Australische Forscher schätzen, dass ein durchschnittlicher Erwachsener bis zu 5 Gramm Mikroplastik pro Woche aufnimmt – das entspricht etwa dem Gewicht einer Kreditkarte. In einer Flasche Mineralwasser können bis zu 300 Mikroplastikpartikel enthalten sein. Foto: Pixel-Shot/stock.adobe.com

Kleine Teilchen, große Gefahr: Wie Mikroplastik in Blut, Lunge, Darm und Gehirn den Menschen krank macht

Plastik begleitet unseren Alltag: in Verpackungen, Kleidung, Kosmetika oder Autoreifen. Doch ein Teil davon ist so klein, dass wir es kaum wahrnehmen – und dennoch ist Mikroplastik allgegenwärtig. Winzige Kunststoffpartikel kleiner als fünf Millimeter gelangen in Böden, Flüsse, Meere – und schließlich auch in unsere Körper.

Was ist Mikroplastik?

Der Begriff Mikroplastik umfasst feste, unlösliche Kunststoffteilchen, die entweder absichtlich industriell hergestellt werden (primäres Mikroplastik) oder durch Zersetzung größerer Kunststoffteile entstehen (sekundäres Mikroplastik). Zu den häufigsten Materialien zählen Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyethylenterephthalat (PET) und Polystyrol (PS).

In welchen Produkten steckt Mikroplastik?

Mikroplastik wird in vielen Alltagsprodukten bewusst eingesetzt – etwa als Schleifkörper in Peelings und Zahnpasten, als Bindemittel in Make-up oder Trägerstoff in Reinigungsmitteln. Auch synthetische Textilfasern wie Polyester, Nylon oder Acryl verlieren bei jedem Waschgang winzige Fasern, die über das Abwasser in die Umwelt gelangen. Eine kaum beachtete Quelle ist der Abrieb von Autoreifen: Bei jeder Fahrt lösen sich Partikel, die in Regenwasser und Luft gelangen. Laut Umweltbundesamt ist dies einer der größten Einzelverursacher von Mikroplastik in Deutschland.

Wie gelangt Mikroplastik in die Umwelt?

Einmal in der Natur, zersetzt sich Plastik nur sehr langsam – je nach Typ über Jahrhunderte. Durch Sonne, Wind und Wellen werden größere Stücke immer weiter zermahlen, bis sie mikroskopisch klein sind. In Kläranlagen wird zwar ein Großteil herausgefiltert, doch ein erheblicher Anteil gelangt über Abwässer, Regenrückstände oder Deponien in Böden und Gewässer.

Gut zu wissen…

Wie lagert sich Mikroplastik ab und welche Folgen hat das?

  • In Gewässern: Mikroplastik treibt in Flüssen, Seen und Ozeanen. Es wird von Plankton, Muscheln und Fischen aufgenommen und wandert so die Nahrungskette hinauf.
  • Im Boden: Klärschlämme, die als Dünger verwendet werden, enthalten winzige Kunststoffreste. Diese lagern sich im Erdreich ab und können die Bodenstruktur verändern.
  • In der Luft: Forscher haben Mikroplastik in Schneeproben aus den Alpen und selbst in entlegenen Polarregionen gefunden. Die Teilchen werden über Windströmungen weltweit verteilt.

Noch sind viele Wirkungen auf Menschen nicht abschließend erforscht. Studien zeigen jedoch, dass Mikroplastik Entzündungsreaktionen, Zellstress und hormonähnliche Effekte auslösen kann. In Meerestieren blockieren die Partikel häufig die Verdauung oder reichern Schadstoffe an. Forscher vermuten, dass der Mensch über Nahrung, Trinkwasser und Atemluft jährlich mehrere zehntausend Partikel aufnimmt.

Was lässt sich dagegen tun?

Politik und Industrie haben reagiert: Die EU plant ein schrittweises Verbot absichtlich zugesetzten Mikroplastiks in Kosmetika, Reinigungs- und Düngemitteln. Auch Verbraucher können beitragen – etwa durch:

  • den Kauf von Naturkosmetik ohne synthetische Polymere,
  • Kleidung aus Naturfasern (zum Beispiel Baumwolle, Wolle, Leinen),
  • den Einsatz von Mikroplastik-Filtern bei Waschmaschinen,
  • bewussteren Konsum und längere Produktnutzung.

Wo lagert sich Mikroplastik im Menschen ab?

