
Gefährliche und multiresistente Pilze sind längst keine Randerscheinung mehr. Sie leben unbemerkt in Kliniken, Haushalten und Arbeitsstätten, können schwerste Infektionen verursachen und stellen die Medizin vor enorme Herausforderungen. Foto: Taiwo - KI-generiert/stock.adobe.com
Tatort Biofilm: Unsichtbare Pilze werden durch Resistenzen zur tödlichen Gefahr
Pilze gehören zur natürlichen Umwelt. Ihre Sporen schweben ständig in der Luft, setzen sich auf Oberflächen ab oder gelangen über Schuhe, Kleidung und Staub in Innenräume. Meist ist das harmlos – doch einige Pilzarten haben in den vergangenen Jahren weltweit für Aufsehen gesorgt. Sie sind kaum sichtbar, können aber schwere Infektionen auslösen und weisen teils weitreichende Resistenzen gegen gängige Medikamente auf. Damit sind sie längst kein Thema mehr nur für Krankenhäuser: Auch private Haushalte, Büros, Werkstätten oder Pflegeeinrichtungen können unbemerkt zur Brutstätte gefährlicher Erreger werden.
Besonders problematisch sind Pilze wie Candida auris, Aspergillus fumigatus (vor allem resistente Varianten), Mucorales, Fusarium oder der Dermatophyt Trichophyton indotineae, der sich weltweit verbreitet. Sie besitzen die Fähigkeit, in feuchter oder verunreinigter Umgebung zu überleben, Biofilme zu bilden und sich in Nischen festzusetzen, die man mit bloßem Auge kaum erkennt. Während klassische Schimmelpilze eher durch dunkle Flecken auffallen, bleiben diese Erreger oft unsichtbar – und genau das macht sie so gefährlich.
„Die zunehmende Ausbreitung multiresistenter Pilzstämme stellt eine der größten Herausforderungen der modernen Infektionsmedizin dar.“
Centers for Disease Control and Prevention (CDC), Fungal Threat Report, USA
Wie gelangen Pilze in Innenräume von Haushalt oder Arbeitsplatz?
Der Weg in den Haushalt beginnt meist ganz unspektakulär: über die Luft, über Baustäube, über Pflanzen oder über Alltagsgegenstände. Sporen können durch offene Fenster einströmen, an Kleidung haften oder über Haustiere und Schuhe eingeschleppt werden. An Arbeitsstellen kommen weitere Risikofaktoren hinzu: Klimaanlagen, feuchte Produktionsbereiche, verstaubte Lagerhallen oder organische Materialien wie Holz, Papier oder Textilien bieten ideale Eintrittspforten.
Einige Pilze – allen voran Candida auris – werden zudem direkt von Mensch zu Mensch übertragen. Gerade in Pflegeeinrichtungen oder Großraumbüros kann das problematisch werden, denn der Erreger überlebt ungewöhnlich lange auf Oberflächen und widersteht vielen herkömmlichen Reinigungsmitteln.
Gut zu wissen…
- Ein einziger Kubikmeter Luft enthält selbst in scheinbar „sauberen“ Räumen Tausende Pilzsporen.
- Aspergillus fumigatus produziert täglich Millionen Sporen, die problemlos mehrere Kontinente überqueren können.
- Der besonders resistente Candida auris wurde erst 2009 entdeckt. Forscher rätseln bis heute, warum er plötzlich gleichzeitig auf drei Kontinenten auftauchte.
- Einige Pilze überleben auf Edelstahl, Plastik oder Textilien wochenlang, selbst nach einer Reinigung.
- Dermatophyten können in Hautschuppen monatelang infektiös bleiben – ein Grund für Ausbrüche in Familien oder Fitnessstudios.
Wo verbreiten sich Pilze besonders gut?
Pilze benötigen vor allem eines: Feuchtigkeit. Badezimmer, Küchen, schlecht gelüftete Räume, Silikonfugen, Duschvorhänge, Abflüsse, Wasserschäden oder Kondensationsflächen bieten ihnen perfekte Voraussetzungen. Blumenerde, Kompost oder schlecht gewartete Luftbefeuchter können eine zusätzliche Quelle sein. In Betrieben kommen technische Anlagen dazu – Klimageräte, Luftfilter oder feuchte Arbeitsbereiche, die sich nur schwer reinigen lassen.
Bedrohlich sind jene Arten, die Biofilme bilden: mikroskopische Schichten aus Pilzgewebe, eingebettet in schleimige Strukturen. Sie haften an Waschbecken, Armaturen, Türgriffen, Tastaturen oder medizinischen Geräten. Biofilme sind extrem schwer zu entfernen und schützen die Pilze wie eine Rüstung vor Reinigungsmitteln und Medikamenten.
Wie kommt es zur Infektion?
