Eine einjährige Behandlung mit Nikotinpflastern brachte im manifesten Frühstadium einer Parkinson-Erkrankung keine positiven Effekte für den Krankheitsverlauf. Foto: New Africa/stock.adobe.com

Nikotinpflaster sind keine Therapieoption bei Parkinson

Die medikamentöse Therapie der Parkinson-Erkrankung ist bisher nur symptomatisch möglich. Daher wird sowohl nach ursächlichen Therapieansätzen als auch nach krankheitsmodifizierenden Behandlungen gesucht. Epidemiologische Beobachtungen zeigen, dass langjährige Raucher seltener an Parkinson erkranken. Könnte man mit einer Nikotinpflaster-Therapie das Fortschreiten der Krankheit im frühen manifesten Stadium verlangsamen?

Tierversuche legen Wirkung von Nikotin nahe

Die Parkinson-Krankheit ist eine chronische neurodegenerative Erkrankung, die mit fortschreitender motorischer Symptomatik und Behinderungen einhergeht. Medikamente können die Symptome zwar bessern, eine Heilung oder zumindest Verzögerung der fortschreitenden neurodegenerativen Prozesse (Nervenzelluntergang in bestimmten Gehirnregionen) ist bisher nicht möglich. Neben der Forschung an kausalen Therapieansätzen werden auch Substanzen untersucht, die den Verlauf zumindest verlangsamen könnten.

Epidemiologische Studien ergaben, dass langjährige Raucher seltener an Parkinson erkranken, so dass sich die Frage stellte, ob Nikotin das Fortschreiten der Parkinson-Krankheit auch im manifesten Frühstadium verlangsamen kann. In Toxin-induzierten Parkinson-Tiermodellen schützte Nikotin vor einer parkinsonähnlichen Neurodegeneration und kann Entzündungsreaktionen des Nervensystems reduzieren. Es reguliert experimentell anti-apoptotische Proteine hoch und induziert entgiftende Enzyme.

Frühe Studien verliefen negativ

Frühere Studien mit transdermalem Nikotin (Pflaster) bei Parkinsonkranken zeigten allerdings keine Besserung der Symptomatik, wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) berichtet. Nun untersuchten deutsche und US-amerikanische Parkinson-Studiengruppen, ob bei einer Behandlung der Betroffenen in sehr frühen manifesten Krankheitsstadien krankheitsmodifizierende Nikotineffekte nachweisbar sind. Es war die erste Zusammenarbeit der „German Parkinson Study Group“ und der „USA Parkinson Study Group“ mit Studienzentrale in Marburg. Die Ergebnisse wurden aktuell in „NEJM Evidence“ publiziert.

In der doppelblinden, placebokontrollierten multizentrischen NIC-PD-Studie („Nicotine in early Parkinson’s disease”) wurden Personen, die vor höchstens 18 Monaten die Parkinsondiagnose erhalten hatten, eingeschlossen. Sie waren in einem Frühstadium und hatten nur leichte, nicht behindernde motorische Symptome, die noch keine medikamentöse dopaminerge Therapie erforderten. Lediglich MAOB-I (Monoaminoxidase-B-Hemmer) waren zugelassen.

Behandlung über ein Jahr hinweg

163 Teilnehmende aus 24 Zentren (13 in Deutschland, 11 in den USA) wurden im Verhältnis 1:1 randomisiert und erhielten entweder transdermal Nikotin (bis zu 28 mg/Tag) oder Placebo. Die Behandlung erfolgte über 52 Wochen, danach wurde die Therapie bis Woche 60 ausgeschlichen. Der primäre Endpunkt war der UPDRS-Score („Total Unified Parkinson Disease Rating Scale“) nach 60 Wochen, um einen möglichen krankheitsmodifizierenden Effekt nach wochenlangem Auswaschen der Studienmedikation erfassen zu können.

