Kleine Kinder entdecken ihre Umwelt oft durch Lutschen oder Kauen. Insgesamt vergiften sich jährlich in Deutschland 80.000 Kinder bis zu 14 Jahren. Foto: New Africa/stock.adobe.com
Tipps bei Vergiftungen: Eltern von Kleinkindern sollten Medizinkohle griffbereit haben
Neugierige Kleinkinder nehmen auf ihren Entdeckungstouren auch schon mal Giftiges in den Mund. Sie kauen und verschlucken zum Beispiel Blätter vom Kirschlorbeerstrauch oder dunkle Efeu-Beeren. Eltern sollten deshalb immer Medizinkohle im Haus, besser: in der abschließbaren Hausapotheke haben. Das rät die Aktion Das sichere Haus (DSH).
80.000 Kinder bis zu 14 Jahren vergiften sich jährlich in Deutschland, notiert DSH. Besonders gefährdet sind demnach die Zwei- bis Dreijährigen, denn sie entdecken ihre Umwelt oft durch Lutschen oder Kauen. Sie nehmen dabei häufig Fremdes in den Mund – auch wenn ihnen das oft nicht gut bekommt. „Die Gefahr für Kinder, sich zu vergiften, lauert überall: in der Küche und im Badezimmer, im Schuppen und im Hauswirtschaftsraum, in der Garage und in der Hobbywerkstatt, aber auch im Garten“, erklärt DSH.
Wie sollen Kinder Medizinkohle einnehmen?
Die große, poröse Oberfläche der Medizinkohle bindet Bakterien und Giftstoffe. Sie werden zusammen mit der Kohle nach drei bis vier Stunden auf natürlichem Wege ausgeschieden. Medizinkohle ist daher eine wirksame Erste-Hilfe-Maßnahme, wenn ein Kind nur leichte Vergiftungserscheinungen wie Blässe oder eine leichte Übelkeit zeigt.
Medizinische Kohle wird meist in Form von gepressten Tabletten („Compretten“) verabreicht. Kleinkindern fällt die Einnahme leichter, wenn die Compretten zerstoßen werden und das entstandene Pulver in einen Brei verrührt wird, zum Beispiel mit einem in reichlich Wasser aufgeweichten Zwieback. Die empfohlene Dosierung liegt anfangs bei etwa ein bis zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Sie kann während der Behandlungszeit auf etwa 0,25 bis 0,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht alle zwei bis vier Stunden reduziert werden.
Notruf 112 bei starken Vergiftungen
Treten bei dem Kind starke Vergiftungserscheinungen wie heftige Übelkeit, Benommenheit oder andere Symptome auf, muss der Notruf 112 gerufen oder ein Arzt oder eine Klinik aufgesucht werden.
Die Aktion Das sichere Haus bietet seit vielen Jahren die kostenlose Broschüre „Achtung, giftig! Kinder vor Vergiftungsunfällen schützen“ an. Die Gift-Broschüre wurde 2024 grundlegend überarbeitet. Jetzt gibt es vor allem noch mehr Informationen zu vielen giftigen Pflanzen. Die Broschüre „Achtung, giftig“ kann hier bestellt und auch kostenlos heruntergeladen werden.
Was tun bei Vergiftungen?
Bei schweren Symptomen wie Atemnot, Erbrechen, Apathie
- sofort den Notarzt rufen (112)
- den Anweisungen folgen und möglichst genau schildern: Alter des Kindes / Welche Substanzen oder Pflanzenteile eingenommen wurden (Verpackung oder Pflanzenteile zur Hand haben)? / Welche Symptome sind aufgetreten? / Was wurde bisher unternommen?
