Einheimische Zecken können schon Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und Borreliose übertragen, mit der eingewanderten Hyalomma-Zecke Krim-Kongo kommt nun noch das Hämorrhagische Fieber (CCHF) hinzu. Foto: Heiko Barth/stock.adobe.com

Klimakrise bringt neue Infektionskrankheiten durch Tigermücke, Riesenzecke & Co. 

Die Klimakrise fördert Infektionskrankheiten, steigert das Risiko für Zoonosen und Pandemien und gefährdet damit die Gesundheit von Millionen Menschen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Ausbreitung ehemals exotischer Überträger: Tropische Mücken und Zecken fühlen sich mittlerweile auch in Deutschland wohl – und werden gefährlich für den Menschen.

Das Risiko für große Infektionsgeschehen betrifft vor allem unsere Gesundheit, aber auch die Wirtschaft und viele andere Gesellschaftsbereiche. Höchste Zeit, uns auf diese neuen Risiken vorzubereiten, wie der Medienservice Klima & Gesundheit der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen (GEGM) vermeldet.

Nicht der weiße Hai, sondern die Stechmücke ist das gefährlichste Tier der Welt, aufgrund der durch sie übertragenen Krankheiten. Etwa 3500 Stechmückenarten gibt es weltweit, hierzulande sind es rund 50, Tendenz steigend. Auch das Risiko, in Deutschland durch eine Stechmücke mit einer Infektionskrankheit angesteckt zu werden, steigt: Die Tigermücke überwintert dank Klimaerwärmung mittlerweile sogar in Berlin und auch die auffällig große Zeckenart Hyalomma breitet sich bei uns aus.

Gestreift und gefährlich: die Asiatische Tigermücke. Foto: gordzam/stock.adobe.com

Steckbrief Asiatische Tigermücke

  • Stechmücke, Ursprung: süd- und südostasiatischen Tropen und Subtropen
  • Ursprünglich als blinde Passagierin auf LKW-Planen eingereist
  • Kann verschiedene Krankheitserreger wie Fadenwürmer (Dirofilarien) und schätzungsweise 20 Viren, darunter Dengue-, Chikungunya- und Zika-Viren, übertragen
  • Profitiert von der Klimakrise in Deutschland: Heiße Sommer, milde Winter, selbst extreme Trockenheit scheinen ihr bei der Ausbreitung zu helfen
  • Gilt als besonders aggressiv und sticht anders als heimische Arten nicht nur in der Dämmerung

Die große Hyalomma-Jagdzecke kann ihre Opfer in schnellem Tempo verfolgen. Foto: deZiGN/stock.adobe.com

Steckbrief Hyalomma Zecke

  • Große Jagdzecke, Ursprung: Afrika, Asien sowie Süd- und Osteuropa
  • Orientiert sich anders als heimische Arten über Sicht, kann ihre Opfer in schnellem Tempo verfolgen
  • Mit Zugvögeln eingereist, hat 2019 offenbar das erste Mal in Deutschland überwintert
  • Nachweise der Tiere gibt es aus Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen

Klimakrise kann einheimische Stechmücken gefährlicher machen

Tigermücke und Hyalomma-Zecke sind potenzielle Überträger von Erkrankungen wie Dengue-, Chikungunya- und Krim-Kongo-Fieber. Bislang konnten die oben genannten Krankheiten hierzulande nur verbreitet werden, wenn die Überträger zuvor eine eingereiste infizierte Person gestochen hatten. Auf diese Weise ist es in Europa schon zu Ausbrüchen unter mehreren Hundert Menschen gekommen, wie etwa bei dem Chikungunya-Ausbruch 2017 in Italien durch Tigermücken.

Laut der Universität Hohenheim aber trägt die Hälfte der in Deutschland gefundenen Hyalomma-Zecken den Erreger des Zecken-Fleckfiebers in sich. 2019 kam es zu einer Übertragung auf einen Pferdehalter aus Nordrhein-Westfalen, der allerdings erfolgreich mit Antibiotika behandelt werden konnte.

