Was können erwachsene Nutzer von digitalen Medien in ihrer nahen Zukunft erwarten: eine digitale Demenz oder einen digitalen Hirnvorteil? Ein aktueller Review mit Metaanalyse zeigt: Die Nutzung von digitalen Medien reduzieren das Risiko für den kognitiven Abbau. Foto: tournee/stock.adobe.com

Mit vielen Klicks das Hirn schädigen? – Digitale Technologie mit geringerem Demenzrisiko assoziiert

Die extreme Nutzung von digitalen Medien und vor allem von Social Media scheint eine zentrale Ursache für viele psychische wie auch physische Probleme von Kindern und Jugendlichen zu sein. Das dürfte allgemein bekannt sein und da herrscht wohl auch Konsens. Aber welche Auswirkungen hat das langfristig? Und was ist mit Erwachsenen, die sich munter und begeistert auf dem Smartphone oder dem Tablet durch die Onlinewelt klicken und dort kommunizieren? Kann das im Alter ebenfalls zu Problemen führen und zum Beispiel den Weg in eine Demenz beschleunigen?

Mittlerweile wachsen Kinder ganz natürlich mit neuesten Technologien und digitalen Medien auf. Tatsächlich hat die erste Generation, die mit solchen Technologien in Kontakt kam, bereits ein Alter erreicht, in dem Demenzerkrankungen häufig sichtbar werden. Stellt sich der technologische Fortschritt als Vorteil oder Nachteil in Bezug auf das Demenzrisiko heraus? Eine Hypothese sieht eine „digitale Demenz“, also schlechtere kognitive Fähigkeiten bei starker Nutzung digitaler Technologie. Eine alternative Hypothese erwartet hingegen einen Vorteil für den Erhalt der Denkleistung, wie das DeutschesGesundheitsPortal (DGP) berichtet.

Digitale Demenz oder digitaler Hirnvorteil?

Wissenschaftler testeten diese Hypothesen mit Hilfe eines systematischen Reviews mit Metaanalyse. Sie ermittelten relevante Studien in den medizin-wissenschaftlichen Datenbanken Medline, PsycInfo, CINAHL, Science Direct, Scopus, Cochrane Library, ProQuest und Web of Science. Die Analyse berücksichtigte Beobachtungs- oder Kohortenstudien, die auf allgemeine digitale Technologienutzung bei älteren Erwachsenen ab 50 Jahren fokussierten und kognitive Leistung oder Demenzdiagnosen als Ergebnis berichteten.

Die Metaanalyse umfasste 57 Studien mit zusammen 411.430 Erwachsenen im durchschnittlichen Alter von 68,7 Jahren zu Beginn, mit 53,5 % Frauen. Die Untersuchungen waren Querschnitts- und longitudinale Beobachtungsstudien mit Beobachtungszeiten zwischen 1 und 8 Jahren (Durchschnitt: 6,2 Jahre). Die Nutzung digitaler Technologien war mit einem um 58 % reduzierten Risiko für Beeinträchtigung der Denkleistung assoziiert sowie mit reduzierten zeitabhängigen Raten kognitiven Abbaus.

Die Effekte blieben auch nach Berücksichtigung demographischer, sozioökonomischer und gesundheitlicher Aspekte sowie mit Blick auf Hinweise auf eine unterschiedliche kognitive Reserve. Die Ergebnisse bestätigten sich auch bei Beschränkung der Analyse auf Studien höchster Qualität.

Nutzung digitaler Technologie kann Risiko für kognitiven Abbau senken

Warum das so ist? Das muss noch erforscht und ausgewertet werden. Aber: Während weitere Untersuchungen mögliche kausale Zusammenhänge ermitteln müssen, zeigt die Analyse über fast eine halbe Million Menschen deutlich, dass die Nutzung digitaler Technologie nicht mit einem höheren Risiko für Demenzen assoziiert ist. Das Gegenteil ist der Fall: Wer sich in der digitalen Welt bewegt, hat gute Chancen, sein Risiko für einen kognitiven Abbau zu reduzieren.    DGP/HealthCom/tok

