
Fußball schauen, heißt auch Werbung für Sportwetten sehen. Und wer sich als Fußballexperte einschätzt, versucht es vielleicht auch mit Onlinesportwetten. Aber auch diese Sportwetten sind selbst für Fußballexperten ein Glücksspiel, bei dem am Ende immer nur der Anbieter und nicht der Tipper gewinnt. Foto: Angelov/stock.adobe.com
Beträchtliche Gesundheitsgefahr: 1,3 Millionen Menschen mit Glücksspielstörung in Deutschland
Die Glücksspielsucht beeinträchtigt nicht nur Betroffene selbst. Eine internationale Studie hat herausgefunden, dass die gesundheitlichen Auswirkungen viel weiter reichen – umso wichtiger sind Hilfsangebote.
1,3 Millionen mit Glücksspielstörung in Deutschland
Neben stoffgebundenen Süchten wie Alkohol- und Nikotinsucht gibt es auch Verhaltenssüchte wie die Glücksspielsucht. Von der sogenannten Glücksspielstörung oder problematischem Glücksspiel sind einer aktuellen, im Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlichten Studie einer Expertenkommission zufolge rund 80 Millionen Menschen weltweit betroffen. Hierzulande hatten 2021 laut dem „Glücksspielatlas Deutschland 2023“ bemerkenswerte 7,7 Prozent der Glücksspielenden eine Glücksspielstörung – das sind 1,3 Millionen Personen.
Die negativen Folgen der Sucht sind vielfältig und reichen von körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen bis hin zu einer erhöhten Selbstmordgefahr. Doch die gesundheitlichen Auswirkungen betreffen nicht nur die glücksspielsüchtige Person. So zeigen die Ergebnisse der Expertenuntersuchung, dass rund 450 Millionen Menschen auf der Welt unter den negativen Konsequenzen des Glücksspiels leiden. Denn die Sucht kann sich unter anderem auch negativ auf Beziehungen auswirken und zu einer erhöhten Kriminalität führen.
Broschüre hilft bei Glückspielsucht
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen hat als Hilfestellung für Betroffene und Angehörige die von der AOK mitfinanzierte Broschüre „Wenn Glücksspielen zum Problem wird“ in deutscher und arabischer Sprache herausgebracht. Diese informiert leicht verständlich über die Risiken des Glückspiels, sein Suchtpotenzial und zeigt Lösungswege auf, zum Beispiel das Aufsuchen einer Beratungsstelle oder den Besuch einer Selbsthilfegruppe. Zum Broschüren-Download geht es hier.
Weltweite Ausbreitung von Glücksspielen
Die steigende internationale Verbreitung des gewerblichen Glücksspiels sowie die Digitalisierung treiben das problematische Glücksspielverhalten der Studie nach weiter voran. So gehören etwa leicht zugängliche Online-Sportwetten und -Casinos zu den Glücksspielen mit den höchsten Wachstumsraten.
Besonders anfällig für eine Glücksspielsucht sind der Kommission zufolge Menschen aus vulnerablen Gruppen sowie Kinder und Jugendliche. Die Experten fordern deshalb zügige Maßnahmen wie mehr Regulierung, Behandlungsmöglichkeiten und Aufklärung. Auch der „Glücksspielatlas Deutschland 2023“ plädiert für mehr Spielerschutz durch Verhaltensprävention, Verfügbarkeitsbeschränkungen und Spielersperren.
Einige wesentliche Fakten aus dem „Glücksspielatlas“
- 30 % der Bevölkerung in Deutschland nehmen an Glücksspielen teil (2021). Im Jahr 2007 betrug dieser Anteil noch 55 %.
- 2,3 % der Bevölkerung haben eine Glücksspielstörung – von allen Glücksspielenden sind dies 7,7 % oder in absoluten Zahlen rund 1,3 Millionen Personen.
- Vier von zehn Teilnehmenden an Geldspielautomaten weisen eine Glücksspielstörung auf.
- Die Nachfrage von Online-Glücksspielenden nach ambulanten Hilfeangeboten ist in den vergangenen fünf Jahren stark angestiegen.
- Wirksamen Spielerschutz versprechen vor allem verhältnispräventive Maßnahmen. Sie verändern den Rahmen, in dem Glücksspiele angeboten werden. Hierzu zählen in erster Linie Verfügbarkeitsbeschränkungen, wie spürbare Angebotsbeschränkungen oder die Spielersperre.
- Glücksspielanbieter haben einen rechtlichen Sicherstellungsauftrag für den Spieler- und Jugendschutz. Sie sind also verpflichtet, Spieler- und Jugendschutz wirksam zu erreichen. pm
„Dass Glücksspielangebote mit schnellen und teils hohen Geldgewinnen locken, ist hinlänglich bekannt. Aber wie hoch das Suchtrisiko wirklich ist – und zwar ab dem ersten Spiel –, das weiß kaum jemand, auch nicht in der Politik. Wir brauchen dringend wirkungsvollere Maßnahmen gegen das illegale Automaten- und Onlinespiel. Und gerade bei Sportwetten sollten der Werbung schnellstmöglich engere Grenzen gesetzt werden. Es muss einfach Schluss sein mit den Sportwetten-Spots vor, nach und während der Sportberichterstattung selbst im Nachmittags- und Frühabendprogramm. Niemand will das, niemand braucht das und niemandem tut das gut. Baustelle Nummer drei sind die sogenannten Lootboxen in Onlinespielen. Wenn Jugendliche in scheinbar harmlosen Games gezielt auf das Spiel mit Geld und vermeintlichem Glück gelockt werden, dann stimmt etwas nicht. Auch hier brauchen wir in Deutschland wirkungsvolle Jugendschutzregelungen.“
Burkhard Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen