
Zeckenstiche können auch eine schwerwiegende Allergie auslösen: das Alpha-Gal-Syndrom. Betroffene vertragen plötzlich kein rotes Fleisch von Rind, Schwein oder Lamm mehr. Überträger sind aus Amerika stammende Zecken. Von dieser Fleischallergie nach Zeckenbiss sind in den USA etwa 450.000 Menschen betroffen. Foto: BBQ-Fotos/stock.adobe.com
Die Zeckensaison geht weiter – Immer mehr Fälle von Fleischallergie durch Alpha-Gal-Syndrom
Die Gefahr eines Zeckenstiches in deutschen Städten bleibt aktuell auch in der kalten Jahreszeit aus mehreren Gründen hoch. Selbst jetzt im Oktober ist man nicht sicher vor den Überträgern von Viren und Bakterien, die gefährliche Krankheiten auslösen. Eine seltene, aber immer öfter in den Fokus rückende, durch einen Zeckenstich ausgelöste Krankheit ist das Alpha-Gal-Syndrom mit einer kuriosen Allergie.
Die warme Stadt als Zeckenparadies
In vielen Regionen sind die Winter wegen der Klimakrise milder geworden, was bedeutet, dass Zecken auch bei kühleren Temperaturen aktiv bleiben können. Das gilt insbesondere für eine städtische Umgebung. Temperaturen über dem Gefrierpunkt ermöglichen es Zecken, sich zu bewegen und auf Wirte zu warten. Zum Beispiel in städtischen Parks, Gärten und andere Grünflächen, die Lebensraum für Zecken bieten. Wo sich Menschen in ihrer Freizeit im Grünen aufhalten, steigt durch den Klimawandel auch das Risiko, in der kälteren Jahreszeit in Kontakt mit den Blutsaugern zu kommen.
„Zecken sind in der Stadt unter geeigneten Bedingungen das ganze Jahr über aktiv“, sagt Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Hinzu kommt: Zecken können in verschiedenen Lebensstadien überwintern und sind in der Lage, in geschützten Bereichen wie Laub oder unter Schnee zu überleben. Dies bedeutet, dass sie im Frühling schnell wieder aktiv werden können, sobald die Temperaturen steigen. Die Pause im Jahresablauf, in der man nicht mit einer Zeckenattacke rechnen muss, wird also kürzer.
Die Überträger
Zeckenstiche können nicht nur Krankheitserreger übertragen, sie können auch eine schwerwiegende Allergie auslösen. In den vergangenen Jahren haben Mediziner eine zunehmende Anzahl von Fällen des Alpha-Gal-Syndroms beobachtet. Diese seltene Allergie führt dazu, dass Betroffene plötzlich kein rotes Fleisch mehr vertragen. In der Forschung wurde zuletzt insbesondere in den USA eine auffällige Zunahme von Allergien gegen rotes Fleisch beobachtet. Betroffene berichten über allergische Reaktionen, die mehrere Stunden nach dem Verzehr von Rind, Schwein oder Lamm auftraten.
„Überraschenderweise wurde festgestellt, dass diese Allergien häufig auf den Stich einer bestimmten Zeckenart, der sogenannten Lone-Star-Zecke, zurückzuführen sind“, sagt Dr. Utta Petzold, Dermatologin bei der BARMER. Diese Spinnentiere sind in den südlichen und östlichen Teilen der USA heimisch, breiten sich jedoch zunehmend auch in andere Regionen aus. Mit ihnen steigt die Zahl der Menschen, die nach einem Stich die beschriebene Fleischallergie entwickeln.
Das Alpha-Gal-Syndrom
Die durch den Zeckenstich ausgelöste Nahrungsmittelallergie wird als Alpha-Gal-Syndrom bezeichnet. Der Name stammt von einem speziellen Zuckermolekül, genannt Galaktose-alpha-1,3-Galaktose, kurz Alpha-Gal, das in den Zellen von nicht-menschlichen Säugetieren, also in der Regel in rotem Fleisch, vorkommt. „Bei einem Stich der Lone-Star-Zecke überträgt diese das Alpha-Gal-Molekül direkt über die Haut auf den Menschen, was das Immunsystem dazu veranlasst, Antikörper dagegen zu bilden. Diese können dann später nach dem Verzehr von rotem Fleisch eine allergische Reaktion auslösen“, sagt die Medizinerin.
Das Krankheitsbild
Menschen mit Alpha-Gal-Syndrom entwickeln allergische Reaktionen, die zwischen zwei und sechs Stunden nach dem Konsum von rotem Fleisch auftreten können. Typische Symptome reichen von Hautausschlägen, Juckreiz und Schwellungen bis hin zu Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. In schwereren Fällen können Atemnot, Schwindel oder gar ein anaphylaktischer Schock auftreten, der lebensbedrohlich sein kann.
Im Gegensatz zu vielen anderen Lebensmittelallergien tritt die Reaktion nicht sofort nach dem Verzehr auf, sondern verzögert. „Das macht die Diagnose oft schwierig, da Betroffene die Symptome zunächst nicht mit dem Fleischkonsum in Verbindung bringen“, erläutert Petzold.
