„Noch können wir die Parkinson-Erkrankung nicht heilen, aber die Forschung trägt zusehends dazu bei, dass die Symptome der Erkrankung über eine lange Zeit zurückgedrängt werden können“, sagt Prof. Dr. med. Lars Timmermann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Foto: surassawadee/stock.adobe.com
Wie Schlaf Parkinson vorbeugt und welche neuen Therapien Betroffenen helfen
Die Parkinson-Forschung ist hochdynamisch und hat in den letzten Monaten zu neuen Erkenntnissen geführt: Schlaf ist ein wichtiger Faktor für die Parkinson-Prävention. Warum das so ist, zeigte eine Arbeit in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“. Auch zur Therapie gibt es Neues zu vermelden, wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) berichtet.
Wie kann ich möglichst gut mit Parkinson leben?
Lesertelefon mit Experten der Parkinson Stiftung
Donnerstag, 11. April 2024 von 16 bis 18 Uhr
Kostenfreie Rufnummer: 0800 – 5 33 22 11
Im Schlaf werden Zellabfälle aus dem Gehirn gespült
Schlaf ist aktive Parkinson-Prävention: Bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen spielt die Ablagerung molekular fehlgefalteter Proteine eine Rolle (zum Beispiel α-Synuclein bei M. Parkinson). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das erst vor rund 10 Jahren nachgewiesene gliale lymphatische System, ein „Entsorgungssystem“ für zelluläre Abfallprodukte. Über das glymphatische System werden Metaboliten/Zellabfälle (meist lösliche Proteine) aus dem Gehirn gespült. Bei verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen wird ein Nachlassen dieser Reinigungsfunktion, die praktisch nur nachts während des Non-REM-Schlafs aktiv ist, diskutiert.
Wie genau diese Selbstreinigung funktioniert, ist noch Gegenstand der Forschung; eine nun in „Nature“ publizierte Arbeit konnte aber wichtige Fragen klären. Es wurde gezeigt, dass neuronale Netze einzelne Aktionspotentiale (das sind elektrische Signale) synchronisieren und bündeln, wodurch rhythmische, sich selbst verstärkende hochenergetische Ionenwellen entstehen, die den „reinigenden“ glymphatischen Fluss in Gang bringen.
Die experimentelle Störung dieser Wellen verhinderte im Experiment weitgehend die Reinigung des Gehirnparenchyms. Umgekehrt konnte durch transkranielle Stimulation (mit Optogenetik) die Wellenbewegung und der Fluss interstitieller Flüssigkeit verstärkt werden. Aus den Ergebnissen könnten sich künftig neue prophylaktische und therapeutische Ansatzpunkte ergeben. „Schlaf ist ein wichtiger, aber oftmals unterschätzter Faktor, um Gehirn und Nerven gesund zu halten. Durchschnittlich werden 7–8 Stunden Schlaf empfohlen – und dieses Präventionspotenzial sollten wir nutzen“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit.
Spagat zwischen Steifheit und Überdosierung
Auch zur Therapie gibt es Neuigkeiten: Bei der medikamentösen Behandlung des M. Parkinson mit Levodopa kommt es (nach etwa 5 bis 8 Jahren) häufig zu starken motorischen Fluktuationen, das heißt zu starken tageszeitlichen Schwankungen zwischen Phasen guter Mobilität und Steifheit („On-Off“-Phasen). Erklärt wird dies durch ein zunehmendes „end of dose“-Phänomen: Die Wirkung des Medikaments lässt nach, Dopamin kann nicht mehr ausreichend gespeichert werden und irgendwann kann die Dosierung nicht weiter erhöht werden, ohne dass es zu überschießenden Dopamin-Konzentrationen kommt.
Denn genauso schlimm wie die Steifheit in Folge von zu wenig L-Dopa sind die unangenehmen Nebenwirkungen (zum Beispiel störende Dyskinesien) bei zu hohen Dosen. In dieser Situation kann eine Pumpentherapie helfen. Sie führt zu konstanten Wirkspiegeln über den Tag und damit verbesserter Lebensqualität durch weniger „Off“-Zeit.