In der Klimakrise können aber auch unsere bislang harmlosen heimischen Mücken zur Bedrohung werden: Es ist davon auszugehen, dass zum Beispiel das West-Nil-Virus aufgrund der steigenden Temperaturen in Deutschland in einheimischen Stechmücken hierzulande überwintert. Im Sommer 2022 warnte der damalige Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, sogar vor der Rückkehr der Malaria. Mehr als die Hälfte der bekannten Krankheiten, die auch den Menschen befallen, können durch den Klimawandel verschlimmert werden.

Grafik: Robert-Koch-Institut (RKI)

2023 ist ein Zecken-Rekordjahr

Auch das Infektionsrisiko durch heimische Zecken hängt stark von Klima- und weiteren Umweltfaktoren ab. So ist das Jahr 2023 ein Rekordjahr auch für die heimischen Zecken – laut Professor Gerhard Dobler, Virologe am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München, hänge das wahrscheinlich damit zusammen, dass die Zecken durch den milden Winter früher aktiv sind. Außerdem tragen viele der gefundenen Zecken das FSME-Virus in sich, was jeweils von der Mäusepopulation abhängt. Je weniger Mäuse, desto mehr Zecken auf einer einzelnen Maus – auf diese Art könne das Virus auf mehr Zecken übertragen werden.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat die Anzahl der sogenannten FSME-Risikogebiete 2023 um drei neue Risikogebiete erweitert. Derzeit gelten 178 Kreise als FSME-Risikogebiete. Im Jahr 2022 waren es 546 FSME-Erkrankungen. Das entspricht einem Anstieg von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr (421 FSME-Erkrankungen). Die Mehrzahl (98 Prozent) der 2022 übermittelten FSME-Erkrankten hatte keinen oder unvollständigen Impfschutz oder die Auffrischimpfungen fehlten. Das Infektionsrisiko ist auch außerhalb der Risikogebiete nicht gleich Null.  

Mäuse bringen Hantaviren

Auch das Infektionsrisiko durch Nagetiere wird vom Klimawandel beeinflusst, wie der aktuelle Sachstandbericht des Robert-Koch-Instituts zu Klimawandel und Gesundheit zeigt. Besonders relevant ist hier die Erregergruppe der Hantaviren. Zur Infektion kommt es etwa beim Fegen von Garage oder Keller durch das Einatmen von Staub, der durch Kot, Urin oder Speichel infizierter Tiere kontaminiert ist. Auch wenn verletzte Haut mit kontominierten Gegenständen in Kontakt kommt, kann es zu einer Infektion kommen, selten auch durch Bisse.

Die Verbreitung von Hantaviren in Deutschland ist regional unterschiedlich. Mindestens neun verschiedene Hantaviren kommen hierzulande in verschiedenen Mäusearten vor, die meisten Erkrankungsfälle werden durch das Puumala-Orthonavirus (PUUV) verursacht. Als häufigste Überträgerin gilt die Rötelmaus, deren Populationsdichte Schwankungen unterliegt, was das Infektionsrisiko für den Menschen beeinflusst.

Ein wesentlicher Faktor wiederum für die Populationsdichte der Rötelmaus sind die Mastjahre von Buchen, in denen die Bäume besonders viele Fruchtkörper ausbilden. Der Klimawandel hat die Frequenz dieser Mastjahre offenbar gesteigert – sodass es mittlerweile alle zwei bis drei Jahre zur Massenvermehrung der Rötelmaus und damit erhöhtem Infektionsrisiko für Menschen kommt.

Krankheiten und ihre tierischen Überträger

Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

Übertragung: Zecken übertragen das Virus auf den Menschen. Eine Infektion von Mensch zu Mensch findet nicht statt.

Symptome: 1. Phase: Grippeähnliche Beschwerden. 2. Phase:  Bei manchen Menschen entwickeln sich nach etwa einer Woche Entzündungen der Hirnhäute und des Gehirns. Auch eine Rückenmarksentzündung kann auftreten. Die Mehrheit der Infizierten (ca. 70 bis 95 %) hat aber keine Beschwerden.

