Es gibt viele Feinstaub-Verursacher. Beim Auto mit Verbrennermotor spielen Abgase und Rußpartikel eine große Rolle. Bei Auto mit Wasserstoff- oder Elektromotoren entfallen zwar die giftigen Rauchschwaden, aber sie produzieren dennoch Feinstaub durch den Reifenabrieb. Foto: red13fotostudio/stock.adobe.com
Flächendeckend hohe Feinstaub-Belastung in Deutschland – Grenzwerte höher als WHO-Empfehlung
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) schlägt Alarm wegen gesundheitsschädlicher Belastung der Atemluft überall in Deutschland. Neuen Daten des Umweltbundesamts (UBA) zufolge lag die Luftschadstoffbelastung im Jahr 2023 flächendeckend deutlich oberhalb der Grenzwertempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO): An 99 Prozent aller Messstationen wird die WHO-Empfehlung von 5 µg/m3 für Feinstaub überschritten.
Beim Dieselabgasgift Stickstoffdioxid sind laut WHO bereits Konzentrationen von 10 µg/m3 gesundheitsschädlich – dieser Wert wird an knapp drei Vierteln aller Messstationen in Deutschland überschritten. Traurige Spitzenreiter sind München und Essen: Hier wird selbst der seit 14 Jahren geltende Grenzwert von 40 µg/m3 weiterhin überschritten.
„Luftverschmutzung ist das größte umweltbedingte Risiko für die Gesundheit der Menschen in Deutschland und in Europa und ein Risikofaktor für alle großen Volkskrankheiten – Herz-Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen und Krebs. Studien zeigen außerdem, dass das Risiko für Kinder besonders ausgeprägt ist, da sie noch in der Entwicklung sind. Die Gesundheit wird schon im frühen Kindesalter, selbst schon im Mutterleib, durch Luftverschmutzung beeinträchtigt, mit lebenslangen Folgen.“
Dr. Klaus Reinhardt
Präsident der Bundesärztekammer
DUH gegen Ausnahmeregelungen für Grenzwerte
Die DUH fordert die Bundesregierung auf, die geltenden Grenzwerte noch in diesem Jahr WHO-konform anzupassen. Außerdem braucht es eine klare Positionierung der Bundesregierung bei den laufenden Verhandlungen zur EU-Luftqualitätsrichtlinie – für die Saubere Luft und gegen Ausnahmeregelungen zur Einhaltung neuer Grenzwerte. Hier hat Deutschland auf Weisung von Kanzler Scholz und Druck der Industrie angekündigt, sich zu enthalten.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Die neusten Daten des Umweltbundesamts zeigen: Atmen in Deutschland ist gesundheitsschädlich. Doch die Bundesregierung weigert sich noch immer, die gesetzlichen Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid an die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2021 anzupassen. Und damit nicht genug! Beim Showdown der Verhandlungen in Brüssel über strengere Grenzwerte plant die Bundesregierung sich erneut zu enthalten und nimmt damit zusätzliche Hunderttausende vorzeitige Todesfälle in Kauf.“
Und was wünscht sich die DUH? „Wir fordern den Bundeskanzler auf, in Sachen Saubere Luft die Führung zu übernehmen – so wie US-Präsident Biden in dieser Woche. Dieser hat den Jahresmittelgrenzwert für Feinstaub auf 9 µg/m3 im Jahresmittel herabgesetzt und damit einen ersten Schritt getan, um die Gesundheit der Menschen über die Interessen der Industrielobby zu stellen. Herr Scholz, setzen Sie sich endlich für die Saubere Luft in Deutschland und Europa ein“, fordert Jürgen Resch.
