
Die HPV-Impfung ist eine sehr effektive Krebsprävention. Sie schützt Frauen vor Gebärmutterhalskrebs, Männer vor Anal- und Peniskarzinomen und beide Geschlechter vor Mund-Rachen-Tumoren. Foto: Nadzeya/stock.adobe.com
Sichere Krebsprävention, schlechte Nutzung: HPV-Impfquoten in Baden-Württemberg auf kritischem Tiefstand
„Zum heutigen Internationalen Tag der Frauengesundheit [Anmerkung der Redaktion: am 28. Mai] attestiert das WIdO in einer Auswertung der Impfquoten bei AOK-Versicherten gegen das HPV-Virus: Wir sehen keine Fortschritte“, klagt Dr. Carola Reimann, die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. „Diese Entwicklung ist besorgniserregend. Denn im Kampf gegen Gebärmutterhalskrebs, der vierthäufigsten Krebserkrankung weltweit, ist die Impfung eine große medizinische Errungenschaft und eine echte Chance, viel zukünftiges Leid zu vermeiden.“
Diese Möglichkeit, so Reimann, gebe es bei vielen Krebsarten nicht, „und dort, wo wir sie haben, sollte sie auch genutzt werden“. Zum Beispiel in Baden-Württemberg. Neue Daten des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) offenbaren eine erschreckende Entwicklung: Nur 45,2 Prozent der 15-jährigen Mädchen in Baden-Württemberg sind aktuell vollständig gegen Humane Papillomviren (HPV) geimpft. Dies bedeutet einen Rückgang von 12,6 Prozentpunkten seit 2019, als noch 57,8 Prozent der Mädchen diesen wichtigen Schutz aufwiesen. Bundesweit liegt die Quote mit 49,5 Prozent zwar ebenfalls unter der WHO-Zielmarke von 90 Prozent, doch der Südwesten fällt besonders negativ auf.
Im Südwesten wenig Erstimpfungen und viele Impfserien-Abbrecher
Bei den Jungen zeigt sich im Südwesten ein gemischtes Bild: Zwar stieg die Impfquote seit 2019 von 14,8 Prozent auf nun 25,1 Prozent, doch dies liegt immer noch 5 Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt. Besorgniserregend ist, dass nur 56,1 Prozent der 15-jährigen Mädchen in Baden-Württemberg überhaupt eine Erstimpfung erhalten haben – jede vierte begonnene Impfserie wird nicht abgeschlossen.
Regionale Vergleiche verdeutlichen die Defizite: Während Mecklenburg-Vorpommern mit 65,3 Prozent die höchste Impfquote bei Mädchen aufweist, liegt Baden-Württemberg 20 Prozentpunkte zurück. Selbst im Westen reicht es nur für Platz 3 hinter Rheinland-Pfalz (49,2 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (48,2 Prozent). WIdO-Geschäftsführer Dr. David Scheller-Kreinsen: „Insgesamt zeigt sich, dass die Impfquoten in den östlichen Bundesländern (ohne Berlin) mit mindestens 60 Prozent deutlich höher sind als in den westlichen. Hier liegt die Impfquote im Schnitt bei nur 47 Prozent.“
Effektive Krebsprävention nicht nur für Frauen
Dr. Ralph Bier, Arzt bei der AOK Baden-Württemberg, warnt vor den Konsequenzen: „Die pandemiebedingt ausgefallenen Impfungen zeigen jetzt ihre volle Wirkung. Dabei ist die HPV-Impfung eine der effektivsten Krebspräventionsmaßnahmen. Sie schützt Frauen vor Gebärmutterhalskrebs, Männer vor Anal- und Peniskarzinomen und beide Geschlechter vor Mund-Rachen-Tumoren.“ Der Experte betont die kostenlose Nachholmöglichkeit bis zum 18. Lebensjahr und appelliert an Eltern sowie Ärzte, Impflücken konsequent zu schließen.
Hintergrund der Impfempfehlung ist die hohe Effektivität des Impfstoffs: Bei vollständiger Immunisierung bietet er bis zu 90 Prozent Schutz vor Gebärmutterhalskrebs und deckt neun Hochrisiko-HPV-Typen ab, darunter die Hauptverursacher HPV 16 und 18. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung für Mädchen und Jungen zwischen 9 und 14 Jahren, wobei die Kosten bis zum 18. Geburtstag von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.
Die aktuellen Zahlen basieren auf der Auswertung von 214.555 durchgängig bei der AOK Baden-Württemberg versicherten 15-Jährigen. Für einen vollständigen Impfschutz sind zwei Dosen im Mindestabstand von fünf Monaten erforderlich. Die AOK Baden-Württemberg weist darauf hin, dass unvollständige Impfserien jederzeit nachgeholt werden können.
Platz 19 für Deutschland in Europa
Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland 2023 mit dem 19. Platz eher schlecht ab. Die vorderen Plätze mit einer vollständigen HPV-Impfung bei 15-jährigen Mädchen wurden 2023 von Island, Norwegen, Portugal, Spanien und Schweden mit einer Impfquote von 96 bis 85 Prozent erreicht. „Sowohl die Varianz in Europa wie auch innerhalb Deutschlands zeigt, dass für HPV-Impfungen als Präventionsmaßnahme noch viel Luft nach oben ist“, so WIdO-Geschäftsführer Scheller-Kreinsen.
„Im Gegensatz zur Impfquote bei 15-Jährigen beobachten wir bei der Anzahl der Impfungen insgesamt einen Anstieg auf das Niveau vor der Corona-Pandemie, während der es zu einem Einbruch in der Impfaktivität insgesamt gekommen ist. Diese aktuelle Entwicklung der Impfaktivität wirkt sich aber weniger auf vergangene Kohorten 15-Jähriger aus, sondern stärker auf die kommenden. Und obwohl sich die Impfaktivität wieder dem Niveau vor Corona annähert und sich auch die Impfquote entsprechend entwickeln wird, ist das nicht ausreichend, um dem WHO-Ziel deutlich näher zu kommen“, so Scheller-Kreinsen. pm/tok