Häufigkeit: Im Jahr 2022 wurden insgesamt 546 FSME-Erkrankungen gemeldet und damit 30 % mehr als im Vorjahr (421 FSME-Erkrankungen). Vermutlich ist die Dunkelziffer bei FSME-Erkrankungen hoch.

Impfschutz: STIKO empfiehlt eine FSME-Impfung für Personen, die in FSME-Risikogebieten zeckenexponiert sind.

Borreliose

Übertragung: Zecken übertragen den bakteriellen Erreger auf den Menschen. Es ist keine direkte Ansteckung von Mensch zu Mensch möglich.

Symptome: Die meisten Infektionen mit Borrelien verlaufen unbemerkt. Beschwerden sind oft diffus und schwer zuzuordnen. Typisch für die Infektion mit Borrelien ist die sogenannte Wanderröte (Erythema migrans), die bei 90 % der Fälle auftritt.

Häufigkeit: Borreliose ist nicht bundesweit meldepflichtig, die Datenlage daher dürftig. Ob Zecken Borrelien in sich tragen, ist regional sehr unterschiedlich, kann aber bis zu 30 % betragen. Vermutlich ist die Dunkelziffer hoch. 2021 waren deutschlandweit 325.000 gesetzlich Versicherte aufgrund von Borreliose in vertragsärztlicher Behandlung.

Impfschutz: Kein Impfstoff.

West-Nil-Virus

Übertragung: Stechmücken können das Virus auf den Menschen übertragen. Hauptvektor in Deutschland ist die Culex-Mücke. Eine Übertragung der Mutter auf das Kind, etwa durch Muttermilch oder auch eine Übertragung durch Blutprodukte und Spenderorgane, ist möglich, aber sehr selten.

Symptome: Bei etwa 20 % der Infizierten tritt eine fiebrige, grippeähnliche Erkrankung auf, die etwa 3 bis 6 Tage andauert. Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 14 Tage. Die Krankheitssymptome erscheinen abrupt, mit Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen. Etwa 1 % der Infizierten erkrankt schwer. Ein großer Teil der Infizierten zeigt keine Symptome.

Häufigkeit: Seit 2019 werden einzelne Erkrankungsfälle in Ostdeutschland verzeichnet. Infektionen mit dem West-Nil-Virus sind meldepflichtig, aber verlaufen meistens ohne Symptome.

Impfschutz: Kein Impfstoff.

Dengue-Fieber

Übertragung: Die Asiatische Tigermücke überträgt das Virus auf den Menschen. Seltene Fälle von Mutter-Kind-Ansteckung in der Schwangerschaft sind bekannt, ebenso über Blutprodukte, Transfusionen oder Organspenden.

Symptome: Die meisten Infektionen verlaufen ohne Symptome oder die Infektion geht mit leichten Symptomen einher. Bei einer Sekundärinfektion kann sich aber auch eine schwere Erkrankung mit Blutungen entwickeln (Dengue Hämorrhagisches Fieber, DHF). Unbehandelt kann die Krankheit zum Tod führen.

Häufigkeit: Bislang keine autochthonen Fälle in Deutschland bekannt.

Impfschutz: Es gibt einen zugelassenen Impfstoff.

Chikungunya-Fieber

Übertragung: Die Asiatische Tigermücke überträgt das Virus auf den Menschen. Selten gibt es auch Übertragungen über Blutkontakt oder in der Schwangerschaft von Mutter auf Kind.

Symptome: Die Krankheit zeigt sich nach 7 bis 9 Tagen nach dem Stich durch schnell ansteigendes hohes Fieber, starke Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Kopfschmerzen, manchmal begleitet von Hautausschlag. Die meisten Fälle verlaufen ungefährlich, bei bereits Geschwächten wurden teilweise schwere Verläufe beobachtet.

Häufigkeit: Bislang keine autochthonen Fälle in Deutschland bekannt.