Pumpentherapie für ideale, konstante Versorgung
Das wirksamste Parkinson-Medikament L-Dopa konnte für eine kontinuierliche Gabe bislang nur über eine Sonde durch die Bauchdecke in den Magen gegeben werden. Jetzt gibt es in Deutschland eine neue Option: Eine multizentrische internationale Phase-3-Studie untersuchte randomisiert, doppelblind und kontrolliert die Wirksamkeit der kontinuierlichen subkutanen Gabe (n=128) von Levodopa-Carbidopa (ND0612) im Vergleich zur oralen Gabe (n=131) bei Parkinson-Betroffenen mit motorischen Fluktuationen (mittlere „On“-Zeit 9,4 h/Tag und Off-Phasen ≥2,5 h/Tag).
Die Therapieeinstellung wurde durch die Pumpe mit subkutanem L-Dopa signifikant verbessert; es konnte gegenüber der oralen Behandlung eine zusätzliche tägliche „On“-Zeit von 1,72 Stunden (p<0,0001) gewonnen werden. Die Off-Phasen wurden vermindert (-1,40 h/Tag) und auch weitere sekundäre Endpunkte (klinische Scores, z. B. MDS-UPDRS-II) verbesserten sich – bei insgesamt günstigem Nebenwirkungsprofil. Eine nun folgende Open-Label-Verlängerungsphase soll Daten zur langfristigen Wirksamkeit und Sicherheit der subkutanen Gabe liefern.
Tiefe Hirnstimulation verbessert Lebensqualität und Mobilität
Bei Versagen der medikamentösen Therapie ist die Tiefe Hirnstimulation ein etabliertes invasives Behandlungsverfahren. Dafür erfolgt die Implantation von Elektroden in bestimmte Gehirnareale. Von einem individuell programmierten Impulsgenerator werden wie bei einem Herzschrittmacher elektrische Stimuli abgegeben, was in Kombination mit Medikamenten die Parkinson-Symptomatik sowie Lebensqualität deutlich verbessert.
Eine aktuelle, prospektive Studie an drei europäischen Zentren zeigt erstmals Langzeitergebnisse über mehr als drei Jahre. Sie verglich die Tiefe Hirnstimulation plus Standardmedikation mit der alleinigen Standardtherapie. Nach fünf Jahren hatte sich die Lebensqualität gemessen am Parkinson-Fragebogen (PDQ-8) und die Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) in der Vergleichsgruppe signifikant verschlechtert (PDQ-8: -10,9; p=0,01 und ADL: -2,0; p=0,002), während sie in der Gruppe, die die Tiefe Hirnstimulation erhalten hatte, stabil blieben (PDQ-8: -4,3; p=0,34 und ADL: -0,8; p=0,38). Diese Unterschiede ergaben sich hauptsächlich durch die bessere Wirkung der Tiefen Hirnstimulation auf die Mobilität. Die mit der Tiefen Hirnstimulation Behandelten hatten außerdem weniger motorische Komplikationen und einen geringeren täglichen Levodopa-Äquivalenzdosis-Bedarf.
Durch Forschung Symptome zurückdrängen
„Noch können wir die Parkinson-Erkrankung nicht heilen, aber die Forschung trägt zusehends dazu bei, dass die Symptome der Erkrankung über eine lange Zeit zurückgedrängt werden können“, so Prof. Dr. med. Lars Timmermann, Mitautor der aktuellen Studie zur Tiefen Hirnstimulation und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.
„Am Welt-Parkinson-Tag liegt uns aber vor allem die Prävention am Herzen. Die Deutsche Hirnstiftung ist hier ein wichtiger Partner der DGN. Hier finden Betroffene und Interessierte umfassende Informationen zu einem gesundheitsbewussten Lebensstil, mit dem sich neurodegenerative Krankheiten wie M. Parkinson vorbeugen lässt.“ DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
Die 1907 in Dresden gegründete Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. mit Sitz in Berlin sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 12.300 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. www.dgn.org