Die Behandlungsmethoden
„Eine Heilung ist aktuell nicht möglich. Die wichtigste Maßnahme für Menschen, die am Alpha-Gal-Syndrom leiden, besteht darin, den Konsum von rotem Fleisch strikt zu vermeiden“, sagt Petzold. Im Falle einer allergischen Reaktion können verschiedene Antihistaminika oder Kortikosteroide verschrieben werden, um die Symptome zu lindern.
Menschen, die besonders schwere Reaktionen erleiden, sollten zudem immer ein Notfallset mit Adrenalin, Kortison, Antihistaminikum und Asthmaspray bei sich tragen, um im Falle eines anaphylaktischen Schocks schnell reagieren zu können.
Die Prävention
„Der beste Schutz vor dem Alpha-Gal-Syndrom besteht darin, Zeckenstiche zu vermeiden“, sagt Petzold. Erreicht werden kann dies durch eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen. Beim Aufenthalt in waldigen oder grasbewachsenen Gebieten sollte lange Kleidung getragen werden. Ist diese zudem hell, wird das Erkennen von Zecken erleichtert. Ebenso ist beim Gang in die Natur der Gebrauch von Zeckenschutzmitteln zu empfehlen.
Nach dem Aufenthalt im Freien sollte der Körper gründlich auf Zecken abgesucht werden. Besonders bevorzugte Stellen sind Hautbereiche mit dünner Haut wie Kniekehlen, Bauchnabel, Achseln oder Nacken. Wird dabei eine Zecke entdeckt, sollte diese so schnell wie möglich entfernt werden. Mit Hilfe einer speziellen Zeckenkarte oder Pinzette sollte das Tier möglichst nah an der Haut gegriffen und langsam herausgezogen werden, ohne es dabei zu quetschen oder zu drehen. Je schneller eine Zecke entfernt wird, desto geringer ist das Risiko, dass Krankheitserreger übertragen werden.
Übrigens sollten auch die eigenen Haustiere wie Hunde und Katzen regelmäßig auf Zecken untersucht werden, da diese die Parasiten ins Haus bringen können. „Auch wenn nicht jeder Zeckenstich das Alpha-Gal-Syndrom auslöst, ist es ratsam, mögliche Stiche ernst zu nehmen und präventive Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko zu minimieren“, rät Petzold.
FSME und Borreliose
Der gemeine Holzbock ist unsere häufigste heimische Zeckenart. Neben Borrelien (hierfür gibt es keine Impfung) und FSME-Viren überträgt er in Europa neuerdings auch das vor einigen Jahren in China entdeckte Alongshan-Virus (kurz: ALSV). Auch aus Süddeutschland gibt es inzwischen Berichte über das Alpha-Gal-Syndrom. Von dieser Fleischallergie nach Zeckenbiss sind in den USA etwa 450.000 Menschen betroffen. pm/tok
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)
Übertragung: Zecken übertragen das Virus auf den Menschen. Eine Infektion von Mensch zu Mensch findet nicht statt.
Symptome: 1. Phase: Grippeähnliche Beschwerden. 2. Phase: Bei manchen Menschen entwickeln sich nach etwa einer Woche Entzündungen der Hirnhäute und des Gehirns. Auch eine Rückenmarksentzündung kann auftreten. Ist die Krankheit erst einmal ausgebrochen, können nur die Symptome therapiert werden. Die Mehrheit der Infizierten (ca. 70 bis 95 %) hat aber keine Beschwerden.
Häufigkeit: Im Jahr 2022 wurden insgesamt 546 FSME-Erkrankungen gemeldet und damit 30 % mehr als im Vorjahr (421 FSME-Erkrankungen). Die Dunkelziffer bei FSME-Erkrankungen ist hoch. In Deutschland besteht ein Risiko für eine FSME-Infektion vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, in Südhessen, im südöstlichen Thüringen, in Sachsen und seit 2022 auch im südöstlichen Brandenburg. Einzelne Risikogebiete befinden sich zudem in Mittelhessen, im Saarland, in Rheinland-Pfalz, in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen.
Impfschutz: STIKO empfiehlt eine FSME-Impfung für Personen, die in FSME-Risikogebieten zeckenexponiert sind.
Borreliose
Übertragung: Zecken übertragen den bakteriellen Erreger auf den Menschen. Es ist keine direkte Ansteckung von Mensch zu Mensch möglich.
Symptome: Die meisten Infektionen mit Borrelien verlaufen unbemerkt. Beschwerden sind oft diffus und schwer zuzuordnen. Typisch für die Infektion mit Borrelien ist die sogenannte Wanderröte (Erythema migrans), die bei 90 % der Fälle auftritt.
Häufigkeit: Borreliose ist nicht bundesweit meldepflichtig, die Datenlage daher dürftig. Ob Zecken Borrelien in sich tragen, ist regional sehr unterschiedlich, kann aber bis zu 30 % betragen. Vermutlich ist die Dunkelziffer hoch. 2021 waren deutschlandweit 325.000 gesetzlich Versicherte aufgrund von Borreliose in vertragsärztlicher Behandlung.
Impfschutz: Kein Impfstoff.