Impfschutz: Ein Impfstoff ist im Zulassungsverfahren.

Krim-Kongo Hämorrhagisches Fieber (CCHF)

Übertragung: Die Übertragung erfolgt durch den Stich von Zecken, insbesondere Hyalomma-Zecken. Das Virus kann auch direkt von Mensch zu Mensch übertragen werden. Dies scheint aber vorrangig durch Kontakt der Schleimhäute mit Blut, durch Schnittverletzungen und Nadelstichverletzungen zu erfolgen.

Symptome: Grippeähnliche Symptome treten auf; plötzliches Fieber, schwere Myalgien, Unwohlsein und gastrointestinale Symptome. Häufig treten großflächige Blutungen in späteren Stadien der Erkrankung auf und führen zu einer hohen Sterblichkeitsrate.

Häufigkeit: Bislang keine autochthonen Fälle in Deutschland bekannt.

Impfschutz: Kein Impfstoff.

Deshalb steigt das Risiko für Zoonosen global

Die Klimakrise erhöht das Risiko für Infektionskrankheiten nicht nur durch die Ausbreitung übertragender Tierarten. Zahlreiche Krankheitserreger können sowohl Menschen als auch Tiere infizieren. Infektionskrankheiten, die durch solche Erreger ausgelöst werden, nennt man Zoonosen. Inzwischen sind mehr als 200 Zoonose-Erreger bekannt.

Hinzu kommt aber eine große Dunkelziffer von Erregern mit diesem Potenzial. Laut Schätzungen im Rahmen des Global Virome Project, einer internationalen Initiative zur Erforschung von Viren, existiert ein Pool von etwa 1,67 Millionen Viren, die in Säugetieren und Vögeln zirkulieren. Etwa die Hälfte davon könnte auf den Menschen überspringen. Auch das Coronavirus, das zum Ausbruch der COVID-19-Pandemie 2019/2020 führte, ist mit großer Wahrscheinlichkeit solchen Ursprungs. 

Klimakrise und Biodiversitätskrise befeuern das Risiko für Zoonosen auf verschiedene Arten:

  • Tausende Tierarten verlassen ihre angestammten Lebensräume, das Risiko für Ansteckung anderer Individuen oder anderer Arten steigt.
  • Geschwächte und gestresste Tiere sind anfälliger für Infektionen.
  • Über den Wildtierhandel gelangen mehr infizierte Tiere näher an uns Menschen.
  • Anfang 2023 erhärten Genspuren den Verdacht, dass die Corona-Pandemie tatsächlich bei infizierten Marderhunden auf dem Markt von Wuhan ihren Ursprung nahm.
  • Überträger wie Stechmücken profitieren von Extremwettern wie Überschwemmungen, erobern durch Erwärmung neue Lebensräume.
  • Die Mehrzahl (98 Prozent) der 2022 übermittelten FSME-Erkrankten hatte keinen oder unvollständigen Impfschutz oder die Auffrischimpfungen fehlten.
  • Je wärmer es wird, desto besser vermehren sich viele Krankheitserreger in Mücken oder Zecken.
  • Wenn Permafrostböden tauen, können jahrtausendealte Viren freigesetzt werden.
  • Die Anzahl von Infektionen mit Erregern wie den Nicht-Cholera-Vibrionen nimmt in wärmer gewordenen Badegewässern zu. Auch wenn die jährlichen Fallzahlen hier bislang noch gering sind.
  • Neben höheren Temperaturen steigern auch extreme Niederschläge und Wasserknappheit
  • Infektionsrisiken, etwa weil die Kanalisation überläuft oder aber weil die Landwirtschaft auf behandeltes Abwasser zurückgreifen muss und dadurch Lebensmittel mit Erregern kontaminiert sein können.

INFO: Der Medienservice Klima & Gesundheit wird bereitgestellt von der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen (GEGM). GEGM ist eine im März 2020 von Dr. Eckart von Hirschhausen gegründete gemeinnützige Organisation und wird von der Stiftung Mercator unterstützt.