Die häufigste Eintrittspforte ist die Lunge: Das Einatmen von Sporen kann zu Infektionen führen, die von leichten Atemproblemen bis zu lebensbedrohlichen Lungenentzündungen reichen. Besonders Aspergillus fumigatus ist dafür bekannt, Menschen mit vorgeschädigten Atemwegen – etwa Asthmatiker, COPD-Patienten oder Raucheren – zu gefährden.
Andere Pilze gelangen über kleinste Hautverletzungen oder aufgeweichte Haut in den Körper, etwa bei feuchtem Schuhwerk, nach intensiver körperlicher Arbeit oder bei unzureichend gereinigten Badezimmerböden. Dermatophyten wie T. indotineae sind in dieser Hinsicht hochinfektiös und verbreiten sich rasch in Haushalten.
Am gefährlichsten sind invasive Infektionen, bei denen Pilze in den Blutkreislauf oder innere Organe eindringen. Das betrifft insbesondere Menschen mit geschwächtem Immunsystem: nach einer Operation, Chemotherapie, Organtransplantation oder schweren Grunderkrankung.
Welche Erkrankungen können entstehen?
Die Bandbreite ist groß:
- Lungeninfektionen, insbesondere durch Aspergillus fumigatus
- Mucormykosen, die innerhalb weniger Stunden Gewebe zerstören können
- Schwere Hautinfektionen, besonders durch resistente Dermatophyten
- Hornhautentzündungen (Keratitis), ausgelöst durch Fusarium
- Blutstrominfektionen (Candidämien) durch Candida auris
- Invasive systemische Infektionen, die unbehandelt tödlich verlaufen können
Besonders dramatisch sind Erkrankungen durch Mucorales oder resistente Aspergillus-Stämme. Die Sterblichkeit kann je nach Schweregrad 40 bis 80 Prozent erreichen. Auch bestimmte C. auris-Infektionen enden trotz Therapie tödlich.
Warum sind Resistenzen so ein großes Problem?
Viele der genannten Pilze haben Mechanismen entwickelt, die sie gegen Standardmedikamente unempfindlich machen. Azole, die wichtigste Medikamentengruppe, verlieren bei einigen Arten zunehmend ihre Wirkung. Bei Candida auris sind in manchen Regionen bis zu 90 Prozent der Stämme gegen mindestens ein Antimykotikum resistent. Einige sind sogar panresistent, also gegen alle verfügbaren Medikamente unempfindlich.
Resistenzen bedeuten:
- Behandlungen dauern länger.
- Nebenwirkungen steigen.
- Die Erfolgschancen sinken.
- Im Ernstfall bleibt nur noch eine Kombinationstherapie oder ein riskanter operativer Eingriff.
Was kann man vorbeugend tun?
Viele Pilze passen sich schnell an und verlieren die Empfindlichkeit gegenüber Standardmedikamenten. Bei einigen Arten existieren bereits Stämme, die gegen fast alle verfügbaren Wirkstoffe resistent sind (zum Beispiel bestimmte C.-auris- oder Aspergillus-Varianten). Dadurch steigt das Risiko schwerer und tödlicher Verläufe.
Es gibt aber einige Präventionsmaßnahmen, mit denen man ungewohnten Kontakt mit gefährlichen Pilzen vermeiden kann:
In den eigenen Wohnräumen:
- Räume gut lüften, Feuchtigkeit meiden, Feuchtigkeitsquellen finden und beseitigen
- Wasserschäden sofort sanieren
- Badezimmer und Küchen regelmäßig reinigen
- Regelmäßige Reinigung von Luftbefeuchtern und Klimaanlagen, auch von Abflüssen, Silikonfugen und Abluftsystemen
- Blumenerde vorsichtig handhaben, nach Kontakt Hände waschen
- Textilien heiß waschen
- Schimmel frühzeitig entfernen oder fachgerecht sanieren
- HEPA-Filter bei empfindlichen Personen erwägen
In Kliniken:
- strikte Hygieneregeln
- Desinfektionsmittel mit pilzwirksamen Zusätzen
- Immungeschwächte Personen sollten Umgebungen mit hohem Schimmelrisiko meiden
Gefährliche Pilze sind längst keine Randerscheinung mehr. Sie leben unbemerkt in Haushalten und Arbeitsstätten, können schwerste Infektionen verursachen und entwickeln Resistenzen, die die Medizin vor enorme Herausforderungen stellen. Wer sie früh erkennt, Feuchtigkeit vermeidet und auf Hygiene achtet, schützt sich und andere und verringert das Risiko, dass aus unsichtbaren Mitbewohnern eine ernsthafte Bedrohung wird. tok
Die wichtigsten „Problem-Pilze“ mit Resistenz- oder Persistenzpotenzial | |||
| Pilz | Warum ist dieser Pilz gefährlich? | Wo tritt er auf? | Was sind die Problemfaktoren? |
