Bei einer Umfrage favorisierten zwar 90 Prozent der Vegetarier vegetarische Arzneimittel, jedoch nur 20 Prozent sprachen ihrem Arzt gegenüber den Wunsch aus. Bildrechte/Foto: Andrzej Tokarski/T. Weidner
Wer vegetarische Arzneimittel möchte, muss oft selbst aktiv werden
Immer mehr Menschen praktizieren eine vegetarische Lebensweise und lehnen tierische Produkte ab – auch bei medizinischen Therapien und Arzneimitteln. Bei einer Umfrage favorisierten zwar 90 Prozent der Vegetarier vegetarische Arzneimittel, jedoch nur 20 Prozent sprachen ihrem Arzt gegenüber den Wunsch aus.
„Fühlt sich der Patient mit tierischen Medikamenten nicht wohl, wird er sie nicht konsequent einnehmen. Das geht zu Lasten seiner Gesundheit“, berichtet Allgemeinmedizinerin Dr. Petra Sandow aus Berlin. „Patienten mit Wunsch nach vegetarischen Arzneimitteln sollten daher ihre Bedürfnisse möglichst vor Behandlungsbeginn mitteilen“, appelliert die Ärztin. „Nur dann kann der Behandler nach einer wirksamen vegetarischen Alternative suchen.“
Ein offenes Gespräch ist auch notwendig bei Tabu-belasteten Symptomen wie Verdauungsbeschwerden. Blähungen und Durchfälle gehören zu den zehn am häufigsten als peinlich empfundenen Beschwerden. „Patienten neigen dazu, Unangenehmes zu verschweigen. Ich kann sie jedoch nur von ihrem Leidensdruck befreien, wenn ich alle Beschwerden kenne“, so die Medizinerin.
Bei etwa jedem Zehnten ist ein Verdauungsenzymmangel der Bauchspeicheldrüse (exokrine Pankreasinsuffizienz, EPI) die Ursache für die Verdauungsbeschwerden. Dieser kann durch die Einnahme von Verdauungsenzymen zu allen Mahlzeiten ganz einfach behandelt werden, auch mit vegetarischen Arzneimitteln. Statt Verdauungsenzyme aus Schweinen enthalten diese Verdauungsenzyme aus Reispilzen (Rizoenzyme), wie etwa das Arzneimittel NORTASE.
Gewissensfrage: Ideologie oder Gesundheit?
„In meiner Berliner Praxis habe ich immer mehr Patienten, die Medikamenten mit tierischen Inhaltsstoffen aus religiösen oder ethischen Beweggründen kritisch gegenüberstehen“, betont die Allgemeinmedizinerin. Eine Entscheidung gegen tierische Arzneimittel wird aber auch beeinflusst durch soziale und gesundheitliche Hintergründe oder Umweltgründe sowie individuelle Bedürfnisse und Vorlieben.
Therapien und Arzneimittel, die nicht zu diesen Vorstellungen passen, führen zu Verunsicherungen und Gewissenskonflikten. 43 Prozent würden die Behandlung ganz ablehnen. „Ein Verzicht auf die Therapie ist jedoch keine Lösung, denn die Gesundheit steht immer im Vordergrund“, gibt die Medizinerin zu bedenken. „In vielen Fällen ist die Gewissenfrage jedoch gar nicht nötig, denn es gibt längst gute Alternativen zu tierischen Produkten“, so Sandow.
Alle Inhaltsstoffe beachten
Laut Umfrage berücksichtigen Ärzte bei der Auswahl der Medikamente (wie Patienten auch) meist nur den Wirkstoff. Bei Pankreatin, Verdauungsenzyme aus der Bauchspeicheldrüse von Schweinen zur Behandlung der EPI, ist die tierische Herkunft offensichtlich. Weitere Inhaltsstoffe eines Medikaments werden hingegen selten hinterfragt.
So konnte mehr als die Hälfte der Ärzte nicht sagen, ob tierische Gelatine enthalten ist; etwa 20 Prozent gingen sogar fälschlicherweise davon aus, dass diese nicht darin enthalten sei. 51 Prozent der Patienten wurden gelatine-haltige Medikamente verordnet, obwohl dies gegen ihre Überzeugung war. Gelatine gehört neben Magnesiumstearat zu den häufigsten Hilfsstoffen tierischer Herkunft bei Arzneimitteln in Tabletten- oder Kapselform, Säften und Tropfen. Sie kann jedoch sowohl aus tierischen oder pflanzlichen Quellen stammen.
„Auch ein Arzt kann unmöglich alle Inhaltsstoffe aller verordneten Medikamente samt Herkunft kennen; er wird sie auf Anfrage des Patienten jedoch gerne nachschlagen“, betont die Hausärztin. Im Zweifel kann auch Kontakt mit dem Hersteller aufgenommen werden.
Tipps für die Suche nach vegetarischen Arzneimitteln
- Therapeuten und Behandler als Verbündete im Kampf gegen die Erkrankung sehen. Gemeinsam gelingt es besser, annehmbare Behandlungsalternativen zu finden.
- Therapeuten, Behandlern und Apothekern mitteilen, dass vegetarische Arzneimittel bevorzugt werden und erklären aus welchen Gründen (ethische, kulturelle oder religiöse Überlegungen oder gesundheitliche Bedenken).
- Die Behandler, aber Apotheker über vorliegende Allergien und Unverträglichkeiten gegenüber tierischen Wirk- und Inhaltsstoffen (etwa Gelatine) informieren.
- Die Behandler bitten, vegetarische Alternativen zu tierischen Arzneimitteln zu verordnen oder solche, die den Bedürfnissen am ehesten entsprechen.
- Auch mit einem Apotheker vor Ort über den Wunsch nach vegetarischen Arzneimitteln sprechen. Er kann genaue Informationen über die Zusammensetzung von Arzneimitteln geben und bei der Suche nach vegetarischen Optionen unterstützen.
- Informationen zu Wirk- und auch Inhaltsstoffen der angeordneten Arzneimittel in der Patienteninformation und im Internet recherchieren. Im Zweifel den Hersteller kontaktieren.
- Das Wunsch-Arzneimittel mit den Behandlern besprechen.