E-Zigarette und Tabakzigarette / Weiterer Text über ots und www.presseportal.de/nr/150683 / Die Verwendung dieses Bildes für redaktionelle Zwecke ist unter Beachtung aller mitgeteilten Nutzungsbedingungen zulässig und dann auch honorarfrei. Veröffentlichung ausschließlich mit Bildrechte-Hinweis.

Leben mit der Nikotinsucht: Wem nützt das Aromaverbot und wie schützt man Jugendliche?

Leben ohne Sucht ist das primäre Ziel – doch dies schaffen viele Rauchende nicht. Für sie ist das Leben in Abhängigkeit eine Realität. Daher thematisierte die Thrombose Initiative e.V. unter Mitwirkung von Martin Storck, Lion Shahab und Knut Kröger bei in einer Sitzung auf der 130. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden die Alternativen zum Zigarettenkonsum.

Verbrennungsfreie nikotinfreisetzende Produkte wären für die Rauchenden, die den Rauchstopp nicht schaffen, eine Möglichkeit, zumindest ihre Schadstoffexposition bedeutend zu reduzieren. Auch wenn der sogenannte Dual-Use, also das Nebeneinander von Verbrennungszigaretten und E-Zigaretten, oft als gefährlich angesehen wird, ebnet jede Verbrennungszigarette, die nicht konsumiert wird, effektiv den Weg in die Schadstoffreduktion. Die Schädlichkeit von E-Zigaretten wird häufig an ihrem Effekt auf die flussmediierte Vasodilatation (FMD – die prozentuale Veränderung des Gefäßdurchmessers durch strömungsbedingte Scherkräfte) der Gefäße festgemacht. Hier werden aber meist nur kurzfristige Effekte gemessen, die nicht den langfristigen Schaden voraussagen.

Sucht bekämpft man nicht mit Verboten

Die Attraktivität, die E-Zigaretten offenbar für Jugendliche haben, werden zum Teil auf enthaltene Aromen zurückgeführt, weshalb ein generelles Verbot dafür gefordert wird, das für Verbrennungszigaretten und Tabakerhitzer bereits gilt. Lion Shahab, Leiter des Department of Behavioural Science and Health des University College London stellte dazu auf der 130. Jahrestagung der DGIM erste Untersuchungen aus den USA von der Yale School of Public Health vor. Danach reagieren junge Erwachsene, die aromatisierte E-Zigaretten nutzen, unterschiedlich auf ein Verbot von E-Zigaretten-Aromen. Bei einem realen Verbot ist die zweithäufigste Reaktion derjenigen, die ausschließlich E-Zigaretten nutzen, auf das Rauchen von Verbrennungszigaretten umzusteigen.

Dies kann nicht im Sinne der definierten gesundheitspolitischen Ziele sein. Alle Maßnahmen, die junge Menschen vom Einstieg in das Tabakrauchen abhalten, sind unterstützenswert. Eine Sucht mit einem einfachen Verbot zu bekämpfen, scheint so nicht zu funktionieren.

Regelmäßige Dampfer bevorzugen fruchtige, süße Aromen

Eine Arbeitsgruppe der Ohio State University schreibt in einer aktuellen Publikation: „Verbote von E-Zigaretten mit Nicht-Tabak-Aromen einschließlich Menthol, können dazu führen, dass Produkte, die von Erwachsenen […] bevorzugt werden, nicht mehr zur Verfügung stehen.“ Wenn solche E-Zigaretten für daran gewöhnte Verbraucher nicht mehr erhältlich sind, könnte dies dazu führen, dass sie auf unsichere Produkte vom Schwarzmarkt zurückgreifen oder auf herkömmliche Tabakzigaretten umsteigen.

Dazu passen auch die Ergebnisse von Gravely et al. von der University of Waterloo, Ontario in Kanada. Sie berichten, dass die Mehrheit der regelmäßigen Dampfer in Kanada und den USA Nicht-Tabak-Aromen verwendet. Die Zufriedenheit mit dem Dampfen und die Attraktivität von Frucht- und Süßigkeitenaromen sind bei diesen Nutzern ausgeprägter.

Ist ein Aromaverbot sinnvoll?

