Für Außenstehende sind Angsterkrankungen oft nicht einfach zu begreifen. Wichtig ist, das Angstverhalten als Folge einer ernstzunehmenden Krankheit zu verstehen, die professionell therapiert werden muss. Foto: Jeff Bergen/peopleimages.com/stock.adobe.com
Wenn Angst den Alltag bestimmt und wie ein Schatten auf der Seele liegt
Es kommt unvorhergesehen, scheinbar grundlos, aber dafür heftig. Der Puls rast, das Herz schlägt bis zum Hals, das Gefühl von Angst steigert sich ins Unermessliche. Angst- und Panikerkrankungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Millionen Menschen in Deutschland leiden darunter.
Das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit widmet die „Woche der seelischen Gesundheit“ (10. bis 20. Oktober 2023) in diesem Jahr dem Motto „Zusammen der Angst das Gewicht nehmen“. Dr. med. Götz Berberich, Chefarzt der Klinik Windach, einer Fachklinik der Oberberg Gruppe, informiert über Angsterkrankungen und zeigt, wie das soziale Umfeld von Betroffenen helfen kann.
Angstattacken aus dem Nichts
„Leidet jemand an einer Angsterkrankung, wird nicht selten das gesamte Leben von der Krankheit bestimmt. Auslöser können bestimmte Orte, Situationen oder Gefühle sein. Der Körper nimmt alltägliche Situationen als Gefahr wahr und reagiert entsprechend – die Herzfrequenz steigt, die Atmung wird flach, der Körper ist auf Kampf oder Flucht vorbereitet“, erklärt der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Innere Medizin. Da Angstattacken oft aus dem Nichts kommen, kann man sie nicht immer vermeiden. Bei Betroffenen entwickelt sich daher häufig eine Angstspirale, eine Angst vor der Angst.
„Für Außenstehende sind Angsterkrankungen, wie praktisch alle psychischen Leiden, oft nicht einfach zu begreifen. Hier gilt es zu akzeptieren, dass es sich dabei um eine ernstzunehmende Krankheit handelt, die bei entsprechender Diagnose einer Therapie bedarf“, erklärt Dr. Berberich. Es gibt aber durchaus Möglichkeiten, Betroffene im eigenen Umfeld zu unterstützen.
Perspektivenwechsel und Hilfsangebote
Zunächst ist der Versuch eines Perspektivwechsels gut, auch wenn es sich um eine völlig harmlose Situation handelt und man die Angstreaktion des Anderen darauf möglicherweise befremdlich findet: Betroffene nehmen diese als echte Bedrohung wahr und durchleben die entsprechende Gefühlslage. Daher helfen keine gut gemeinten Ratschläge.
„Leidet jemand im eigenen Umfeld an einer Angsterkrankung, ist es ratsam, sich gut über das Krankheitsbild zu informieren. So kann man das Empfinden des Betroffenen eher nachvollziehen, sie oder ihn besser verstehen und sich mehr in die Situation einfühlen“, rät Dr. Berberich. Wenn es Betroffenen selbst schwerfällt, nach professioneller Unterstützung zu suchen, kann das soziale Umfeld Hilfe anbieten – für die erste Kontaktaufnahme, eine Terminvereinbarung oder auch die Begleitung zum ersten Termin mit einem Experten oder einer Expertin.
Die Bereitschaft, professionelle Hilfe anzunehmen und sich den eigenen Ängsten im Rahmen der Therapie zu stellen, sollte aber unbedingt vom Betroffenen selbst kommen. Auch während einer Therapie kann man Hilfestellung anbieten. Lässt es die Beziehung zu, kann man ermutigen, sich angsteinflößenden Situationen zu stellen. Es gehört aber auch dazu, ein Nein zu akzeptieren, wenn Betroffene keine Unterstützung möchten, auch wenn es schwerfällt.
Auch familiäres Umfeld berücksichtigen
„Psychische Erkrankungen belasten das soziale Umfeld oft sehr. Neben Einzel- und Gruppentherapien sowie dem Angstbewältigungstraining wird in der Klinik Windach auch immer die individuelle Hintergrundproblematik eines jeden Einzelnen thematisiert. So werden begleitend zur Therapie auch Paar- und Familiengespräche geführt“, erklärt der Chefarzt. Darüber hinaus legt die Klinik Windach bei Angststörungen großen Wert auf ein begleitendes Herz-Kreislauftraining, um den physiologischen Anteil der Angststörung erfolgreich behandeln zu können und wieder Vertrauen in den eigenen Körper zu fassen. Für die Erreichung der jeweiligen Therapieziele steht ein multiprofessionelles Team aus Ärztinnen und Ärzten, Therapeutinnen und Therapeuten sowie der Patientenorganisation in einem ständigen Austausch. pm
Info
Die Oberberg Gruppe mit Hauptsitz in Berlin ist eine vor mehr als 30 Jahren gegründete Klinikgruppe mit einer Vielzahl an Fach- und Tageskliniken im Bereich Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an verschiedenen Standorten in Deutschland. In den Kliniken der Oberberg Gruppe werden Erwachsene, Jugendliche und Kinder in individuellen, intensiven und innovativen Therapiesettings behandelt. Darüber hinaus existiert ein deutschlandweites Netzwerk aus Oberberg City Centers, korrespondierenden Therapeutinnen und Therapeuten sowie Selbsthilfegruppen.