
Alopecia areata (AA) ist eine häufige Autoimmunerkrankung, die zu plötzlichem kreisrunden Haarausfall führt. Der klinische Verlauf der AA ist unvorhersehbar und ist individuell sehr verschieden. Foto: Alex Papp/stock.adobe.com
Alopecia areata: Entzündungskrankheiten beeinflussen Verlauf des kreisrunden Haarausfalls
Kreisrunder Haarausfall kommt plötzlich. Und gar nicht so selten: Etwa 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung erhält diese Diagnose im Laufe des Lebens. Die Autoimmunerkrankung befällt Männer und Frauen in allen Altersgruppen. Überdurchschnittlich oft sind es aber junge Erwachsene, die an kreisrundem Haarausfall erkranken. Jetzt haben Bonner Forscher neue Erkenntnisse gewonnen.
Diverse Begleiterkrankungen sind Risikofaktoren für Alopecia areata
Asthma, atopische Dermatitis oder Hashimoto-Thyreoiditis als Begleiterkrankungen sind Risikofaktoren für klinische Merkmale, die mit einer schlechten Prognose bei kreisrundem Haarausfall, auch bekannt als Alopecia areata (AA), verbunden sind. Bei Patienten, die drei atopische Erkrankungen aufweisen, nämlich atopische Dermatitis, Asthma und Rhinitis, liegt das durchschnittliche Erkrankungsalter bei AA etwa zehn Jahre früher als bei Patienten ohne chronisch entzündliche Komorbiditäten.
Dies stellten nun Forschende des Universitätsklinikums Bonn UKB und der Universität Bonn in einer großen Kohorten-Studie mit Betroffenen fest. Ihre Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift „Allergy“ veröffentlicht.
Unvorhersehbarer Verlauf der Erkrankung
Alopecia areata (AA) ist eine häufige Autoimmunerkrankung, die zu plötzlichem kreisrunden Haarausfall führt. In der Regel ist das Kopfhaar betroffen, es gibt aber auch Patienten mit „Löchern“ im Bart und Haarverlust an anderen Körperstellen. Der klinische Verlauf der AA ist unvorhersehbar und ist individuell sehr verschieden. Bei manchen Betroffenen verschwindet die Alopezie nach sechs bis zwölf Monaten von selbst und für immer. Zuweilen wachsen die verlorenen Haare nach, doch ohne Vorwarnung tritt der kreisrunde Haarausfall später wieder auf. Bei 20 Prozent bis 30 Prozent der Erkrankten wachsen die Haare gar nicht mehr nach. Die kahlen Stellen bleiben also dauerhaft.
Immerhin: Der kreisrunde Haarausfall hat keine negativen Auswirkungen auf die Lebensdauer, aber die psychische Gesundheit der Betroffenen kann darunter leiden.
Große Datensammlung für eine fundierte Analyse
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass AA häufig mit komorbiden, also gleichzeitig vorkommenden, chronisch-entzündlichen Erkrankungen einhergeht, was Auswirkungen auf die Prognose und die klinische Behandlung haben kann. Es gibt jedoch nur wenige Untersuchungen über die Auswirkungen begleitender chronisch-entzündlichen Erkrankungen auf die klinischen Merkmale von AA in einer Kohorte mit angemessener Größe. Über ein kooperatives Netzwerk von Dermatologen und AA-Selbsthilfegruppen haben die Bonner Humangenetiker in den letzten 20 Jahren eine große Gruppe von etwa 3000 Betroffenen mit genetischen Daten und umfangreichen klinischen Selbstauskünften gewonnen.
Etwas mehr als die Hälfte gab an, auch unter einem zusätzlichen chronisch-entzündlichen Erkrankungen zu leiden. „Dies ist eine der größten Kohorten von AA weltweit und eine einzigartige Datenquelle für die Erforschung genetischer und klinischer Aspekte von AA“ sagt Prof. Regina Betz vom Institut für Humangenetik am UKB, die ein Mitglied in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ sowie im Exzellenzcluster ImmunoSensation2 der Universität Bonn ist.