Neuere Studien zeigen, dass Mikroplastikpartikel tatsächlich in verschiedenen Organen und Geweben des menschlichen Körpers nachweisbar sind. Am häufigsten wurden sie gefunden in:

  • Lunge: Über die Atemluft eingeatmete Partikel (v. a. aus Reifenabrieb oder Textilfasern) können sich tief in den Bronchien ablagern.
  • Darm: Über Nahrung, Wasser und Meeresfrüchte gelangen Kunststoffe in den Verdauungstrakt; dort haften sie an Schleimhäuten oder werden ausgeschieden.
  • Leber, Milz, Niere: Untersuchungen von Biopsien zeigen, dass kleinste Partikel (Nanoplastik < 1 µm) die Darmwand durchdringen und über den Blutkreislauf Organe erreichen können.
  • Plazenta und Blut: Mikroplastik wurde bereits in menschlichem Blut und in Plazentaproben nachgewiesen – ein Hinweis darauf, dass es systemisch im Körper zirkulieren kann.

„Wir haben Mikroplastik in Blut, Plazenta und Lunge gefunden – und müssen davon ausgehen, dass kein Organ völlig frei davon bleibt.“
Prof. Dick Vethaak
, Umwelttoxikologe, Universität Amsterdam (2023)

Wie viel Mikroplastik nimmt der Mensch jährlich auf?

Die Zahlen schwanken je nach Region, Ernährungsgewohnheiten und Luftbelastung. Forscher der University of Newcastle (Australien) schätzen, dass ein durchschnittlicher Erwachsener bis zu 5 Gramm Mikroplastik pro Woche aufnimmt – das entspricht in etwa dem Gewicht einer Kreditkarte. Umgerechnet sind das:

  • etwa 250 Gramm bis 300 Gramm pro Jahr,
  • oder 100.000 bis 120.000 einzelne Partikel jährlich,

die über Nahrung, Trinkwasser und Atemluft in den Körper gelangen.

Grafik: Kurtz/Stegh – KI-generiert

Kann Mikroplastik die Blut-Hirn-Schranke überwinden?

Erste experimentelle Hinweise deuten darauf hin, dass Nanoplastik (Partikel kleiner als 1 Mikrometer) die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Eine Studie der Universität Amsterdam (2023) zeigte, dass Polystyrol-Nanopartikel bei Mäusen innerhalb von Stunden ins Gehirn gelangten und dort Entzündungsprozesse im Nervengewebe auslösten.

Auch bei menschlichen Autopsien wurden winzige Kunststoffrückstände in Hirnregionen gefunden, die mit neurodegenerativen Erkrankungen assoziiert sind. Noch ist unklar, wie häufig und in welchem Ausmaß dies geschieht, aber es gilt als biologisch plausibel, dass Nanoplastik durch Zellmembranen und Barrieren diffundieren kann.

Welche Erkrankungen kann Mikroplastik auslösen?

Klar ist: Mikroplastik selbst ist chemisch meist inert, also nicht reaktionsfreudig. Doch Mikroplastik bindet Schadstoffe wie PCB, Dioxine oder Schwermetalle – und bringt diese in empfindliche Gewebe. Die Forschung steckt noch am Anfang, doch es gibt mehrere mögliche Zusammenhänge:

BereichMögliche Wirkung / Erkrankung
LungeReizungen, chronische Entzündungen, potenziell erhöhtes Krebsrisiko durch Dauerexposition
DarmMikroentzündungen, veränderte Darmflora, Reizdarmsymptome
Blut und OrganeOxidativer Stress, Beeinträchtigung der Leber- und Nierenfunktion
HormonsystemEinige Kunststoffe (zum Beispiel Weichmacherreste) wirken hormonähnlich und können Stoffwechsel oder Fruchtbarkeit beeinflussen
NervensystemMögliche Beteiligung an neurodegenerativen Prozessen (zum Beispiel Alzheimer-ähnliche Proteinablagerungen in Tiermodellen)

Wie bekommt man Mikroplastik wieder aus dem Körper?

Ein gezielter medizinischer Entgiftungsprozess existiert bislang nicht. Der Körper kann größere Partikel (über 10 Mikrometer) in der Regel nicht aufnehmen. Sie werden über Stuhl oder Schleim abtransportiert. Bei kleineren Partikeln gilt:

  • Leber und Niere können einen Teil über den Stoffwechsel ausscheiden.
  • Ballaststoffreiche Ernährung fördert den Abtransport im Darm.
  • Antioxidantien (z. B. aus Obst, Gemüse, Grüntee) wirken gegen Zellstress, den Mikroplastik verursachen kann.
  • Vermeidung ist der effektivste Schutz – also möglichst wenig Eintrag durch Trinkwasser, Verpackungen und Luft.

Langfristig wird an biologischen Filtern und Nanofängern geforscht, die Mikroplastik im Blut oder in Kläranlagen binden könnten – diese Verfahren sind aber noch experimentell. tok