Obwohl es nicht den Anschein hat, dass bestimmte Geschmacksrichtungen zu einer größeren Bereitschaft führen, mit dem Rauchen aufzuhören, sind tabakfreie Geschmacksrichtungen bei ehemaligen Rauchern beliebt, die jetzt ausschließlich E-Zigaretten konsumieren. Künftige Forschungsarbeiten sollten die wahrscheinlichen Auswirkungen eines Verbots von Aromen auf diejenigen ermitteln, die E-Zigaretten nutzen, um mit dem Rauchen aufzuhören oder gleich ganz abstinent zu bleiben. Der Zwiespalt zwischen Jugendschutz und Raucherentwöhnung muss auch in Deutschland diskutiert werden und die Auswirkung eines Aromaverbots auf beide Aspekte sollte untersucht werden.

E-Zigaretten: Jugendschutz und Rauchstopp

E-Zigaretten und verwandte Produkte, wie Tabakerhitzer und Nikotinbeutel, werden in Deutschland gerne von zwei scheinbar unvereinbaren Seiten her beleuchtet. Für die Einen steht der Schutz jugendlicher Nichtraucher vor dem Einstieg in den Nikotinkonsum ganz im Vordergrund, die Anderen betonen die Rolle von E-Zigaretten beim Rauchstopp. Diese Sichtweise führt in ihrer undifferenzierten Vereinfachung letztlich in das klassische Dilemma der Abwägung. Dies ist falsch. Der Schutz von jugendlichen Nichtrauchern muss genauso im Fokus stehen, wie Hilfestellungen für die durch Folgeerkrankungen besonders gefährdeten erwachsenen Langzeitraucher.

Mittlerweile gibt es ausreichend überzeugende Daten dafür, dass E-Zigaretten beim Ausstieg aus dem Zigarettenrauchen helfen können. Ein Cochrane-Review von 2023 beschreibt eine hohe Evidenz dafür, dass E-Zigaretten mit Nikotin (OR 2,37) helfen, eine Zigarettenabstinenz zu erreichen. Diese Evidenz ist höher als die für Nikotinersatzprodukte, für die es ebenfalls eine Evidenz (OR 1,37) gibt. Laut dem Bundesministerium für Gesundheit rauchen in Deutschland immer noch 23,8 % aller Frauen und Männer ab 18 Jahren. Davon ist die Mehrzahl für den Rauchstopp nicht motiviert. Daher sollten alle Möglichkeiten dafür genutzt werden, dass diese Menschen den Ausstieg schaffen.

Zur Versachlichung der Debatte

Das Jugendalter ist eine kritische Phase für die Entwicklung von Substanzkonsumstörungen. Laut einer Langzeitauswertung der DAK-Gesundheit ist die E-Zigarette bei Schulkindern im Jahr 2023 erstmals die Einstiegsdroge Nummer Eins für eine Nikotinsucht. So hat fast jeder und jede Vierte schon einmal eine E-Zigarette probiert (23,5 %) und mindestens einmal im Monat dampfen 7 % der Schulkinder; klassische Zigaretten rauchen 5,9 % und Wasserpfeife 3,2 %. Die Daten der DAK-Gesundheit basieren auf einer recht großen Anzahl von Jugendlichen und beim darauf aufbauenden sogenannten „Gesundheitsradar“ wird von der E-Zigarette als Einstiegsdroge gesprochen. Allerdings beschreibt die Studie eher die Neugier der Jugendlichen und weiß nichts über das Abhängigkeitsverhalten.

Eine Arbeit zum Abhängigkeitsverhalten von Arnaud et al. vom Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters in Hamburg beschreibt an einer Stichprobe von 4001 Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren, dass 11,2 % der Untersuchten Kriterien für mindestens eine der abgefragten Substanzkonsumstörungen aufweisen. Dabei stehen Alkoholkonsumstörungen mit einer Prävalenzrate von 10,1 % ganz im Vordergrund, gefolgt von Cannabiskonsumstörungen mit 2,6 %. Die Prävalenz der Zigarettenabhängigkeit lag bei 1,7 %, während die Prävalenz der E-Zigarettenabhängigkeit nur 0,1 % betrug.

Um passgenaue Maßnahmen zum Schutz der Jugend vor den am weitesten verbreiteten Abhängigkeiten zu entwickeln, lohnt sich ein Blick hinter reine Prävalenzen der Nutzung. Daher ist es wichtig, dass zukünftige Studien, wie die der DAK-Gesundheit oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), auch Abhängigkeitsmerkmale, wie zum Beispiel die tägliche Nutzung, mit abfragen. Dadurch kann die Debatte bei diesem immens wichtigen Thema versachlicht werden.    pm