Die Letztautorin Dr. Buket Basmanav vom Institut für Humangenetik ergänzt: „Soweit wir wissen, ist dies die umfassendste Analyse der klinischen Merkmale von AA in Bezug auf begleitende chronisch entzündliche Erkrankungen. Wir haben gleichzeitig mehrere begleitende Erkrankungen und mehrere klinische Merkmale von AA in einem Datensatz bewertet, der in seiner Größe die meisten kohortenbasierten klinischen Daten über AA-Patienten übertrifft, die bisher in der Literatur berichtet wurden.“ Basmanav ist Leiterin des Cure4HAIR-Projekts ist, das kürzlich eine GO-Bio-Anschubfinanzierung vom BMBF für die Entwicklung neuer Therapeutika und personalisierter Medizin für AA auf der Grundlage genetischer Forschung erhalten hat.
Zusammenhang zwischen klinischen Merkmalen von AA und Asthma
Die Bonner Forschenden stellten fest, dass eine Komorbidität mit einer chronischen entzündlichen Erkrankung – insbesondere atopische Dermatitis, Asthma bronchiale, Hashimoto-Thyreoiditis, Rhinitis oder Vitiligo – mit dem Erkrankungsalter, dem Schweregrad und/oder der Dauer von AA zusammenhängt. Denn AA-Patienten mit Asthma, atopischer Dermatitis oder Hashimoto-Thyreoiditis berichteten signifikant häufiger über einen früh einsetzenden, schweren und langanhaltenden Haarausfall.
„Wir haben festgestellt, dass komorbides Asthma bronchiale ein stärkerer Risikofaktor für schlechte Prognosefaktoren ist als komorbide atopische Dermatitis oder Rhinitis“, sagt Erstautorin Annika Friedrich, Doktorandin der Universität Bonn am UKB. „Dies ist der erste Bericht über einen signifikanten Zusammenhang zwischen komorbidem Asthma und den klinischen Merkmalen von AA in der Literatur.“
Frühes therapeutisches Eingreifen gegen frühen Haarausfall-Start
Mit zunehmender Zahl der atopischen Begleiterkrankungen bei den AA-Patienten stieg das Risiko eines frühen Auftretens, einer schweren und langanhaltenden AA allmählich an. Das mittlere AA-Auftretensalter lag bei Patienten, die gleichzeitig an drei atopischen Erkrankungen, das heißt Asthma bronchiale, atopische Dermatitis und Rhinitis leiden, etwa ein Jahrzehnt früher als bei Patienten ohne chronisch entzündliche Begleiterkrankungen.
„Wir halten dies für eine indirekte Unterstützung der Hypothese, dass atopische Erkrankungen bei einer Untergruppe von Patienten den Ausbruch von Alopezia areata auslösen kann“, sagt Dr. Basmanav. Prof. Regina C. Betz ergänzt: „Aufgrund unserer Ergebnisse gehen wir davon aus, dass AA-Patienten mit komorbiden chronisch entzündlichen Erkrankungen, insbesondere Atopische Dermatitis, Asthma bronchiale oder Hashimoto-Thyreoiditis, von einer häufigeren klinischen Überwachung und einem früheren therapeutischen Eingreifen profitieren könnten.“
Bislang sieht das therapeutische Eingreifen eher bescheiden aus. Diverse Arzneistoffe können gegen die Symptome eingesetzt werden, wobei die Wirkung oft nur zeitlich begrenzt ist.
Info
Förderung: Diese Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG, German 124 Research Foundation) im Rahmen der deutschen Exzellenzstrategie – EXC2151 –125 390873048 und durch Zuschüsse unter der Projektnummer 126 497768231 unterstützt.
Publikation: Annika Friedrich et al.: Comorbid bronchial asthma, atopic dermatitis, and Hashimoto’s thyroiditis are risk factors for early-onset, severe, and prolonged alopecia areata; Allergy; DOI: https://doi.org/10.1111/all.16468 pm