Wenn das Coronavirus über allem schwebt und Infizierte mit Long Covid lähmt und bedrückt, dann kann man diesem komplexen Krankheitsbild nur mit einer gezielten und koordinierten Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Therapeuten unterschiedlichster Fachbereiche des ambulanten und stationären Settings begegnen. Foto: pilli/stock.adobe.com
Long-COVID-Forschungsprojekt: Komplexes Krankheitsbild erfordert interdisziplinäre Zusammenarbeit
Welche Versorgungsstrukturen sind für Long-COVID-Betroffene geeignet? Wie kann die medizinische Versorgung diesbezüglich weiter verbessert werden? Mit diesen Fragen setzte sich das „Modellprojekt adaptive, sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung Long-/Post-COVID-Syndrom in Baden-Württemberg (SEVEN-PCS)“ der vier Universitätskliniken des Landes auseinander.
Die Ergebnisse des vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration mit rund zwei Millionen Euro geförderten Projekts liegen nun vor.
Long Covid erfordert strukturierte, komplexe Behandlung
Zusammengefasst lässt sich sagen: Long COVID ist ein komplexes Krankheitsbild und erfordert eine gezielte und koordinierte Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und Ärzten sowie Therapeutinnen und Therapeuten unterschiedlichster Fachbereiche des ambulanten und stationären Settings.
„Nur wenn alle Professionen strukturiert zusammenarbeiten, gelingt eine patientenzentrierte und effektive medizinische Versorgung. Diese sektorenübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit kann sowohl in Präsenz als auch über eine telemedizinische Behandlung erfolgen. Letztere ist besonders wichtig, da Betroffene oftmals zu schwach sind, um eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen“, sagte Landesgesundheitsminister Manne Lucha in Stuttgart. Die Bandbreite der Long-COVID-Symptome ist groß. Die Betroffenen haben deshalb sehr unterschiedliche Bedarfe in der Versorgung.
Das Wissen um Long Covid bedarf neuer Erkenntnisse
Da es noch kaum wirklich spezifische Therapieansätze gibt, zielt die Behandlung darauf ab, die Symptome der Erkrankung zu lindern und die Gesundheits-Ressourcen der Betroffenen zu stärken. Gleichzeitig werden die Therapien kontinuierlich an den jeweils aktuellen Wissensstand angepasst.
„Deshalb ist es so wichtig, dass das Wissen über Long COVID erweitert und die Behandlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten verbreitet werden. Ich bin unseren Universitätskliniken sehr dankbar für ihre wichtige Arbeit und bin froh, dass wir das Projekt SEVEN-PCS mit rund zwei Millionen Euro aus Landesmitteln fördern konnten“, so Lucha weiter. „Die Betroffenen und Ihre Familien sollen wissen, dass sie nicht alleingelassen werden.“
Komplexe Krankheitsbilder erfordern neues Management von Krankheiten
Die vier landeseigenen baden-württembergischen Universitätskliniken, namentlich die universitären Post-COVID-Ambulanzen und allgemeinmedizinischen Institute Heidelberg, Freiburg, Tübingen und Ulm, haben das Modellprojekt zwei Jahre lang durchgeführt. In der digitalen Abschlussveranstaltung, an der in dieser Woche auch Gesundheitsminister Lucha teilnahm, stellten die Forscher ihre Ergebnisse mehr als 500 Teilnehmern vor und standen für Fragen zur Verfügung.
Das Hauptziel von SEVEN-PCS, das aus sieben Projektbausteinen bestand, war die Entwicklung eines gestuften Versorgungskonzepts für Post‑CO‑ID‑Betroffene. Der Forschungsverbund hat Empfehlungen erarbeitet, wie eine ganzheitliche Behandlung und Versorgung mit Anbindung in der Hausarztpraxis und bedarfsorientierter Einbindung weiterer Akteure auf- und ausgebaut werden kann.
Die Übertragbarkeit der Ergebnisse, insbesondere auf die Versorgung von Patienten mit Chronischem Erschöpfungssyndrom (ME/CFS), war ein weiteres übergeordnetes Ziel des Modellprojekts.
Hohe Rate an betroffenen Erwachsenen und Kindern
Etwa 10 Prozent der erkrankten Erwachsenen und 2 bis 4 Prozent der erkrankten Kinder könnten Studien zufolge mit längerfristigen Problemen zu kämpfen haben. Wie man Long COVID am besten behandelt, ist aber längst noch nicht hinreichend erforscht. Der Projektverbund arbeitet daran, die Erkenntnisse zur Behandlung und Versorgung schnellstmöglich in die ambulante Versorgung zu überführen und die erprobten Strukturen weiter zu etablieren.
Ein Erfolg ist, dass sich an Seven-PCS drei weitere mit insgesamt rund 15 Millionen Euro geförderte Forschungsprojekte anschließen. Zwei davon werden über den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert.
Unter anderem sollen künftig drei regionale Versorgungsnetzwerke, in denen sich Ärzte (Allgemeinmedizin, Pneumologie, HNO) und Therapieberufe (Psychologie, Physiotherapie, Ergotherapie) sowie Patientenvertreter austauschen und vernetzen, als Vorbild für weitere Netzwerke im Land dienen. Dabei unterstützt auch die im Rahmen des Projekts entwickelte Onlineplattform, die Behandler, Betroffene und Angehörige über das Krankheitsbild Long COVID informiert und wissenschaftlich fundierte Informationen zusammenstellt.
Weitere Informationen erhalten Interessierte auf der Projekt-Website: https://knpc-bw.de/