Viele Beschäftigte nehmen sich innerlich aus der Arbeitssituation heraus, um einer Überlastung vorzubeugen und damit ihre körperliche und psychische Gesundheit zu schützen. Bloß keine Überstunden oder Extra-Arbeit, maximal Dienst nach Vorschrift – das klingt nach „Quiet Quitting“. Gesund ist das nicht. Foto: Model Republic/stock.adobe.com

Unzufrieden im Job? Warum innerer Rückzug und Dienst nach Vorschrift nicht helfen

Keine Überstunden, keine Extra-Arbeit: Bei Beschäftigten, die vor allem Dienst nach Vorschrift machen, steht der Beruf nicht mehr im Mittelpunkt. Das sogenannte „Quiet Quitting“ („stille Kündigung“ oder auch „innere Kündigung“) liegt vor allem bei jungen Berufstätigen zwischen 25 und 34 Jahren im Trend. Laut einer Umfrage von ZDFheute sind mehr als 20 % von ihnen unzufrieden im Job.

Viele nehmen sich innerlich aus der Arbeitssituation heraus, um einer Überlastung vorzubeugen und damit ihre körperliche und psychische Gesundheit zu schützen. „Allerdings tut man sich damit keinen Gefallen“, sagt Prof. Dr. Claas Lahmann, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg, im Gesundheitsmagazin „Apotheken Umschau“.

Sinnhaftigkeit in der Freizeit erleben

Ziel einer beruflichen Tätigkeit ist es eben nicht nur, Geld zu verdienen – sondern auch Sinnhaftigkeit zu erleben, Erfolge zu haben und sich in der Gruppe einzubringen. Klappt das nicht, müssen diese menschlichen Bedürfnisse in der Freizeit gestillt werden: nach Feierabend noch Freunde treffen, sich in einem Ehrenamt einbringen oder Erfolgserlebnisse im Sportverein haben. Vielen fehlt aber für solche Aktivitäten nach Dienstschluss die Zeit oder schlicht auch die Energie.

Bei Unzufriedenheit nach Lösungen suchen

Nicht mehr abschalten können, Konzentrationsprobleme, schlechter Schlaf, Bauchschmerzen, Nervosität bis hin zu Angst – all das können Anzeichen dafür sein, dass die Arbeit zur Belastung geworden ist. Aber es lohnt sich, nach Lösungen zu suchen und das eigene Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass es besser zu den eigenen Bedürfnissen Interessen und Stärken passt. Fachleute bezeichnen dieses Vorgehen als „Job Crafting“. Beschäftigte, die sich ihre Stelle zumindest ein Stück weit selbst formen, sollen dadurch motivierter, gelassener und glücklicher sein.

Wer sich unterfordert fühlt, könnte zum Beispiel eine Fortbildung machen oder in eine Abteilung wechseln, in der sie oder er die eigenen Fähigkeiten besser einbringen kann. Bei anhaltender Überlastung ist es vielleicht eine Option, die Stunden zu reduzieren oder Aufgaben abzugeben.

Mit einer Lösung ist es häufig einfacher, sich an den Vorgesetzten oder das Team zu wenden. Aber auch ohne kann man das Gespräch suchen und gemeinsam Möglichkeiten ausloten. Wichtig ist vor allem, rechtzeitig zu handeln und die Situation, die einen unzufrieden macht, nicht dauerhaft zu ertragen.   

BAuA untersucht Trend des „Quiet Quitting“

Gibt es in Deutschland einen Trend zum „Quiet Quitting“? Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat eine Auswertung der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2015 bis 2021 hinsichtlich der Arbeitszufriedenheit, Engagement und Fluktuationsabsicht veröffentlicht. Der neue Kompaktbericht zeigt, dass sich in Deutschland ein solcher Trend nicht niederschlägt.

Der Begriff „Quiet Quitting“ bezieht sich auf Beschäftigte, die sich nicht mehr als unbedingt nötig bei ihrer Arbeitsaufgabe engagieren. Dabei unterscheidet sich das „stille Kündigen“ von der tatsächlichen sowie der „inneren Kündigung“, bei der Beschäftigte bereits gedanklich gekündigt haben, aber aufgrund fehlender Alternativen am Arbeitsplatz bleiben. Um Entwicklungen und die damit einhergehenden Veränderungen zu untersuchen, werden im vorliegenden Bericht die Arbeitszufriedenheit, die Wichtigkeit der Trennung von Arbeit und Privatleben, die Bereitschaft sich proaktiv beruflich einzubringen (Eigeninitiative) und die Wechselbereitschaft (Fluktuationsabsicht) von Beschäftigten betrachtet.

Mit 301 Fehltagen je 100 Versicherte lagen 2022 die Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen deutschlandweit um 48 % über dem Niveau von vor zehn Jahren. In Baden-Württemberg gab es nur 248 Fehltage je 100 Versicherte. Quelle: DAK/IGES Institut Grafik: Statista.com

Hohe Arbeitszufriedenheit

Die Auswertungen der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2015 bis 2021 deuten auf eine anhaltend hohe Arbeitszufriedenheit hin. Zu allen Befragungszeitpunkten sind mehr als 9 von 10 Beschäftigten mit ihrer Arbeit insgesamt zufrieden oder sehr zufrieden. Die Wichtigkeit der Trennung von Privatleben und Beruf aus Sicht der Beschäftigten schwankt dagegen im Zeitverlauf. Von 2015 zu 2017 hat diese kurzfristig spürbar zugenommen (70 zu 78 %), bleibt anschließend aber weiterhin über dem Ausgangswert (75 % 2019; 76 % 2021). Ebenfalls leicht rückgängig ist der Anteil der Beschäftigten mit einer hohen Eigeninitiative. Knapp ein Viertel der Befragten gibt zum Befragungszeitpunkt an, in den letzten 12 Monaten darüber nachgedacht zu haben, den Arbeitsplatz zu wechseln.

Insgesamt zeigen die Auswertungen, dass sich für Deutschland kein tiefgreifender Trend zum „Quiet Quitting“ feststellen lässt. Trotzdem kann eine gesundheits- und persönlichkeitsfördernde Arbeitsgestaltung dazu beitragen, die Arbeitsfähigkeit und Motivation von Beschäftigten zu erhalten. Zu den präventiven Maßnahmen zählen gut gestaltete Arbeitsbedingungen, wie ein individuell abgestimmtes Maß an Flexibilität und Autonomie, ein konstruktives Führungsverhalten (Unterstützung und Berücksichtigung der Bedürfnisse von Beschäftigten und Teams), sowie organisationale Rahmenbedingungen, beispielsweise Mitbestimmungsmöglichkeiten und transparente Prozesse. pm