Aktuell gibt es jährlich und weltweit rund sieben Millionen Krebstote durch den Klimawandel. Atemwegsinfektionen und bakterielle oder virale Lungenentzündungen könnten in Zukunft vermehrt auftreten und die Klimakrisen-Sterbequote weiter erhöhen. Foto: Leninya – KI-gfeneriert/stock.adobe.com

Klimakrise schädigt die Lunge: Deutsche Bevölkerung wenig geschützt

Steigende Temperaturen, mehr Allergene und Schadstoffe in der Luft, häufigere Extremwetter: Die Klimakrise trifft Menschen mit Lungenerkrankungen besonders hart, so die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Mit einem Positionspapier richtet sie sich an Politik, Wissenschaft und Gesellschaft – um mehr Erkrankungen zu verhindern, Patienten zu schützen und Gesundheitssysteme zu stärken.

Ist die Lunge bereits chronisch krank, bedeutet die Klimakrise für sie vor allem eins: enormer, zusätzlicher Stress. Änderungen bei Pollenflug, Temperatur und Feuchtigkeit – all das trägt nicht dazu bei, dass ein vorgeschädigtes Organ bestmöglich funktionieren kann. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Faktoren wie Hitzeperioden bei einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) im schlimmsten Fall zu einer verschlechterten Lungenfunktion, deutlich schlimmeren Symptomen und zu erhöhter Sterblichkeit führen. Damit steigt der Medikamentengebrauch und der Therapiebedarf in Arztpraxen und Kliniken.

Auch gesunde Menschen müssen mit höherem Risiko rechnen

Und auch für bislang gesunde Menschen erhöhen Treiber sowie Folgen der Klimakrise das Risiko, dass sie lungenkrank werden. „Eine langfristige Exposition gegenüber Luftschadstoffen ist eine relevante Ursache für die Entwicklung von Asthma“, schreiben die Lungenmediziner Dr. Christian Grah, Dr. Andrea Elmer, Dr. Sophia Kirstein, Dr. Stephan Walterspacher und Dr. Anastasia Weirich von der DGP-Taskforce „Klimawandel und Gesundheit“ im Positionspapier. Feinstaubbelastung und Luftschadstoffe können sogar Lungenkarzinome begünstigen.

„Pro Jahr registrieren wir aktuell rund sieben Millionen Krebstote weltweit durch den Klimawandel“, veranschaulicht Grah. Auch Atemwegsinfektionen und bakterielle oder virale Lungenentzündungen könnten in Zukunft vermehrt auftreten.

Klimakrise: „Wir in der Pneumologie übernehmen Verantwortung“

Im Positionspapier haben die Fachleute konkrete Anpassungsstrategien formuliert. „Wir alle haben die Neigung, bei dem Thema Klimawandel zu sagen: ‚Ich bin zu klein, zu machtlos, um das anzugehen.‘ Dabei haben wir als Ärztinnen und Ärzte sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine gewisse Überzeugungskraft in der Gesellschaft, um die Resilienz von Betroffenen und von unserem eigenen Arbeitsbereich gegenüber den Folgen des Klimawandels zu stärken“, sagt Grah. Er ist überzeugt: „Mitarbeitende im Gesundheitswesen sind eine größere Treibermacht, um gesellschaftliche Veränderung herbeizurufen, als sie glauben. Wir behandeln Menschen in jeder Bevölkerungsgruppe sowie jeder Lebenslage und sind für viele auch glaubhafte und seriöse Vorbilder und Gestalterinnen.“

Ärzte haben laut dem Papier unter anderem die wichtige Aufgabe, über die „gesundheitlichen Folgen des Klimawandels aufzuklären und entsprechend zu beraten“ – sodass die Patienten zum Beispiel wissen, dass sie bei hoher Staubbelastung besser Atemschutzmasken tragen. Auch setzen sich die Experten für eine breitere Anwendung von Frühwarnsystemen ein, um die Bevölkerung zum Beispiel per App rechtzeitig über Ereignisse wie Extremwetter zu informieren.

Von großer Bedeutung sei es auch, Hitzeschutzkonzepte weiterzuentwickeln, zu nutzen und zu trainieren. Räume in Krankenhäusern und Arztpraxen klimatisieren, Wasserspender anbieten, Sprechstundenzeiten anpassen, diagnostische sowie therapeutische Eingriffe während Hitzewellen möglichst reduzieren – all das würde zu mehr Resilienz beitragen. Ärzte und Patienten müssten auch das Management von Arzneimitteln in den Blick nehmen: „Viele Medikamente ändern sich in ihrer Pharmakodynamik und Wirksamkeit unter hohen Temperaturen/Hitze, sodass Dosisanpassungen oder Medikamentenwechsel erforderlich werden können“.

Prävention wirkt besonders positiv

Zu den „stärksten Wirkfaktoren einer klimafreundlichen Medizin“ gehöre eine konsequente Stärkung von Primär- und Sekundärprävention – weniger Rauchen, mehr Bewegung, angepasste Ernährung, Impfen. „Ärzte und andere Gesundheitsberufe sind Vorbilder im Umgang mit den Herausforderungen des Klimawandels und sollen als Anwälte zum Schutz ihrer Patienten fungieren. Somit ist die Entwicklung und Einbindung klimarelevanter Inhalte in die Curricula der Gesundheitsberufe in Zukunft zwingend notwendig“, heißt es.

Gesundheitssystem klimaneutral machen

 „Der Gesundheitssektor spielt mit einem Beitrag von mehr als 5 Prozent an den gesamten Treibhausgasemissionen des globalen Nordens eine zentrale Rolle“, schreiben die Autoren des Positionspapiers. „Wir unterstützen das Ziel der Klimaneutralität des Gesundheitssystems bis 2030“.

Wie das gelingen kann? Die Lungenärzte sprechen sich mitunter für mehr Abfallvermeidung sowie für energieeffiziente Gebäude aus. Gesundheitseinrichtungen könnten zudem eigene Fuhrparks umrüsten oder ihren Mitarbeitenden Anreize geben, damit sie öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad nutzen. Grah fordert darüber hinaus „mehr umweltfreundliche Arzneimittel und Medizinprodukte“. Immer wenn (ohne Abstriche in der Behandlung) möglich, sollte auf umwelt- und klimafreundlichere Präparate umgestellt werden.

„Der Klimawandel ist eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit und fordert die Pneumologie durch Verschlechterung der Luftqualität und Zunahme von Extremwetterereignissen schon heute besonders heraus“, so die DGP-Fachleute. Mitarbeitende im Gesundheitswesen müssten sich als klare Fürsprecher ihrer Patienten positionieren „und aktiv gegen klimabedingte Gesundheitsrisiken vorgehen. Ein widerstandsfähiges, nachhaltiges und klimafreundlicheres Gesundheitssystem muss zur Priorität werden.“    pm/Pharma-Fakten.de