Die Verantwortung im Familienalltag liegt zum größten Teil bei den Müttern. 62 Prozent der Mütter fühlen sich stark belastet – Väter nur zu 31 Prozent. Der Dauerstress zeigt spürbare Folgen. Foto: Raool – KI-generiert/stock.adobe.com

Mental Load in Familien: Warum Mütter mehr Verantwortung tragen und darunter leiden

Wer denkt immer und überall an alles? Wer denkt für die ganze Familie mit? Die Mütter. Dass dieses schon etwas betagte Rollenbild immer noch in vielen Bereichen real und präsent ist, zeigt eine repräsentative Studie zum Thema Mental Load, die die hkk Krankenkasse gemeinsam mit dem forsa-Institut erhoben hat. Befragt wurden 1002 Mütter und 502 Väter von Kindern unter 18 Jahren.

Hohe Zufriedenheit – ungleiche Lasten

Die meisten Eltern sind mit ihrem Leben zufrieden und das, obwohl die Aufgaben zu Ungunsten der Mütter verteilt sind: Sie sind die Managerinnen des Familienalltags. Sie kümmern sich unter anderem überwiegend um die Wäsche (81 Prozent), putzen (69 Prozent) und organisieren zudem Arzttermine (90 Prozent) oder Kindergeburtstage (89 Prozent). Die klassische Rollenverteilung ist also weiterhin Realität.

„Frauen lernen von klein auf, für andere da zu sein. Männer stehen kulturell eher für Eigenständigkeit und Erwerbstätigkeit. Sozialisation führt dazu, dass Frauen meist mehr Verantwortung für Familie und Organisation übernehmen“, erklärt Mental-Load-Expertin und Bestsellerautorin Patricia Cammarata. „Mental Load ist die unsichtbare Denkarbeit, die den Alltag am Laufen hält – ein permanentes Hintergrundprogramm, das viel Energie kostet.“

63 Prozent der Mütter geben an, an mehr als der Hälfte der Tage allein für den Familienalltag verantwortlich zu sein. 30 Prozent fühlen sich damit oft überfordert. Bei Vätern liegen diese Werte deutlich niedriger (Überforderung: 11 Prozent).

Dauerstress macht krank

Fast zwei Drittel der Mütter (62 Prozent) empfinden die unsichtbare Last als starke Belastung – bei Vätern sind es nur 31 Prozent. Mehr als die Hälfte der Mütter (53 Prozent) kann kaum gedanklich abschalten. „Problematisch wird es, wenn die Liste im Kopf nicht mehr stoppt. Dann sprechen wir von Mental Overload“, so Cammarata. „Ohne Wertschätzung und Entlastung kann Dauerstress zu Burnout führen – mit Folgen für Psyche und Körper.“

Die Daten bestätigen das. Mütter berichten deutlich häufiger als Väter von körperlichen Beschwerden. In den vergangenen sechs Monaten hatten 82 Prozent der Frauen körperliche Schmerzen gegenüber 65 Prozent der Männer. Gleiches Bild bei den psychischen Belastungen wie Nervosität (31 Prozent bei den Frauen, 16 Prozent bei den Männern) oder anhaltenden Sorgen (22 Prozent bei den Frauen, 13 Prozent bei den Männern).

Unsichtbares sichtbar machen

Bemerkenswert ist die unterschiedliche Wahrnehmung: 82 Prozent der Väter halten die Aufgabenverteilung für fair – aber nur 61 Prozent der Mütter. Der erste Schritt ist daher, Mental Load sichtbar zu machen. „Wenn Paare gemeinsam aufschreiben, wer eigentlich an was denkt, ist der Aha-Effekt oft groß“, so Cammarata. Wichtig sei zudem, ganze Aufgabenpakete zu übertragen – nicht nur einzelne Handgriffe.

Strukturelle Unterschiede verstärken Ungleichheit

Mental Load steigt mit der Anzahl der Kinder und wird mitunter von unterschiedlichen Erwerbssituationen verstärkt: Väter arbeiten mehrheitlich Vollzeit, Mütter häufiger in Teilzeit oder gar nicht – was schnell zu ungleicher Verteilung von Care-Arbeit führen kann. „Erwerbsarbeit ist nur möglich, weil im Hintergrund Care-Arbeit geleistet wird. Dieses Zusammenspiel muss sichtbar und anerkannt werden“, betont Cammarata.

Was Politik und Unternehmen tun können

Damit die Lasten fairer verteilt werden, braucht es strukturelle Veränderungen. Politik und Arbeitgeber sind gleichermaßen gefordert. Auf politischer Ebene sind bessere Rahmenbedingungen für Vereinbarkeit nötig. Arbeitgeber wiederum können entscheidend entlasten – mit flexiblen Arbeitszeitregelungen, klaren Grenzen zur Erreichbarkeit sowie einer Unternehmenskultur, die Care-Aufgaben anerkennt und unterstützt.

