Um dauerhaft schlank zu bleiben, scheint es derzeit, dass man die eigentlich für Diabetes-Typ-2-Patienten gedachte Abnehmspritze (Symbolbild) wahrscheinlich langfristig nehmen und Risiken in Kauf nehmen muss. Als normales Diätmittel taugt sie daher eher nicht. Foto: ponta1414/stock.adobe.com

Pfunde schmelzen mittels Piks: Was ist dran an der Abnehmspritze?

Endlich schlank und das ohne große Mühen. Die Abnehmspritze, auch bekannt als Fett-weg-Spritze, hat sich von einem Medikament für Diabetiker zu einer Art Lifestyleprodukt entwickelt. So scheint es zumindest. Doch was kann man tatsächlich vom vermeintlichen Schlank-Wunder erwarten?

Mehr als jeder zweite Deutsche ist statistisch gesehen zu dick. Fast ein Viertel gilt sogar als fettleibig. Die Ursachen für das Übergewicht sind vielfältig. Propagierte Methoden, um es wieder loszuwerden auch. Immer wieder gibt es Konzepte oder Wundermittel, die versprechen, überflüssige Kilos schnell und einfach verschwinden zu lassen. Und dafür sind Betroffene bereit, tief in die Tasche zu greifen. Oder sogar ihre Gesundheit zu riskieren.

Dr. Margit Jekle, Professorin für Lebensmitteltechnologie und pharmazeutisches Qualitätsmanagement an der SRH Fernhochschule, erklärt, was es mit der Abnehmspritze auf sich hat.

Jetzt ist ein neues, vermeintliches Wundermittel in aller Munde: die Abnehmspritze. Für wen wurde sie entwickelt?  

Prof. Dr. Margit Jekle: „Die Abnehmspritze, hat in den letzten Monaten an Popularität gewonnen, und die neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet versprechen, neben dem Nutzen für Diabetes-Typ-2-Patienten, eine Möglichkeit für eine Gewichtsabnahme für vor allem Adipositaspatienten. So ist das Medikament für Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 30 oder übergewichtigen Personen mit weiteren Erkrankungen und einem BMI von mindestens 27 zugelassen. Das Medikament dient dabei der Ergänzung zu einer Ernährungs- und Bewegungsumstellung.“

Was ist das für ein Wirkstoff und was genau tut er im Körper?

Prof. Dr. Margit Jekle: „Ganz vereinfacht gesagt, reduziert die Spritze den Appetit oder lässt ihn sogar ganz verschwinden. Das funktioniert, indem der Inhaltsstoff die Wirkung von Darmhormonen nachahmt. Das stimuliert die Bauchspeicheldrüse, die daraufhin Insulin ausschüttet. Der Blutzuckerspiegel sinkt. Das Medikament täuscht ein Sättigungsgefühl vor und diese Reaktion sorgt für weniger Nahrungsaufnahme. Das Medikament wurde ursprünglich für Menschen mit Typ-2-Diabetes entwickelt.“

Der Social-Media-Hype um die Spritze ist groß und die Vorstellung, unerwünschtes Fett mit nur einem Piks loszuwerden, klingt verlockend. Doch was sind die Risiken?

Prof. Dr. Margit Jekle: „Nebenwirkungen wie Übelkeit, Durchfall und Erbrechen wurden im Zusammenhang mit der Anwendung des Medikaments beobachtet, insbesondere zu Beginn der Behandlung. Es können auch Erkrankungen an der Bauchspeicheldrüse, Gallenblase oder auch Gallensteine entstehen. In Tierversuchen zeigten sich Fälle von Schilddrüsenkrebs. Eine enge ärztliche Überwachung ist daher unerlässlich, um potenzielle Komplikationen zu vermeiden.“

Kann es sein, dass Diabetiker das Medikament nicht mehr bekommen, weil Abnehmwillige es ihnen vor der Nase wegschnappen?

Prof. Dr. Margit Jekle: „Die Produktionskapazitäten für dieses Medikament sind derzeit noch begrenzt. Pharmazeutische Unternehmen wie Eli Lilly & Company setzten weiterhin auf Expansion und investieren in neue Produktionsstätten, auch in Deutschland, um die Nachfrage zu decken und sicherzustellen, dass alle, die von dieser Behandlung profitieren könnten, Zugang dazu haben.“

Wie nachhaltig ist denn die Abnahme dank der Spritze?

Prof. Dr. Margit Jekle: „Es gibt keine Langzeitstudie zur Abnehmspritze. Erste Untersuchungen zeigen, dass Anwender:innen wieder zunehmen, wenn sie die Spritze absetzen, da der Appetit wieder zunimmt. Um dauerhaft schlank zu bleiben, scheint es derzeit, dass man die Abnehmspritze wahrscheinlich langfristig nehmen muss.“

Kommt man auch ohne medizinische Indikation an die Spritze?

Prof. Dr. Margit Jekle: „Sie ist verschreibungspflichtig, und sollte nicht ohne ärztliche Konsultation angewendet werden. Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten nur bei Diabetes. Bei Adipositas muss das Medikament allgemein selbst bezahlt werden.“

Kann man mit der Fett-weg-Spritze gezielt Problemzonen bekämpfen, wie zum Beispiel ein Doppelkinn oder Bauchspeck?

Prof. Dr. Margit Jekle: „Nein. Das ist nicht möglich. Das Medikament reduziert das Verlangen zur Nahrungsaufnahme. Gezielt nur an bestimmten Körperstellen abnehmen ist daher ähnlich schwierig, wie bei einer Diät.“

Wie bewerten Sie insgesamt die Spritze?  

Prof. Dr. Margit Jekle: „Das Medikament kann in Spezialfällen hilfreich sein, wie bei stark adipösen Patienten, die auch unter Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Doch um eine langfristige Ernährungs- und Bewegungsumstellung kommt man nicht herum, wenn man wirklich dauerhaft schlank bleiben möchte, ohne längerfristig auf eine Injektion angewiesen zu sein.“    pm