Die häufigsten kognitiven Defizite nach einer COVID-19-Erkrankung wurden bei der Wortflüssigkeit, der Verarbeitungsgeschwindigkeit, der verzögerten Erinnerung und der Aufmerksamkeit beobachtet. Foto: Fiedels/stock.adobe.com

Wenn es nach der COVID-Erkrankung beim Lernen, Erinnern oder Denken klemmt

Bei rund 90 Prozent der Menschen, die eine COVID-19-Erkrankung durchgemacht haben und auch im Nachhinein noch über Beschwerden klagen, sind tatsächlich kognitive Beeinträchtigungen wie Gedächtnisprobleme oder Konzentrationsschwierigkeiten festzustellen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Post-COVID-Zentrums des Uniklinikums Erlangen.

Kognitive Defizite nach COVID-19-Erkrankung

„Wir haben 110 Patientinnen und Patienten unseres Post-COVID-Zentrums in die Studie eingeschlossen“, sagt Studienleiterin PD Dr. Eva Morawa, leitende Psychologin der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Abteilung des Uniklinikums Erlangen. „Mit einer umfangreichen neuropsychologischen Testbatterie, die aus fünf international häufig eingesetzten Tests bestand, untersuchten wir zwölf unterschiedliche kognitive Funktionen.“

Das Ergebnis ist so eindeutig wie nachdenklich stimmend: „Bei rund 90,1 Prozent unserer Probandinnen und Probanden zeigten sich in mindestens einem Test Defizite; 30,8 Prozent wiesen sogar in mindestens drei Tests unterdurchschnittliche Leistungen auf“, so Eva Morawa. Die Studienergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Journal of Psychosomatic Research veröffentlicht.

Subjektive Beschwerden in den Fokus gerückt

Anhaltende kognitive Beschwerden, zum Beispiel Gedächtnisprobleme oder Konzentrationsschwierigkeiten, zählen zu den häufigsten Post-COVID-Symptomen. „Da sich die Beschwerden schlecht erfassen lassen und häufig subjektiv unterschiedlich wahrgenommen werden, haben wir sie bewusst in den Fokus gerückt“, erläutert PD Morawa.

„Probandinnen und Probanden waren die ersten 110 Patienteninnen und Patienten unseres Post-COVID-Zentrums, die sich zwischen Dezember 2022 und Mai 2023 bei uns vorgestellt haben. Wir haben bei ihnen die Art und die Häufigkeit sowie die Risikofaktoren für die kognitiven Beeinträchtigungen untersucht.“

Zwölf kognitive Funktionen im Fokus

Folgende zwölf kognitive Funktionen wurden mithilfe anerkannter Testverfahren erfasst: Lern- und Wiedererkennensleistung sowie Verlust von Gelerntem nach zeitlicher Verzögerung (verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest, VLMT), numerisches Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis (Zahlenspanne rückwärts aus der Wechsler Memory Scale-Revised, WMS-R), visuelle Aufmerksamkeit und exekutive Funktionen (Trail Making Test, TMT, Teil A und B), Aufmerksamkeit und Verarbeitungsgeschwindigkeit (d2-R-Test) sowie sprachliche und inhaltliche Wortproduktionsleistung und Flexibilität (Regensburger Wortflüssigkeitstest, RWT).

Wenn die Wörter weg sind

Die häufigsten kognitiven Defizite wurden bei der Wortflüssigkeit, der Verarbeitungsgeschwindigkeit, der verzögerten Erinnerung und der Aufmerksamkeit beobachtet. Probandinnen und Probanden mit hohem Bildungsniveau hatten ein geringeres Risiko für kognitive Beeinträchtigungen. Für die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer in höherem Alter stellte dieses einen Risikofaktor für die Verarbeitungsgeschwindigkeit und das verzögerte Erinnern dar – war jedoch gleichzeitig ein Schutzfaktor für die Wortflüssigkeit. Klinisch relevante depressive Symptome wiederum waren mit einem erhöhten Risiko für unterdurchschnittliche Leistungen bezüglich einiger kognitiver Funktionen assoziiert.

Störungen am Vagusnerv

Neurokognitive Einschränkungen sind nur ein Problem nach einer SARS-CoV-2-Infektion. Störungen des autonomen Nervensystems treten häufig bei schweren Krankheitsverläufen von COVID-19 auf. Dies haben Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) festgestellt. Im Fokus ihrer Untersuchungen stand der Vagusnerv – eine wesentliche Komponente des autonomen Nervensystems, die wichtige Körperfunktionen wie Herzfrequenz, Verdauung und Atemfrequenz reguliert.

„Unsere Daten legen nahe, dass SARS-CoV-2, zumindest bei schweren Verläufen der Erkrankung, die Funktion des Vagusnervs einschränkt und damit zum kritischen Verlauf beitragen kann“, sagt Prof. Dr. Markus Glatzel, Direktor des Instituts für Neuropathologie des UKE. 

Coronavirus erhöht Gesundheitsrisiken für Kinder

Während der COVID-19-Pandemie zeigte sich eine starke Zunahme von Typ-1-Diabetes bei Kindern, auch in Deutschland. „Wir sind vorsichtig mit der Interpretation unserer Ergebnisse, aber das Virus könnte entweder die dem Typ-1-Diabetes zugrundeliegende Entstehung der Autoimmunität begünstigen, oder eine bereits bestehende Autoimmunität verstärken und so die Zerstörung der insulinproduzierenden Beta-Zellen beschleunigen,“ so Ezio Bonifacio, Letztautor einer Studie von Helmholtz Munich und der TU Dresden in Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB). 

Das Forschungsteam untersuchte Kinder, die ein erhöhtes genetisches Risiko für Typ-1-Diabetes haben. Unter diesen Kindern traten häufiger Inselautoantikörper auf, wenn sie vorher eine SARS-CoV-2-Infektion hatten. Inselautoantikörper dienen als Biomarker für Typ-1-Diabetes.

Coronavirus-Impfung senkt Risiken für Long-COVID

Die Beeinträchtigungen nach einer Infektion mit dem Coronavirus kann man bis zu einem gewissen Grad ausschalten: Die Coronavirus-Impfung vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 senkt das Risiko für Long-COVID. Dies zeigte eine Metaanalyse über sechs Beobachtungsstudien mit insgesamt 536.291 ungeimpften und 84.603 vor der Infektion geimpften Personen. Aber: Eine Analyse über weitere sechs Beobachtungsstudien zeigte zudem, dass eine Impfung nach der Infektion und Entwicklung von Long-COVID den meisten Betroffenen hingegen nicht hilft, die Symptome zu bessern.

So wie der Impfschutz vor schweren Verläufen schützen kann, so kann er auch späteren negativen Folgen und Long-COVID vorbeugen. Wenn die Impfung denn rechtzeitig genutzt wird.   DGP/tok