Zu wenig Therapie, zu wenig Verständnis, Überforderung von Angehörigen und Freunden, scheiternde Beziehungen, zerbrechende Familien, Einsamkeit, Depressionen – die Zeit nach einem Schlaganfall ist für Betroffene und Angehörige oft ein steiniger Weg. Foto: Svitlana/stock.adobe.com
Schlaganfall – und dann? Ambulante Versorgung mit Hindernissen und Lücken
Die Chance, einen Schlaganfall zu überleben, ist dank moderner klinischer Versorgung so hoch wie nie. In der klinischen Reha wird versucht, die Folgen mit intensiver Therapie zu mildern. Für die Zeit danach gibt es jedoch kaum Vorgaben.
Meist wird die weitere Behandlung an Hausärzte mit vollen Wartezimmern und wenig Schlaganfall-Erfahrung abgeschoben. Deshalb fühlen sich viele Schlaganfall-Betroffene und deren Angehörige oft allein damit gelassen, den Alltag neu zu organisieren und ihre Selbstständigkeit zurückzugewinnen. Der Ratgeber „Neustart nach dem Schlaganfall“ (TRIAS Verlag, Stuttgart. 2023) zeigt, wie dies gelingen kann und was im ersten Jahr wichtig ist.
270.000 mal pro Jahr lautet die Diagnose „Schlaganfall“
Ein Schlaganfall kommt immer unerwartet, schädigt das Gehirn und kann gesunde, aktive Menschen über Nacht in schwerkranke Pflegefälle verwandeln. Und leider sind Schlaganfälle keine Seltenheit. Etwa 270.000 Fälle gibt es in Deutschland jedes Jahr, wie das DeutschesGesundheitsPortal berichtet.
Helmut Gruhn arbeitet als Physiotherapeut in Hainburg bei Hanau, leitete über 100 Fortbildungskurse, war Supervisor in verschiedenen neurologischen Kliniken und hält Vorträge auf Messen und Kongressen. Seit mehr als 30 Jahren hat er sich auf die Behandlung von Schlaganfall-Betroffenen spezialisiert. Er kennt viele teils dramatische Schicksale von Menschen mit unterschiedlichsten körperlichen und geistigen Einschränkungen.
Ambulante Versorgung: mangelhaft
Leider sieht er auch häufig, was bei der ambulanten Versorgung schiefläuft: Zu wenig Therapie, zu wenig Verständnis, Überforderung von Angehörigen und Freunden, scheiternde Beziehungen, zerbrechende Familien, Einsamkeit, Depressionen. Vieles davon hat damit zu tun, dass nach dem Schlaganfall selbst alltägliche, vermeintlich einfache Tätigkeiten nicht mehr ausgeführt werden können.
Einem geschädigten Gehirn fehlt es an Kraft, es braucht mehr Ruhe, ist langsamer. Nach einem Beinbruch erwartet keiner, dass direkt nach der Entlassung aus der Klinik eine Bergwanderung oder ein Marathon möglich sind. Beim Gehirn ist der Schaden jedoch unsichtbar, so dass Betroffenen schnell vorgeworfen wird, sich nicht genug anzustrengen.
Stand der Dinge als Startlinie
Helmut Gruhn kennt all diese Probleme. Er schlägt deshalb vor, den aktuellen Zustand schriftlich zu dokumentieren, realistische Ziele zur Verbesserung des Zustandes festzulegen und anschließend gemeinsam mit Ärzten, Therapeuten und Angehörigen einen Plan zu machen, wie die Ziele erreicht werden können. Ein geschädigtes Gehirn braucht Zeit, um verlorene Fähigkeiten neu zu lernen.
Deshalb fordert Helmut Gruhn eine Fortsetzung intensiver Therapie im ambulanten Bereich. So können Defizite teilweise ausgeglichen und beseitigt werden, die ansonsten die Lebensqualität stark einschränken.
Ein Buch für das erste Jahr danach
Auf der Basis seiner langjährigen Erfahrung hat Helmut Gruhn den Ratgeber „Neustart nach dem Schlaganfall“ geschrieben. Für Betroffene und deren Angehörige ist es ein Leitfaden mit vielen Beispielen und Informationen, die unter anderem für Gespräche mit Ärzten und Krankenkassen wichtig sind. Darüber hinaus will der Ratgeber Mut machen und ist ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, auch bei schweren Einschränkungen niemals aufzugeben und das eigene Leben im Rahmen der verfügbaren Möglichkeiten mit Lust und Freude zu gestalten. DGP
Helmut Gruhn/Niklàs Schaab, „Neustart nach dem Schlaganfall – Was im ersten Jahr wichtig ist. Ein Leitfaden für Betroffene und Angehörige“, TRIAS Verlag, Stuttgart. 2023, ISBN Buch: 9783432117904, 19,99 EUR