Der erste sekundäre Endpunkt war der UPDRS-Score nach 52 Wochen, das heißt noch unter Studienmedikation. Hier wurde somit die Summe eines möglichen symptomatischen und möglichen krankheitsmodifizierenden Effekts von Nikotin erfasst. Weitere sekundäre Endpunkte untersuchten beispielsweise Veränderungen der Kognition, depressive Symptome und den Schlaf.

Nikotin-Pflaster ohne Nutzen für Parkinson-Kranke

101 Teilnehmende konnten für den primären Endpunkt analysiert werden, 54 in der Placebogruppe und 47 in der Nikotingruppe. Die Ergebnisse sowohl des primären als auch des ersten sekundären Endpunktes sprachen nicht für einen günstigen Effekt des Nikotin-Pflasters auf die Progression des Frühstadiums der Parkinson-Krankheit. Für weitere sekundäre Endpunkte wie SCOPA-COG, BDI-II oder PDSS-2 wurden keine Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt. Ein umfangreicher „Supplementary Appendix“ stellt zahlreiche Subanalysen dar, von denen keine einen Nutzen von Nikotin über Placebo zeigte.

Insgesamt gab es fast 60 Studienabbrüche (28 in der Placebogruppe und 31 in der Nikotingruppe), meist wegen einer Verschlechterung der Symptomatik bzw. der motorischen Funktion; 34,6 % der Teilnehmenden (27 Placebo, 29 Nikotin) begannen mit dopaminergen Parkinson-Medikamenten. Nebenwirkungen durch das Pflaster auf der Haut hatten mehr als ein Drittel in der Placebo- und über die Hälfte in der Nikotingruppe; zum Studienabbruch wegen Hautreaktionen kam es zweimal in der Placebo- und fünfmal in der Nikotingruppe.

Unerwartet viele Studienabbrecher

Als Studienlimitation nennt das Autorenteam die Applikationsart des Nikotins (Pflaster statt Rauchinhalation), jedoch war Rauchen als Intervention aus ethischen und logistischen Gründen sowie wegen der Gruppenverblindung keine Option. Auch wurden weder Nikotin- noch Nikotinmetabolit-Konzentrationen im Blut, noch molekulargenetische Profile oder objektive Parkinsonprogressionsmarker erfasst (z. B. Bildgebung mit dem DAT SPECT-Verfahren).

Darüber hinaus sei die unerwartet hohe Zahl an Studienabbrüchen ein gewisser Nachteil sowie die MAOB-I-Therapie bei manchen Teilnehmenden. In der MAOB-I-Untergruppe sei der negative Nikotineffekt geringer ausgefallen (UPDRS-Progression um 1 und 1,5 am Ende der Auswaschphase). Obwohl somit die MAOB-I-Gabe die Nikotinwirkung tendenziell abgeschwächt habe, sei diese Interaktion nicht bedeutsam gewesen.

Man kommt zu dem Schluss, dass die einjährige transdermale Nikotinbehandlung auch bei Therapiebeginn im manifesten Frühstadium einer Parkinson-Erkrankung die Progression nicht verlangsamen konnte.

So könnte eine neue Nikotin-Parkinson-Studie aussehen

Am Ende des Artikels geben die Autoren eine Empfehlung ab, wie das Design einer zukünftigen Studie aussehen sollte, um einen Krankheitsmodifizierenden Effekt von Nikotin zu prüfen: Die Studie sollte Personen einschließen, die sich in einer prodromalen Phase der Parkinson-Krankheit befinden und noch völlig ohne Behandlung sind („drug-naive“). Nikotin sollte in einer pulsatilen Applikationsform verabreicht werden und zur Beurteilung des Effekts ist der Einsatz von klinischen und objektiven prodromalen Progressionsmarkern erforderlich. Dass so ein Studiendesign in Zukunft möglich sein wird, davon ist Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang H. Oertel, ehemaliger Präsident der DGN und Initiator und Erstautor der vorliegenden Studie, überzeugt.   DGN