Lieber eine Sache richtig machen als zwei Sachen fast richtig. Das haben Sportwissenschaftler der Universität des Saarlandes herausgefunden. Muss das Gehirn beim Sport Denkaufgaben meistern, leiden darunter das Nachdenken und die sportliche Leistung gleichermaßen. Multitasking scheint also kein Idealziel zu sein. Foto: Mihaela/stock.adobe.com
Multitasking: Wer beim Sport nachdenken muss, zeigt deutliche Leistungseinbußen
Heutzutage erledigen wir immer mehr Aufgaben gleichzeitig. Dabei kann es jedoch zu Leistungseinbußen kommen. Spielt es dabei eine Rolle, ob man in den Aufgaben bereits sehr viel Erfahrung hat? Das hat nun auch ein Team um die Sportwissenschaftlerin Sabine Schäfer an Ruderern und Kampfsportlern untersucht. Es zeigte sich, dass selbst sehr erfahrene Athleten unter Doppelaufgaben schlechtere Leistungen bringen.
Ihre Erkenntnisse haben sie in „Frontiers in Psychology“ veröffentlicht, wie das DeutschesGesundheitsPortal (DGP) berichtet.
Sportliche Aktivität und Denkaufgaben
Lieber soll man eine Sache richtig machen als zwei oder drei Sachen fast richtig. Dass das auch im Sport stimmt, haben nun Sportwissenschaftler der Universität des Saarlandes herausgefunden. Sabine Schäfer, Professorin für Sportwissenschaft, sowie Annalena Monz, Kathrin Morbe und Dr. Markus Klein haben an zwei Probandengruppen getestet, wie gut diese Denkaufgaben lösen können, während sie gleichzeitig Sport treiben.
„Wir haben zwei Gruppen untersucht“, erläutert Sabine Schäfer. „Eine Gruppe musste auf einem Ergometer rudern, eine andere Gruppe bestimmte Übungen in der Kampfsportart Taekwondo durchführen. Gleichzeitig mussten sie sich als Denkaufgabe eine Reihe von Wörtern merken, die sie mit einer festgelegten Abfolge von Orten gedanklich verknüpfen sollten“, so die Sportwissenschaftlerin.
Beim Rudern verknüpfte Wortpaare merken
Die freiwilligen Teilnehmer des Ruder-Tests waren in vier Gruppen zu je zehn Personen unterteilt. Jüngere Teenager (12 bis 14 Jahre), ältere Teenager (14 bis 18 Jahre), junge Erwachsene (17 bis 24 Jahre) sowie ältere Erwachsene (48 bis 63 Jahre), wobei die jungen Erwachsenen als Leistungssportler die mit Abstand besten sportlichen Leistungen dieser Kohorte bringen konnten.
„Die Probanden mussten nun in 180 Sekunden mit einer bestimmten, vorgeschriebenen Geschwindigkeit rudern. Dabei war es wichtig, dass sie auch das Display des Rudergerätes im Blick hielten und auf ihre Geschwindigkeit achteten, um möglichst konstant zu bleiben“, erläutert Sabine Schäfer. „Dazu mussten sie im weiteren Verlauf eine Denksport-Aufgabe bewältigen. Nach 90 Sekunden wurden über Kopfhörer verknüpfte Wortpaare, zum Beispiel ‚Spüle – Banane‘, ausgegeben. Im Anschluss sollten sich die Sportler an den Gegenstand erinnern, der an einem bestimmten Ort gedanklich ‚abgelegt‘ worden war“, erklärt die Sportwissenschaftlerin.
Diese Aufgabe bewältigten die Studienteilnehmer einmal in einer lockeren Ergometer-Einstellung und einmal in einer intensiveren, die mehr Kraft erforderte. Zum Vergleich lösten die Teilnehmer die Gedächtnisaufgabe auch inaktiv, also nur auf dem Ergometer sitzend, um die reine kognitive Leistung zu messen; zudem musste in einigen Durchgängen auch ohne Denksport-Aufgabe gerudert werden, um die reine Ruder-Leistung zu messen.