„Man darf Kinder nicht als kleine Erwachsene betrachten, wenn es um Luftverschmutzung geht. Sie nehmen mehr Schadstoffe auf, das fängt schon im Mutterleib an und das setzt sich im Kindergarten usw. fort. Wir lassen unsere Kinder bei der Luftverschmutzung im Stich.“
Gerardo Sanchez Martinez
Experte für Umweltmedizin, Europäische Umweltagentur
WHO senkt Grenzwertempfehlungen und Deutschland reagiert nicht
Im September 2021 hat die WHO ihre Grenzwertempfehlungen an den aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst und drastisch abgesenkt. Mit der Einhaltung könnten laut Europäischer Umweltagentur in Deutschland jedes Jahr 28.900 vorzeitige Todesfälle durch Feinstaubbelastung und 10.000 aufgrund der Luftverschmutzung mit Stickstoffdioxid vermieden werden. Die US-Behörden haben eben erst einen ersten Schritt getan und bekannt gegeben, den Grenzwert für besonders gesundheitsschädlichen Feinstaub von 12 auf 9 µg/m³ abzusenken. Hiervon ist Deutschland noch weit entfernt: Hier sind noch immer Feinstaubbelastungen von 25 µg/m³ erlaubt.
So viel Feinstaub PM10 und PM2,5 wirbelt im Südwesten herum
Feinstaub besteht aus einem komplexen Gemisch fester und flüssiger Partikel und wird abhängig von deren Größe in unterschiedliche Fraktionen eingeteilt. Unterschieden werden PM10 (PM, particulate matter) mit einem maximalen Durchmesser von 10 Mikrometer (µm), PM2,5 und ultrafeine Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 0,1 µm.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in Untersuchungen festgestellt, dass es keine Feinstaubkonzentration (bezogen auf PM10 und PM2,5) gibt, unterhalb derer eine schädigende Wirkung ausgeschlossen werden kann. Die Feinstaubbelastung sollte also so gering wie möglich sein, um gesundheitsschädliche Effekte zu minimieren.
Grober Feinstaub wird meist bereits in der Nase abgefangen, wohingegen feinere Partikel (kleiner als 2,5 Mikrometer) tiefer in die Lungen vordringen können: in die Bronchien, Bronchiolen und auch in die Lungenbläschen (Alveolen). Ultrafeine Partikel (kleiner als 100 Nanometer) dringen ebenfalls bis in tiefe Zellebenen der Lunge vor und können von dort auch ins Blut oder in das Lymphsystem gelangen. Je kleiner die Partikel sind, desto unwahrscheinlicher ist es auch, dass diese wieder abgeatmet werden oder dass die Reinigungszellen der Lunge sie erkennen und bekämpfen. Mehr über die gesundheitlichen Gefahren lesen Sie hier.
In dieser Tabelle sehen Sie die Feinstaubmengen der Größen PM10 und PM2,5, wie sie im Jahresmittel an den baden-württembergischen Messstationen auftauchen. Die WHO-Empfehlung für Feinstaub liegt bei 5 µg/m3. pm/tok
Messwerte für Feinstaub PM2,5 | Messstation | Art der Station | Mittelwert in 2023 in µg/m³ |
Mannheim Friedrichsring | städtisches Gebiet | Verkehr | 9,6 |
Stuttgart Arnulf-Klett-Platz | städtisches Gebiet | Verkehr | 9,2 |
Stuttgart Am Neckartor | städtisches Gebiet | Verkehr | 8,6 |
Pfinztal Karlsruher Straße | vorstädtisches Gebiet | Verkehr | 8,6 |
Ulm | städtisches Gebiet | Hintergrund | 8,4 |
Konstanz | städtisches Gebiet | Hintergrund | 8,3 |
Heilbronn | städtisches Gebiet | Hintergrund | 8,2 |
Kehl | vorstädtisches Gebiet | Industrie | 8,2 |
Karlsruhe Reinhold-Frank-Straße | städtisches Gebiet | Verkehr | 8,2 |
Heilbronn Weinsberger Straße-Ost | städtisches Gebiet | Verkehr | 8,2 |