- Unterstützung beim Erbrechen – aber Achtung: Erbrechen nicht herbeiführen (reizende Stoffe könnten in Atemwegegelangen oder Speiseröhre verätzen)
- bei Bewusstlosigkeit: freie Atemwege sicherstellen (stabile Seitenlage)
- bei Stillstand der Atmung oder des Herzens: Wiederbelebungsmaßnahmen (Erste Hilfe leisten)
Bei leichten Symptomen (Verdacht auf Vergiftung)
- Arzt, Krankenhaus und/oder das nächste Giftinformationszentrum (GIZ) kontaktieren
- bei Verschlucken: ein Glas kohlensäurefreies Wasser oder Tee zur Verdünnung einnehmen (keine Milch oder Kochsalzlösung)
- bei Haut- oder Augenkontakt mit ätzenden oder reizenden Stoffen: betroffene Stellen mindestens 15 Minuten mit Wasser spülen
So erreichen Sie die deutschen Giftinformationszentren (GIZ)
- Freiburg (für Baden-Württemberg): Telefon 0761 – 192 40
- Mainz (für Rheinland-Pfalz, Saarland, Hessen): Telefon 06131 – 192 40
- München (für Bayern): Telefon 089 – 192 40
- Bonn (für Nordrhein-Westfalen): Telefon 0228 – 192 40
- Erfurt (für Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen): Telefon 0361 – 730 730
- Göttingen (für Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein) : Telefon 0551 – 192 40
- Berlin (für Berlin, Brandenburg): Telefon 030 – 192 40
Im Notfall ermöglicht der UFI-Code auf den Haushaltsprodukten ein schnelles, sicheres Handeln für Rettungskräfte, Ärzte und die Giftnotzentralen. Daher ist es wichtig, dass die genaue Rezeptur der eingenommenen Substanz bekannt ist. Der 16-stellige UFI-Code (Unique Formula Identifier/Rezeptur-Identifikator) hilft den Giftnotrufzentralen, das Produkt zu identifizieren. Für alle als gefährlich eingestuften Haushaltsprodukte in der EU ist der einheitliche UFI-Code spätestens ab dem Jahr 2025 Pflicht. Achten Sie bei Ihren Haushaltsprodukten darauf, dass diese Nummer zu sehen ist.
Onlinedatenbank, Broschüre und App rund um die Sicherheit der Kinder
Die Aktion Das sichere Haus bietet auf ihrer Webseite eine DSH-Online-Datenbank zum Thema Giftpflanzen. Die giftigen Pflanzen, die oft in Haus und Garten anzufinden sind, werden in dieser Online-Datenbank beschrieben. So können Sie bei der Gartengestaltung schon darauf achten, giftige Pflanzen auszutauschen oder gar nicht erst anzupflanzen.
Die meisten Vergiftungen und Unfälle passieren zuhause. Welche Gefahren in Wohnung, Haus und Garten lauern und wie sie sich vermeiden lassen, zeigt die Broschüre „Zu Hause sicher leben“ der Aktion Das sichere Haus. Interessierte können sich das Heft kostenfrei zusenden lassen oder hier herunterladen.
Bundesamtes für Risikobewertung (BfR) hat eine App zum Thema „Vergiftungsunfälle bei Kindern“ herausgebracht. Die BfR-App bietet nützliche Informationen zu Pflanzen und Pilzen, chemischen Produkten und Medikamenten. Über eine Suchfunktion sind die Substanzen und Stoffe schnell auffindbar. Tipps und Maßnahmen zur Prävention und zur Ersten Hilfe schnell abrufbar. Die BfR-App kann in den App-Stores für Android und iOS sowie auf den Seiten des BfR kostenlos heruntergeladen werden.
Info
Mehr als 15.500 Menschen sterben pro Jahr durch einen häuslichen Unfall. Die Gesamtzahl häuslicher Unfälle liegt in Deutschland jährlich bei rund 7 Millionen. Die Aktion Das sichere Haus (DSH) informiert über Unfallgefahren in Heim und Freizeit. Ziel der gemeinnützigen DSH ist ein besserer Unfall- und Gesundheitsschutz für alle. Unter https://das-sichere-haus.de finden Sie weitere Informationen. pm/tok