Gleichzeitiges Rudern und Denken führt zu Leistungsabfall
„Wir haben festgestellt, dass über alle Probandengruppen hinweg die Gedächtnisleistung und die Rudergeschwindigkeit klar abnimmt, wenn die andere Aufgabe gleichzeitig erledigt werden muss“, so das Fazit von Sabine Schäfer. Bei der etwas anstrengenderen Übung litten die Leistungen jeweils noch etwas mehr. „Die Profi-Ruderer schnitten im Mittel noch am besten ab, aber auch hier haben wir einen deutlichen Abfall der Ruderleistung und der Gedächtnisleistung gesehen“, so die Sportwissenschaftlerin.
Taekwondo ist kognitiv fordernd – und da stört das Denken
Ganz ähnliche Ergebnisse zeigten die Untersuchungen bei den Taekwondo-Sportlern. Da es sich bei der koreanischen Kampfkunst um eine koordinativ deutlich anspruchsvollere Sportart handelt als beim Rudern, war das Fazit auch entsprechend: „Taekwondo ist kognitiv sehr fordernd“, resümiert Sabine Schäfer. Die Taekwondo-Sportler aus drei Leistungsgruppen (gelber Gürtel/Anfänger; grüner, blauer, roter Gürtel/Fortgeschrittene; schwarzer Gürtel/Experte) führten einen so genannten „Formenlauf“ vor, in welchem festgelegte Techniken in vorgegebener Reihenfolge durchgeführt und von Kampfrichtern bewertet werden.
Die Wortpaar-Aufgabe lösten sie in zwei von vier Durchgängen, die anderen zwei waren reine Formenläufe ohne Denkaufgabe, die dem Vergleich der sportlichen Leistung dienten. Außerdem wurde, wie beim Rudern auch, die reine Gedächtnisleistung gemessen, indem den Sportlern die Wortpaare präsentiert wurden, während sie saßen.
„Beim Taekwondo waren die Kosten in der Gedächtnisaufgabe etwas höher als beim Rudern“, fasst Annalena Monz, eine der Co-Autorinnen der Studie, das Ergebnis zusammen. Das Gehirn ist in der Doppelaufgabensituation also überfordert, und es kommt zu Leistungseinbußen. Beim Taekwondo äußert sich das darin, dass die Übungen, die im Formenlauf präsentiert werden, nicht mehr so präzise sind im Vergleich zum Formenlauf ohne ablenkende Gedächtnisaufgabe.
Gedächtnisaufgaben führen zu Präzisionsfehlern beim Formenlauf
„Anders gesagt: Die Leute wissen, was sie machen müssen, aber es sieht alles nicht mehr so gut aus“, bringt es die junge Sportwissenschaftlerin auf den Punkt. Co-Autor Markus Klein, wie Annalena Monz im Taekwondo-Sport aktiv, ergänzt: „Da geht es um kleine Präzisionsfehler in Bezug auf die technische Qualität der Bewegung, die die Kampfrichter sehen: Der Stand ist beispielsweise nicht ganz korrekt, ein Handgelenk ist nicht korrekt gestreckt, sondern zum Beispiel abgeklappt. Das sind alles Dinge, die die Sportler besser hinbekommen würden, wenn sie nicht nebenher Gedächtnisaufgaben lösen müssen“, so der Sportwissenschaftler.
Wer beim Sport zu viel nachdenkt lässt motorisch nach
Auch hier war es wie beim Rudern, dass die erfahrenen Sportler im Mittel besser abgeschnitten haben als die unerfahrenen. Aber selbst bei sehr erfahrenen Athleten mit schwarzem Gürtel ist ein Abfall der Leistung in der Doppelaufgabensituation zu beobachten.
Als Erklärung hierfür vermuten Sabine Schäfer und ihr Team einerseits, dass selbst erfahrene (Freizeit-)Sportler den Bewegungsablauf beim Formenlauf trotz ihrer jahrelangen Erfahrung und Übung noch nicht automatisiert haben und dies im Rahmen des Breitensports nicht zu erwarten ist. Andererseits, so eine weitere Vermutung, beanspruchen sowohl die Verknüpfungsleistung von bestimmten Worten mit Ortsangaben als auch die Bewegungsabläufe beim Formenlauf , ähnliche kognitive Ressourcen – das räumliche Vorstellungsvermögen –, so dass die begrenzten verfügbaren Ressourcen entsprechend aufgeteilt werden müssen. Des Weiteren erfordert eine überzeugende, dynamische Präsentation der Form ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit und bewusster Steuerung – man muss sich mehr auf die Übung konzentrieren als zum Beispiel beim Rudern. DGP