Weil am Rhein | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 8,1 |
Stuttgart-Bad Cannstatt | städtisches Gebiet | Hintergrund | 8 |
Mannheim-Nord | vorstädtisches Gebiet | Industrie | 7,8 |
Reutlingen Lederstraße-Ost | städtisches Gebiet | Verkehr | 7,8 |
Pforzheim | städtisches Gebiet | Hintergrund | 7,7 |
Karlsruhe-Nordwest | städtisches Gebiet | Hintergrund | 7,7 |
Tübingen | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 7,6 |
Reutlingen | städtisches Gebiet | Hintergrund | 7,5 |
Schramberg Oberndorfer Straße | städtisches Gebiet | Verkehr | 7,4 |
Freiburg | städtisches Gebiet | Hintergrund | 7,3 |
Freiburg Schwarzwaldstraße | städtisches Gebiet | Verkehr | 7,1 |
Schwäbische Alb | ländlich regional | Hintergrund | 5,7 |
Schwarzwald-Süd | ländlich regional | Hintergrund | 4,7 |
Messwerte für Feinstaub PM10 | Messstation | Art der Station | Mittelwert in 2023 in µg/m³ |
Tübingen Mühlstraße | städtisches Gebiet | Verkehr | 19 |
Stuttgart Arnulf-Klett-Platz | städtisches Gebiet | Verkehr | 18 |
Mannheim Friedrichsring | städtisches Gebiet | Verkehr | 17 |
Stuttgart Am Neckartor | städtisches Gebiet | Verkehr | 17 |
Stuttgart Hohenheimer Straße | städtisches Gebiet | Verkehr | 16 |
Reutlingen Lederstraße-Ost | städtisches Gebiet | Verkehr | 15 |
Heilbronn Weinsberger Straße-Ost | städtisches Gebiet | Verkehr | 15 |
Stuttgart-Bad Cannstatt | städtisches Gebiet | Hintergrund | 14 |
Heilbronn | städtisches Gebiet | Hintergrund | 14 |
Pfinztal Karlsruher Straße | vorstädtisches Gebiet | Verkehr | 14 |
Mannheim-Nord | vorstädtisches Gebiet | Industrie | 14 |
Kehl | vorstädtisches Gebiet | Industrie | 14 |
Eggenstein | ländlich stadtnah | Hintergrund | 13 |
Karlsruhe Reinhold-Frank-Straße | städtisches Gebiet | Verkehr | 13 |
Freiburg Schwarzwaldstraße | städtisches Gebiet | Verkehr | 13 |
Ulm | städtisches Gebiet | Hintergrund | 13 |
Pforzheim | städtisches Gebiet | Hintergrund | 13 |
Konstanz | städtisches Gebiet | Hintergrund | 13 |
Bernhausen | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 13 |
Neuenburg | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 13 |
Schramberg Oberndorfer Straße | städtisches Gebiet | Verkehr | 12 |
Reutlingen | städtisches Gebiet | Hintergrund | 12 |
Friedrichshafen | städtisches Gebiet | Hintergrund | 12 |
Karlsruhe-Nordwest | städtisches Gebiet | Hintergrund | 12 |
Weil am Rhein | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 12 |
Ludwigsburg | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 12 |
Aalen | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 12 |
Tübingen | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 12 |
Heidelberg | städtisches Gebiet | Hintergrund | 11 |
Freiburg | städtisches Gebiet | Hintergrund | 11 |
Wiesloch | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 11 |
Villingen-Schwenningen | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 11 |
Biberach | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 11 |
Tauberbischofsheim | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 11 |
Gärtringen | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 11 |
Baden-Baden | vorstädtisches Gebiet | Hintergrund | 10 |
Schwäbische Alb | ländlich regional | Hintergrund | 8,7 |
Schwarzwald-Süd | ländlich regional | Hintergrund | 7,5 |
Quelle: Umweltbundesamt/Luftdaten/Jahresbilanzen