Ein suchthaftes Verhalten kann da entstehen, wo der Spielausgang überwiegend dem Zufall überlassen und zugleich um Geld gespielt, gewettet und gezockt wird. Das zwanghafte Glücksspiel ist als eigenständige psychische Erkrankung anerkannt. Foto: Studio Romantic/stock.adobe.com

Rien ne va plus – Wenn aus Spielen eine Sucht wird

Spielen macht Spaß. Es hilft, die Persönlichkeit zu entwickeln, Fähigkeiten zu schulen und Menschen zusammen zu bringen. Wird jedoch um materielle Werte in einem Spiel gewettet, dessen Ausgang dem Zufall überlassen ist, besteht immer auch die Gefahr einer Glücksspielsucht. Unser Ratgeber erklärt wie es dazu kommen kann, wie eine solche Sucht verläuft und welche Auswege es für Betroffenen gibt.

Zwanghaftes Glücksspiel ist eigenständige psychische Erkrankung

Spielen ist grundsätzlich nichts Schlechtes, im Gegenteil. Es hilft, die Persönlichkeit zu entwickeln, Fähigkeiten zu schulen und Menschen in Kontakt miteinander zu bringen. Problematisch kann eine andere Form des Spiels werden, das Glücksspiel. Sie unterscheidet sich grundlegend von kreativen und entwicklungsfördernden Formen des Spielens. Der Begriff Spielsucht kann irreführend sein. So wird manch einer behaupten, er sei beispielsweise süchtig nach Fußball, was als ernstzunehmendes Krankheitsbild tatsächlich nicht nachweisbar ist. Ein suchthaftes Verhalten kann nur da entstehen, wo der Spielausgang überwiegend dem Zufall überlassen und zugleich um Geld gespielt, gewettet und gezockt wird.

„Manche Menschen können ihr Verhalten beim Glücksspiel nicht kontrollieren und geraten dadurch in eine Abhängigkeit. Konflikte in der Familie, Probleme am Arbeitsplatz, finanzielle Verluste und eine starke emotionale Belastung sind die Folgen. Das zwanghafte Glücksspiel ist als eigenständige psychische Erkrankung anerkannt“, sagt Andrea Jakob-Pannier, Psychologin bei der Barmer.

Der Verlauf einer Glücksspielsucht

Die Wissenschaft hat für den Verlauf einer charakteristischen Glücksspielsucht drei Stadien definiert. Das erste Stadium ist die Einstiegs- oder Gewinnphase. Betroffene kommen durch Freizeitaktivitäten mit dem Glücksspiel in Kontakt. Infolge erster Gewinne schüttet der Körper Dopamin aus, ein Hochgefühl ist das Ergebnis. Häufige Gewinne erhöhen hier ebenso das Risiko in die Sucht zu gleiten. Der Gewinn im Spiel wird als persönlicher Erfolg verbucht, steigert das Selbstwertgefühl. Die Einsätze werden erhöht, das Risiko steigt.

Das zweite Stadium wird beschrieben als Gewöhnungs- oder Verlustphase. Die Betroffenen spielen jetzt häufiger, die Einsätze steigen, finanzielle Verluste nehmen zu. „Betroffene sind nun zwanghaft auf der Jagd nach dem angenehmen High, dass die Einstiegsphase versprach. Sie beginnen jetzt, sich Geld zu leihen und ihr Verhalten zu verheimlichen. Konflikte in der Familie und dem Arbeitsleben sind die Folge“, erläutert Jakob-Pannier. Der langsame Abstieg nehme seinen verhängnisvollen Lauf.

Das letzte Stadium nennt die Wissenschaft die Verzweiflungsphase. Glücksspiel ist nun nur noch Zwang, der Einsatz maximal. Wie auch zuvor haben Betroffene die feste Überzeugung, dass sie die Verluste jederzeit zurückgewinnen können. Das Gegenteil ist der Fall, es droht der Totalverlust. Häufig kommt es in dieser Situation zu kriminellem Verhalten. „An diesem Punkt haben Betroffene zumeist die Kontrolle verloren, sie fühlen sich wie fremdgesteuert. Selbstverachtung und Schuldgefühle nehmen zu, ohne professionelle Hilfe ist ein Ausstieg jetzt kaum noch möglich“, sagt die Psychologin.