Cammarata macht deutlich: „Mental Load ist kein individuelles Problem einzelner Mütter, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir tun uns als Gesellschaft einen großen Gefallen, wenn wir verhindern, dass Überlastung zum Normalzustand wird.“

Die hkk unterstützt Arbeitgeber mit maßgeschneiderten Angeboten zur Förderung der Gesundheit ihrer Mitarbeitenden im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. „Mentale Gesundheit ist eines der wichtigsten Präventionsthemen unserer Zeit“, sagt hkk-Präventionsexpertin Dr. Wiebke Hübner. Dazu gehört auch das Thema ‚Mental Load‘ und wie eine gesunde Work-Life-Balance für berufstätige Eltern gelingen kann.

hkk-Tipps: So vermeidet man Mental Load

Inventur machen:

Setzen Sie sich gemeinsam hin und schreiben Sie alle Aufgaben auf. Wer, wann, wie oft. Schwarz auf Weiß kommen die ersten Aha-Momente. „Ach, das machst du so häufig und behältst alles im Kopf?“ – „Wusste ich ja gar nicht.“

Regelmäßige Orga-Meetings:

Bleiben Sie dran und besprechen Sie in wöchentlichen Treffen die Verteilung der aktuell anstehenden Aufgaben und die Verantwortlichkeiten. Wer organisiert den Kindergeburtstag? Wer bringt das Auto in die Werkstatt? Wer kauft die neuen Gummistiefel für den Sohn und das Material für den Bastelnachmittag der Tochter?

Nicht nur vor-, sondern auch zurückblicken:

Was lief gut, was lief schlecht? Eine ehrliche Bilanz hilft Ihnen, aus Fehlern zu lernen und es nächste Woche besser zu machen.

Sich vom Perfektionismus verabschieden:

Sich selbst regelmäßig kritisch zu hinterfragen, befreit vom innerlichen Ballast noch aus der Kindheit. Wenn die Großmutter zu Besuch kommt, muss nicht noch die hinterste Ecke gesaugt sein. Mutter war auch mal Mutter von mindestens einem kleinen Kind. Buch-Autorin Patricia Cammarata weiß, dass dies leichter gesagt als getan ist: „Die Gesellschaft hat bestimmte Vorstellungen davon, was eine gute Mutter tut und was nicht.“ Dennoch führe kein Weg daran vorbei, sich vom Perfektionismus zu verabschieden. Generell gilt auch weniger People Pleasing und mehr Selbstfürsorge im Alltag.

Verantwortung mit dem Mann teilen:

Dazu rät Coach Carsten Vonnoh. Es sei problematisch, „wenn Mütter sich allein in der Verantwortung sehen und den Mann als drittes Kind wahrnehmen.“ Natürlich seien manche Männer weit davon entfernt, auf Augenhöhe bei dem Thema in der Verantwortung zu sein. Aber viele seien eben auf einem guten Weg.

Bewusste Ruhephasen einbauen:

Das gefühlte Stress-Level können wir senken, indem wir bewusste Ruhephasen einplanen, zum Beispiel eine morgendliche Entspannungsroutine oder die „Me-Time“ am Abend. Besonders ernst nehmen sollten wir körperliche Signale wie Verspannungen in den Schultern oder eine durcheinandergebrachte Verdauung.

Sich offen mit anderen Eltern auszutauschen:

Das kann helfen, neue Ideen und Perspektiven zu gewinnen. Durch die Gespräche erfahren wir oftmals Unterstützung und finden dadurch Seelenfrieden. Das Reden fällt besonders Männern immer noch schwer, weiß Carsten Vonnoh: „Es ist wichtig, dass wir uns trauen zu sagen, dass es manchmal echt viel ist.“

Wie können wir mit Mental Load künftig besser umgehen?

Expertenstimmen wie Carsten Vonnoh und Patricia Cammarata heben hervor, dass der Umgang mit Mental Load letztlich ein ständiger Prozess ist, der kontinuierliche Arbeit auf allen Seiten erfordert – zudem Geduld und Ehrlichkeit.  Gegenüber sich selbst, gegenüber der Partnerin und dem Partner und in der Öffentlichkeit. Nur wenn wir offen über Mental Load sprechen, können wir das Problem des Mental Loads entstigmatisieren und die Rahmenbedingungen für Betroffene verbessern. Dazu zählen familienfreundlichere Arbeitsstrukturen, politische Maßnahmen zur Unterstützung – und auch ehrliche Debatten in der Gesellschaft.  pm/tok