alkoholproblem vorliegen. Wer ohne Alkohol seine normalen Tätigkeiten und sein Sozialleben nicht mehr aufrechterhalten kann, wer ohne Alkohol seine Arbeit nicht mehr schafft, der hat möglicherweise ein Suchtproblem.
Was tun, wenn ein Kollege Alkoholprobleme hat? Wer den Kollegen anspricht, sollte nach Möglichkeit schon genau darlegen können, wann und wo Auffälligkeiten am Arbeitsplatz oder beim Sozialverhalten auf eine Sucht schließen lassen. Schließlich kann der Betroffene die Situationen ja ganz anders sehen und einschätzen. Schon im ersten Gespräch eine konkrete Diagnose zu stellen, sei nicht unbedingt sinnvoll, so Dr. Marlen Cosmar, Psychologin am Institut für Arbeit und Gesundheit (IAG) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung in Dresden.
Weiter im Beruf aktiv sein trotz Suchterkrankung
Eine Suchterkrankung bedeutet ja nicht zwangsläufig das berufliche Aus. Bei vielen der zahlreichen Therapien zur Suchtrehabilitation ist die Beschäftigung sogar ein wichtiger Teil des Weges, weil sie Struktur gibt. Optimalerweise kommt es aber gar nicht erst so weit. Auch die Unternehmen können dazu beitragen. „Am besten ist es, eine Null-Alkohol-Politik im Unternehmen zu fahren und diese dann auch zusammen mit den Mitarbeitervertretern in einer Betriebsvereinbarung entsprechend zu regeln. Ansonsten kann man natürlich informieren über Suchtrisiken, über die Folgen von Sucht und Alkohol- oder Drogenmissbrauch, und man kann natürlich auch noch mal darüber informieren, wie erkennt man Missbrauch oder auch Sucht bei Kolleginnen und Kollegen. Die Unfallversicherungsträger bieten hier auch eine ganze Reihe von Informationen und beraten zum Teil auch direkt zu diesem Thema“, so Dr. Marlen Cosmar.
Suchtprobleme durch Alkohol, aber auch Medikamente, Aufputschmittel oder Drogen werden oft unterschätzt. Sie stürzen nicht nur Betroffene und deren Angehörige in Schwierigkeiten. Wer betrunken oder bekifft Maschinen oder ein Fahrzeug steuert, gefährdet sich und andere. Allein beim Thema Alkohol schätzen Fachleute, dass zehn Prozent aller Beschäftigten – von der Geschäftsführung bis zur Aushilfskraft – aus gesundheitlicher Sicht zu viel trinken. Mehr Infos zum Thema gibt es unter dguv.de.
Links zur „Aktionswoche Alkohol“:
Aktionswoche Alkohol: https://www.aktionswoche-alkohol.de/die-aktionswoche/
Gemeinsames Positionspapier DHS, BÄK, BPtK, DGPPN und DG-Sucht: https://ots.de/BroxYS