Ständige Erreichbarkeit kann zu chronischen Stressbelastungen führen und diese haben negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten. Dabei ist die Einhaltung von Arbeits- und Erholungszeiten im Arbeitsrecht eindeutig geregelt. Foto: Prostock-studio/stock.adobe.com

TÜV-Verband warnt vor Dauererreichbarkeit während des Weihnachtsurlaubs

Unterm Weihnachtsbaum noch schnell die beruflichen Mails checken? Der TÜV-Verband hat vor den Folgen dauernder Erreichbarkeit während der Urlaubszeit für Beschäftigte gewarnt. Es kann zu Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit bei den Mitarbeitern kommen.

Die Hälfte der Arbeitnehmer ist im Weihnachtsurlaub erreichbar

„Ständige Erreichbarkeit kann negative Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit der Berufstätigen haben. Chronischer Stress, Burnout-Symptome wie Schlafstörungen oder anhaltende Erschöpfung sowie ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind häufige Folgen“, sagt André Siegl, Experte für Arbeits- und Gesundheitsschutz beim TÜV-Verband. Eine aktuelle Umfrage des Digitalverbands Bitkom hat ergeben, dass die Hälfte der Arbeitnehmer während ihres Weihnachts- oder Neujahrsurlaubs für Kollegen, Vorgesetzte oder Kunden erreichbar ist. 

Die Befragten reagieren vor allem auf E-Mails, Kurznachrichten oder Telefonanrufe. Studien zeigen, dass die Unterbrechung von Erholungsphasen durch dienstliche Anfragen oder regelmäßiges Checken beruflicher E-Mails oder Kurznachrichten zu einer reduzierten Regenerationsfähigkeit führen können. 

Kein Abschalten von der Arbeit — kein Erholungseffekt

Auch aus arbeitspsychologischer Sicht kann die Erwartung dauernder Erreichbarkeit negative Folgen haben. „Der gefühlte Arbeitsdruck steigt, selbst wenn gar nicht oder nur wenig gearbeitet wird, wie mal eben noch auf eine E-Mail zu reagieren“, sagt Siegl. „Die Beschäftigten können gedanklich nicht vollständig von der Arbeit abschalten.“ Das hemmt den erforderlichen Erholungsprozess, was auf Dauer Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und die Psyche der Mitarbeitenden haben könne.

Klare Absprachen zur Erreichbarkeit

Das Gefühl, dauernd erreichbar sein zu müssen, wird durch digitale Kommunikationsmittel wie Smartphones, E-Mails, Kurznachrichtendienste oder Soziale Medien begünstigt. Auch häufiges mobiles Arbeiten oder die Tätigkeit im Homeoffice können dazu führen, dass Beschäftige Arbeits- und Ruhezeiten nicht klar voneinander trennen und Erholungszeiten zu kurz kommen. Aus arbeitsmedizinischer und -psychologischer Sicht bedarf es daher eindeutiger betrieblicher Regelungen zum Thema der so genannten „erweiterten Erreichbarkeit“. „Klare Absprachen über Erreichbarkeitszeiten fördern die Transparenz und reduzieren Unsicherheiten bei Arbeitnehmern und Vorgesetzten“, sagt Siegl. 

Die Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit sollte dabei nur auf begründete Ausnahmefälle beschränkt bleiben, um eine ausreichende Erholung zu gewährleisten. „Arbeitgeber sollten sich aktiv mit dem Thema Erreichbarkeit beschäftigen“, sagt Siegl. Denn den negativen Auswirkungen wie Stressbelastungen stehen positive Wirkungen wie mehr individuelle Flexibilität gegenüber. Gut gestaltete Erreichbarkeitsregelungen bringen Vor- und Nachteile in ein gesundes Gleichgewicht. Eine wichtige Rolle spielen dabei Führungskräfte, da sie eine Vorbildfunktion und damit wesentlichen Einfluss auf die Erreichbarkeitskultur einer Organisation haben.

Arbeitsrecht regelt Arbeits- und Erholungszeiten

Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist das Thema Erreichbarkeit klar geregelt. Das Arbeitszeitgesetz schützt die Einhaltung von Ruhezeiten und die Trennung von Arbeitszeit und Freizeit. Vorgaben gibt es für Rufbereitschaften und Bereitschaftsdienste, die beispielsweise im Gesundheitswesen, in der Gastronomie oder in technischen Bereichen wie der IT oder Gebäudetechnik angewendet werden. Das Bundesurlaubsgesetz stellt sicher, dass sich Berufstätige während ihres Urlaubs uneingeschränkt erholen können. Beide Gesetze zielen darauf ab, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Arbeitnehmer zu fördern.

Die arbeitsmedizinischen Dienste der TÜV-Organisationen wie AMD TÜV und MEDITÜV unterstützen Unternehmen und andere Arbeitgeber bundesweit in Fragen des betrieblichen Arbeitsschutzes, der Gesundheitsförderung sowie bei betriebspsychologischen Fragestellungen.

Info

Für die Umfrage des Bitkom wurden 1004 Personen in Deutschland ab 16 Jahren im Oktober/November 2024 telefonisch befragt. Die Fragestellung lautete: „Sind Sie Weihnachten, zwischen den Jahren und Neujahr beruflich erreichbar, sofern Sie Urlaub haben?“

Der TÜV-Verband e.V. vertritt die politischen Interessen der TÜV-Prüforganisationen und fördert den fachlichen Austausch der Mitglieder.   pm