1,8 Millionen Demenzkranke leben in Deutschland. Die meisten davon leiden an Alzheimer. Derzeit gibt es noch kein Medika-ment gegen die grundlegenden Mechanismen der Erkrankung, aber das könnte sich nach einer erfolgversprechenden Studie der Technischen Universität München (TUM) bald ändern. Foto: pikselstock/stock.adobe.com

TUM-Studie gibt Hoffnung: Alzheimer im Frühstadium aufhalten und zurückdrehen

Im Kampf gegen Alzheimer haben Forschende der Technischen Universität München (TUM) einen erfolgversprechenden, vorbeugenden Therapieansatz entwickelt. Sie nahmen sich gezielt das Amyloid-Beta Biomolekül vor, das die für die Hirnerkrankung im Anfangsstadium typische Hyperaktivität von Nervenzellen der Betroffenen auslöst.

Es gelang dem Team um Dr. Benedikt Zott und Prof. Arthur Konnerth von der TUM School of Medicine and Health sowie Prof. Arne Skerra von der TUM School of Life Sciences, einen Proteinwirkstoff zu entwickeln und einzusetzen, der die Folgen des schädlichen Moleküls unterdrücken kann. Die Studie wurde im renommierten Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.

Die an Mäusen im Labor gewonnenen Ergebnisse deuten darauf hin, dass neuronale Fehlfunktionen sogar wieder repariert werden könnten. Die Forschenden haben die Hoffnung, dass das von ihnen untersuchte Protein, die Fachleute sprechen von einem Amyloid-Beta-bindenden Anticalin (H1GA), das Fortschreiten der schwerwiegenden neurodegenerativen Erkrankung im Frühstadium aufhalten kann.

1,8 Millionen Demenzkranke hoffen auf ein Medikament

Laut der Alzheimer Gesellschaft leben in Deutschland rund 1,8 Mio. Demenzkranke, die meisten davon leiden an Alzheimer. Derzeit gibt es noch kein Medikament gegen die grundlegenden Mechanismen der Erkrankung. Lediglich Symptome wie nachlassende geistige Leistungsfähigkeit können behandelt werden.

Dr. Benedikt Zott betont: „Noch sind wir von einer bei Menschen anwendbaren Therapie ein großes Stück entfernt, aber die Ergebnisse im Tierversuch sind sehr ermutigend. Besonders bemerkenswert ist der Effekt, dass die neuronale Hyperaktivität in frühen Krankheitsstadien vollständig unterdrückt werden konnte.“

Effekt bei menschlichen Patienten noch unklar

Die Forschenden gewannen das Anticalin H1GA durch Protein-Design und produzierten es in gentechnisch veränderten Bakterien der Art Escherichia coli. Der Wirkstoff wurde direkt in die Hirnregion Hippocampus gespritzt. Die vormals hyperaktiven Gehirnzellen ließen sich danach im messbaren Verhalten nicht mehr von gesunden Nervenzellen unterscheiden.

Noch ist unklar, ob sich der Effekt außerhalb des Labors auch tatsächlich bei menschlichen Patienten erzielen lässt. Eine effektivere Darreichungsform des Wirkstoffs ist jedenfalls in der Entwicklung. 2016 hatte sich der Wirkstoff Solanezumab, der eine ähnliche Wirkung haben sollte, im klinischen Großversuch als Fehlschlag erwiesen, was aber mit dessen unterschiedlicher Molekülstruktur zu erklären ist.

Zott und seine Kollegen verglichen ihren neuen Wirkstoff in den Versuchen auch direkt mit Solanezumab. Dabei zeigte H1GA deutlichere positive Effekte.

Publikation

Benedikt Zott, Lea Nästle, Christine Grienberger et. al: „β-amyloid monomer scavenging by an anticalin protein prevents neuronal hyperactivity in mouse models of Alzheimer’s Disease” erschienen in: Nature Communications, 2.7.2024, https://doi.org/10.1038/s41467-024-50153-y

Info

Die Studie entstand im Rahmen des Albrecht Struppler Clinician Scientist Programms der TUM. Die Förderung ermöglichte eine Kooperation zwischen dem Department of Neuroradiology, dem Institut für Neurowissenschaften und dem Lehrstuhl für Biologische Chemie. Dadurch waren von der Proteinbiosynthese bis zu ersten Wirksamkeitstests in Mäusen alle Schritte abgedeckt.

Einige der Forschenden sind Mitglieder des Exzellenzclusters SyNergy. Er untersucht, auf welche Weise komplexe neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Alzheimer entstehen. Mit der Systemneurologie als neuen interdisziplinären Ansatz können die Forschenden die vielen beteiligten Prozesse bei neurodegenerativen, neuroimmunologischen und neurovaskulären Krankheiten abbilden. Der Cluster wird seit 2012 über die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert.     pm