| Candida auris (Candidozyma auris) | Eine der gefährlichsten Pilzarten der Gegenwart. Extrem resistent gegen mehrere Klassen von Antimykotika (Azole, Polyene, teilweise Echinocandine). Hohe Übertragbarkeit: Kann als einer der wenigen Pilze Ausbrüche in Kliniken verursachen.Bildet stabile Biofilme, die sich kaum entfernen lassen. In manchen Regionen sind bereits über 90 % der Stämme gegen mindestens ein Medikament resistent; einige gegen alle drei Hauptklassen. | Vor allem in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Überlebt außergewöhnlich lange auf Oberflächen (mehrere Tage bis Wochen). Befällt Haut, Ohren, Blutkreislauf. Eine asymptomatische Kolonisation ist häufig, was die stille Weiterverbreitung erleichtert. | Falsch-negative Routinelabore erschweren Erkennung. Kann sich an Personal, Geräte oder Raumoberflächen festsetzen. In schweren Fällen hohe Mortalität, besonders auf Intensivstationen. |
| Candida glabrata | Entwickelt schnell Resistenzen gegen Azole, zunehmend auch gegen Echinocandine. Zweithäufigste invasive Candida-Art in vielen Krankenhäusern. | Klinik: Katheter, Urinwege, Schleimhäute. Überlebt länger als C. albicans. | Multiresistente Stämme erschweren Therapie. |
| Candida krusei | Natürliche Fluconazol-Resistenz. Hohe Relevanz bei immunsupprimierten Patienten. | Klinik, vor allem nach Fluconazolprophylaxe. Kann auf Oberflächen persistieren. | Therapieoptionen eingeschränkt. |
| Aspergillus fumigatus – besonders die azol-resistenten Varianten (TR34/L98H; TR46/Y121F/T289A) | Führt zu invasiver Aspergillose mit hoher Sterblichkeit. Weltweit zunehmende Azol-Resistenz, verstärkt durch landwirtschaftliche Fungizide. | In Kliniken (Baustellen, Lüftungen) und in Haushalten (Blumenerde, feuchte Bereiche). | Resistenz kann Standardtherapie praktisch wirkungslos machen. |
| Aspergillus flavus | Kann invasive Infektionen ähnlich wie A. fumigatus auslösen. Teilweise Amphotericin-B-Resistenz. | Tropen, zunehmend weltweit in Innenräumen. Warme, feuchte Umgebungen. | Diagnose und Therapieverfügbarkeit in den Tropen nicht immer gegeben. |
| Mucorales (Rhizopus, Mucor, Lichtheimia) – Erreger der Mucormykose | Sehr rasch zerstörende Infektion („Schwarzpilz”), extrem hohe Sterblichkeit. Natürliche Resistenz gegen viele Azole und Echinocandine. | In Kliniken: kontaminierte Verbände, Lüftungssysteme. Im Haushalt: Kompost, Blumenerde, verschimmelte Nahrung. | Therapien begrenzt; oft chirurgische Eingriffe notwendig. |
| Trichophyton indotineae – der neue dermatophile „Superpilz“ | Verursacht großflächige, hartnäckige Hautpilzinfektionen. Hohe Terbinafin-Resistenz, zunehmende Azol-Resistenz. Sehr kontagiös. | Infektionen von Mensch zu Mensch, auf Badezimmeroberflächen und in Textilien. | Chronische Verläufe; häufig Fehldiagnosen. Falsche Steroidcremes verschlimmern die Infektionsfolgen. |
| Fusarium spp. | Führt zu Keratitis und schweren systemischen Infektionen. Oft multiresistent gegen fast alle verfügbaren Antimykotika. | In Kliniken: Wasserhähne, Duschen. Im Haushalt: Zimmerpflanzen, feuchte Umgebungen. | Multiresistenzen schränken die Therapiemöglichkeiten ein. |
| Scedosporium / Lomentospora | Extrem hohe Resistenzraten bis hin zu nahezu Panresistenz. Verursacht schwere Infektionen bei Immunschwäche und nach Beinahe-Ertrinken. | Feuchte Böden, Krankenhausabwässer, Erde. | Sehr begrenzte Behandlungsmöglichkeiten. |
| Pneumocystis jirovecii | Führt zu gefährlicher Lungenentzündung bei immunsupprimierten Patienten. Zunehmende Mutationen führen zu Resistenz gegen TMP/SMX. | Fast ausschließlich im klinischen Kontext relevant. | Eingeschränkte Therapiemöglichkeiten durch Multiresistenzen treffen auf immungeschwächte Patienten. |
| Histoplasma & Blastomyces (systemische Dimorphe Pilze) | Verursachen schwere, teils chronische Lungen- und Systemerkrankungen. Es gibt zunehmend Itraconazol-resistente Stämme. | Erde, Vogelkot, Baustellenstaub; importierte Fälle in Europa. | Resistenzen schränken die Therapiemöglichkeiten ein. |