Vorsicht bei Kindern und Jugendlichen

Während erwachsene Nutzer von digitaler Technologie im Alter sich offenbar über ein reduziertes Demenzrisiko freuen dürfen, sieht es bei Kindern und Jugendlichen eher so aus, als würden die Schäden durch eine extreme Nutzung digitaler Medien und insbesondere von Social Media eher überwiegen. Die permanente Präsenz in der Onlinewelt, das pausenlose Klicken und Wischen kann bei Kindern und Jugendlichen sowohl körperliche als auch psychische Erkrankungen begünstigen. Hier ist eine Übersicht über dokumentierte Risiken:

🧠 Psychische Erkrankungen und Belastungen

1. Depressionen und Angststörungen

  • Mechanismus: Vergleich mit anderen, Cybermobbing, geringe Selbstwirksamkeit, ständige Reizüberflutung.
  • Studienlage: Zahlreiche Studien zeigen Korrelationen zwischen exzessivem Social-Media-Konsum und erhöhtem Risiko für depressive Symptome, insbesondere bei Jugendlichen, die sich stark mit „Likes“ und sozialer Bestätigung identifizieren.


2. Schlafstörungen

  • Ursachen: Blaulicht von Bildschirmen hemmt die Melatoninproduktion. Zudem halten Social-Media-Inhalte Kinder bis spät in die Nacht wach.
  • Folgen: Geringere Konzentrationsfähigkeit, emotionale Labilität, erhöhter Stresslevel.


3. Aufmerksamkeitsdefizit / ADHS-ähnliche Symptome

  • Mechanismus: Häufige Nutzung kurzer, intensiver Reize (etwa bei TikTok, YouTube Shorts) kann die Fähigkeit zur fokussierten Aufmerksamkeit einschränken.
  • Langzeitrisiko: Studien deuten auf ein erhöhtes Risiko für ADHS-Diagnosen bei übermäßiger Bildschirmnutzung im Kindesalter hin.


4. Suchtverhalten / Mediensucht

  • Symptome: Kontrollverlust, Entzugserscheinungen, Rückzug aus sozialen oder schulischen Aktivitäten.
  • Diagnose: In der WHO-Klassifikation ist „Gaming Disorder“ bereits als Erkrankung anerkannt, für Social Media gibt es ähnliche Suchtmerkmale.

🏥 Physische Erkrankungen und Beschwerden

1. Bewegungsmangel und Übergewicht

  • Kontext: Bildschirmzeit ersetzt körperliche Aktivität.
  • Folgen: Steigendes Risiko für Adipositas, metabolisches Syndrom, Diabetes Typ 2 im Jugendalter.


2. Haltungs- und Muskelerkrankungen

  • Typisch: „Handynacken“, Rückenschmerzen, Verspannungen.
  • Ursache: Lange Sitzzeiten, schlechte ergonomische Haltungen, ununterbrochene Bildschirmnutzung.


3. Augenbelastung (Digital Eye Strain)

  • Symptome: Trockene Augen, Kopfschmerzen, verschwommenes Sehen.
  • Langzeitfolgen: Möglicherweise Zunahme von Kurzsichtigkeit (Myopie), insbesondere bei zu wenig Aufenthalt im Tageslicht.

👨‍👩‍👧‍👦 Soziale Auswirkungen

Auch wenn nicht direkt als Krankheit klassifiziert, sind folgende Effekte relevant für die psychosoziale Entwicklung:

  • Soziale Vereinsamung: Rückzug in virtuelle Welten.
  • Gestörte emotionale Entwicklung: Weniger Empathie, reduzierte Konfliktlösungsfähigkeiten.
  • Beeinträchtigte Sprachentwicklung bei Kleinkindern durch passive Bildschirmnutzung.

Empfehlungen zur Prävention

  • Medienzeiten begrenzen: Empfehlungen der WHO und BZgA (zum Beispiel maximal 1 Stunde pro Tag für 6- bis 10-Jährige).
  • Aktive Medienerziehung: Eltern sollten Inhalte begleiten, Alternativen anbieten, Vorbild sein.
  • Digitale Pausen und Offline-Zeiten: Wichtig zur Förderung der Konzentration, sozialen Interaktion und Schlafqualität.

tok