Wer ist besonders anfällig für eine Glücksspielsucht?

Laut des Glücksspielatlas 2023 der Bundesregierung nahmen im Jahr 2021 rund 30 Prozent der Bevölkerung an Glücksspielen teil. Eine gute Nachricht, waren es 14 Jahre zuvor noch etwa 55 Prozent. Eine Glücksspielstörung weisen rund 2,3 Prozent der Bevölkerung auf – von allen Glücksspielenden sind dies 7,7 Prozent oder in absoluten Zahlen etwa 1,3 Millionen Menschen.

„Obwohl prinzipiell jeden eine Glückspielsucht treffen kann, sind fast ausschließlich Männer jüngeren Alters betroffen. Eine belastete Kindheit, die genetische Präposition, wenn bereits die Eltern suchtanfällig waren sowie ein geringes Selbstwertgefühl sind weitere Risikofaktoren für die Ausprägung einer Glücksspielsucht“, sagt Jakob-Pannier.

Wie kann der Glücksspielsucht vorgebeugt werden?

Je einfacher der Zugang, je höher die Verfügbarkeit von Glücksspielangeboten, desto höher die Quote der Glücksspielsüchtigen. In Deutschland liegt das Glücksspielmonopol in den Händen des Staates. Allein er darf Glücksspiele durchführen oder Drittanbietern erlauben, Glücksspiele zu veranstalten. „Ein großes Problem ist die Verfügbarkeit. Während Spielhallen und Kneipen mit Spielautomaten zumindest gesetzlichen Schließzeiten unterliegen, entziehen sich Online-Angebote diesem natürlichen Schutzmechanismus. Hier kann auch durch Anbieter aus dem Ausland das Glücksspielmonopol des Staates ausgehebelt werden. Betroffene sind dann in der Anonymität des Netzes dubiosen Anbietern schutzlos ausgeliefert“, mahnt die Psychologin der Barmer.

Neben der staatlichen Regulierung helfe vor allem die Stärkung der Familien und des sozialen Umfelds der Gesellschaft, gepaart mit Informations- und Aufklärungskampagnen um Menschen vor den möglichen Gefahren des Glücksspiels zu schützen.

Wie kann Glücksspielsüchtigen geholfen werden?

Zunächst gilt es die Diagnose zu stellen. Dabei sind folgende Merkmale besonders wichtig. Betroffene widmen sich dem Glücksspiel in wiederholenden Phasen über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr. Trotz Leistungsdruck und sozialen Problemen setzen sie das Glücksspiel dennoch fort. Sie spüren einen intensiven Drang zu spielen, der nur schwer kontrollierbar ist und ihre Gedanken kreisen dauerhaft um das Thema Glücksspiel. Bei der Glücksspielsucht liegt eine Störung der Impulskontrolle vor.

„Die genaue Diagnose erfolgt nach einer Untersuchung durch eine psychiatrische Fachärztin oder einem Facharzt. Sie erhaben die Krankheitsgeschichte, fragen nach bestehenden Symptomen, stellen die Diagnose und leiten die nächsten Schritte ein, die dann auch von klinischen Psychologinnen und Psychologen sowie Psychotherapeutinnen und Therapeuten begleitet werden können“, erklärt Jakob-Pannier.

Zu den Behandlungsmöglichkeiten zählen Psychoedukation, Psychotherapie und Medikamente. Bei der Psychoedukation erfahren Betroffene mehr über ihre Erkrankung, die Möglichkeiten der Prävention und Behandlung. Bei der Psychotherapie arbeiten sie mit Therapeuten daran, ihr Leben ohne Glücksspiel zu meistern. Verhaltens- und Gedankenkontrolle, die vom Glücksspiel ablenken, stehen im Mittelpunkt der Therapie. Ebenfalls lernen sie die Hintergründe für ihre Sucht kennen und wie sie künftig rechtzeitig gegensteuern können.

Zudem erfahren sie während der Therapie, wie sie ihre Stärken bewusst einsetzen können, soziale Kontakte zu pflegen und wo sie im Notfall Hilfe finden können. Die unterstützende medikamentöse Behandlung einer Glücksspielsucht setzt auf Wirkstoffe, die das Verlangen nach dem Glücksspiel dämpfen. Zum Einsatz kommen hier sogenannte Opioid-Antagonisten oder selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer.    pm