In Baden-Württemberg wird fast jedes dritte Kind per Kaiserschnitt entbunden. Frauen, die unter Stress, Angst oder Depressionen leiden, wünschen sich eher einen Kaiserschnitt, obwohl der Eingriff durchaus Folgen haben kann. Foto: Rafael Ben-Ari/stock.adobe.com
Angst und Depressionen vor der Geburt – Kaiserschnitt nicht unproblematisch
Millionen Frauen haben es schon geschafft – solche Sätze sind nur ein schwacher Trost, wenn eine werdende Mutter unter Geburtsangst leidet. „15 Prozent der Frauen erleben eine moderate Angst vor der Geburt, sechs Prozent eine schwere“, bescheinigt Prof. Dr. Stephanie Wallwiener.
Die Leiterin der Sektion Geburtshilfe am Universitätsklinikum Heidelberg forscht zur psychischen Gesundheit bei Schwangeren, wie das Apothekenmagazin „Baby und Familie“ berichtet. Eine Schwangerschaft ist nicht immer nur eine Zeit ungetrübter Vorfreude – selbst wenn ein Wunschkind unterwegs ist. Bis zu 20 Prozent der werdenden Mütter sind Studien zufolge beispielsweise von einer Depression und bis zu 25 Prozent von Ängsten betroffen, erklärte die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V (DGGG) bereits im Jahr 2019.
Stresshormone erschweren den Geburtsverlauf
„Unter Depressionen, Stress und Ängsten – darunter auch ganz konkreter Angst vor der Geburt selbst – leidet nicht nur die Schwangere selbst. Auch für Kind und Familie ist die Erkrankung eine große Belastung“, erklärt Dr. Stephanie Wallwiener, Projektleiterin und Privatdozentin an der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg.
Bleibt die ausgeprägte Geburtsangst bestehen und wird nicht behandelt, hat das Folgen: Es werden vermehrt Stresshormone ausgeschüttet, was den Geburtsverlauf erschwert. Zudem erhöhen Angststörungen das Risiko einer Wochenbettdepression und belasten so die Mutter-Kind-Bindung. Besser sei es, so Wallwiener, nach der Ursache zu forschen und die Frauen zu unterstützen, ihre Angst zu bewältigen.
Psychische Probleme in der Schwangerschaft können Entwicklung des Kindes beeinflussen
Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass sich psychische Probleme in der Schwangerschaft negativ auf die motorische und geistige Entwicklung des Kindes auswirken können sowie mit kindlichen Verhaltensstörungen und ADHS in Verbindung stehen. „Die Datenlage verdeutlicht die Notwendigkeit wirksamer Screening-, Präventions- und Interventionsprogramme, um Hinweise auf psychische Störungen frühzeitig zu erkennen und den betroffenen Frauen Unterstützungs- und Therapieangebote zugänglich zu machen“, so Prof. Dr. Christof Sohn, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg.
Durch passende Maßnahmen in Abhängigkeit zum Ausmaß der psychischen Belastung lassen sich außerdem ungünstige Auswirkungen auf die geborenen Kinder deutlich verringern.
Eine Möglichkeit ist es, sich für die Geburt Vertraute zu suchen. Das muss nicht unbedingt der Partner, sondern kann auch eine Freundin oder fürsorgliche Bekannte sein. Auch Meditation und Entspannungsmethoden können dabei helfen, Ängste in den Griff zu bekommen.
Kaiserschnitt wird immer beliebter, sollte aber für den Notfall reserviert sein
Wenn das nicht hilft, bleibt die Möglichkeit eines Wunschkaiserschnitts (Sectio). Zwar ist die Sectio heute eine Standardoperation, jedoch sollte sie nur in medizinisch notwendigen Fällen durchgeführt werden – wozu auch psychische Beweggründe zählen.
Die Zahl der Kaiserschnitte steigt seit Jahren stetig an. In Baden-Württemberg wird inzwischen fast jedes dritte Kind auf diese Weise entbunden, obwohl der Eingriff für Mutter und Kind körperlich belastend ist, Risiken für Folgeschwangerschaften entstehen können und die Kinder später ein erhöhtes Risiko für Atemprobleme und Allergien haben. „Es hat sich gezeigt, dass Frauen, die unter Stress, Angst oder Depressionen leiden, sich eher einen Kaiserschnitt wünschen, auch wenn dieser medizinisch nicht unbedingt notwendig wäre“, sagt PD Dr. Stephanie Wallwiener.
Laut Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (https://www.dggg.de/) sollte eine Frau dazu ausführlich mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt sprechen. Diese könnten Schwangeren die Ängste nehmen und mehr physiologische Geburten ermöglichen. pm