Die sichtbaren Hautveränderungen bei Vitiligo (Weißfleckenkrankheit) sind zwar weder ansteckend noch schmerzhaft; sie bedeuten für die Betroffenen oft aber eine enorme psychische Belastung. Foto: Savory/stock.adobe.com

Weißfleckenkrankheit Vitiligo: Kämpfen zwischen Stigma und Versorgungslücken

Rund 650.000 Menschen in Deutschland sind von Vitiligo betroffen – eine chronische Autoimmunerkrankung. Die typischen weißen Flecken auf der Haut belasten viele Betroffene sehr stark. Sie kämpfen mit Vorurteilen, Stigmatisierung sowie den psychischen Auswirkungen – und erhalten oft nicht die medizinische Versorgung, die ihnen eigentlich zusteht.

„Die hat doch Lepra“ – Vorurteile tun weh

„Pandabär“, „Milka-Kuh“, die „Gefleckte“ – Sarah-Liv musste schon im Kindes- und Jugendalter erfahren, was es bedeutet, „anders“ zu sein. Von ihren Erfahrungen erzählt sie auf dem Instagram-Kanal uncovervitiligo des biopharmazeutischen Unternehmens Incyte Biosciences Germany. So wie ihr geht es vielen Betroffenen, wie Pharma-Fakten.de berichtet.

„Die hat doch Lepra“ – das musste sich Selina schon mal anhören. Und Denis sagt: „Man merkt, dass die Leute einen anschauen und teilweise mit den Fingern zeigen.“ Sabrina, bei der mit Anfang 20 erste Vitiligo-Symptome sichtbar wurden, berichtet von einem Restaurant-Besuch: Der Kellner wollte „das Geld nicht annehmen, weil er dachte irgendwie, er könnte sich bei mir anstecken“.

Weißfleckenkrankheit: Enorme psychische Auswirkungen

Eine Ansteckungsgefahr gibt es nicht – obwohl die komplexe Erkrankung bereits vor 3500 Jahren beschrieben wurde, herrscht in der Allgemeinbevölkerung noch immer Unwissenheit vor. Bei Vitiligo greift das eigene Immunsystem aufgrund einer Fehlfunktion die sogenannten Melanozyten an – das sind Zellen, die eigentlich das Pigment Melanin produzieren und so der Haut eine gleichmäßige Farbe geben. Sind sie beschädigt, können sie das nicht mehr wie gewohnt tun. Die Folge: scharf begrenzte, weiße Flecken.

Diese sichtbaren Hautveränderungen sind zwar weder ansteckend noch schmerzhaft; sie bedeuten für die Betroffenen oft aber eine enorme Belastung. Rund 65 Prozent der Menschen mit Vitiligo in Deutschland berichten sogar von mäßigen bis schweren Depressionen. Viele versuchen, die Hautveränderungen aus Angst vor negativen Reaktionen und aus Scham zu verstecken. Die Lebensqualität leidet häufig drastisch. Hinzu kommt: Bei Vitiligo-Betroffenen treten zusätzlich vermehrt weitere Autoimmunerkrankungen auf – wie etwa eine Schuppenflechte (Psoriasis).

Vitiligo: Viel Unwissenheit auch beim medizinischen Personal

Es gibt verschiedene Formen von Vitiligo – die große Mehrheit der Patienten (85 %) lebt mit der nichtsegmentalen Vitiligo: Hierbei breiten sich die Flecken symmetrisch auf beiden Körperseiten aus, etwa im Gesicht, an den Ellenbogen, den Knien. Tatsache ist: Vitiligo ist keine rein kosmetische Erscheinung – sondern eine komplexe, behandlungsbedürftige Erkrankung.

Diese Tatsache scheint den medizinischen Alltag noch nicht ganz durchdrungen zu haben. Ein von Incyte unterstütztes White Paper des Vitiligo International Patient Organizations Committee (VIPOC) zeigt: Die Versorgungssituation ist in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich. Fast die Hälfte aller Vitiligo-Betroffenen in Europa berichteten von mindestens einer Fehldiagnose. Im Schnitt dauert es 2,5 Jahre bis zur formalkorrekten Diagnose. Und: 65 Prozent der Patienten wurde erzählt, dass ihre Erkrankung nicht behandelt werden könne.

„Vitiligo ist keine Seltenheit – und doch wird sie als Erkrankung immer noch viel zu oft übersehen. Gleichzeitig erleben wir zu oft, dass Betroffene öffentlich stigmatisiert und von Fachärzten nicht ernst genug genommen werden. Deshalb müssen wir Bewusstsein schaffen: für die Erkrankung, für ihre psychischen Auswirkungen und dafür, dass Hilfe möglich ist“, betont Georg Pliszewski, Vitiligo-Betroffener, Executive Board-Member von VIPOC und Vorsitzender der Selbsthilfe- und Patientenorganisation Deutscher Vitiligo-Bund e.V.

Unterversorgte Vitiligo-Patienten – obwohl es neue Therapien gibt

Für die Bundesrepublik gilt: „Die Diagnose erfolgt vergleichsweise schnell – meist innerhalb von ein bis drei Monaten. Doch anschließend tun sich Lücken auf. Psychologische Unterstützung wird nur in Ausnahmefällen angeboten. Und einer von acht Betroffenen nimmt keine Behandlung für die Vitiligo in Anspruch“, so Martina Gernet, Director Public Affairs bei Incyte in Deutschland.

„Es braucht mehr Aufklärung – in Allgemeinbevölkerung, Patienten- und Ärzteschaft. Früher gab es keine wirksamen Behandlungsstrategien, um eine gleichmäßige Repigmentierung zu erreichen. Dank intensiver Forschung stehen heute verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die den Patienten helfen können.“

Eine Vitiligo-Behandlung kann darauf abzielen, das Fortschreiten der Krankheit zu stoppen, die Haut wieder zu pigmentieren und Rückfälle zu verhindern. Dabei kommen zum Beispiel innovative Methoden wie sogenannte Janus-Kinase-Inhibitoren in Form von Cremes zum Einsatz – sie sind über die Krankenkassen erstattungsfähig. Sie beeinflussen ganz gezielt das Immunsystem und sollen so den Entzündungskreislauf der Vitiligo unterbrechen.

Noch gelingt es nicht, eine umfassende Repigmentierung nachweisbar dauerhaft zu erzielen – Vitiligo gilt bislang als unheilbar. Doch Forschende weltweit arbeiten daran, immer besser die Mechanismen zu verstehen, die den Entzündungsgeschehen zugrunde liegen.

Betroffenen Mut machen

Sabrina möchte anderen Betroffenen Mut machen – unter anderem über Instagram. „Ich weiß, dass es nicht allen Menschen gut geht mit der Erkrankung. Ich möchte ihnen aber zeigen, dass man dennoch ein schönes Leben haben kann“, sagt sie in einem Beitrag auf Bild.de. Ihre Therapie habe sie nicht weitergeführt – und ihre Flecken als etwas akzeptiert, das zu ihr gehört. „Ich verstehe aber alle, die sagen, dass sie mit ihrer Vitiligo unzufrieden sind und dagegen angehen möchten.“

Info

Das vollständige White Paper mit allen europäischen und deutschen Ergebnissen steht unter folgenden Links zum Download bereit: White Paper Europa und White Paper Deutschland      pm