„Egal ob gesüßte Erfrischungsgetränke oder Frühstücksflocken: Der Zuckergehalt in Lebensmitteln für Kinder ist immer noch zu hoch. Bei den Getränken ist er sogar teilweise gestiegen." Bundesernährungsminister Cem Özdemir beklagt das Verhalten der Lebensmittelindustrie bei Kinderprodukten. Foto: Waldemar Milz/stock.adobe.com

Industrie bewegt sich nicht: Zu viel Zucker, Fett und Salz in Kinderprodukten

In Fertigprodukten stecken noch immer zu viel Zucker, Fette und Salz. Dies gilt auch für Produkte mit Kinderoptik, die teilweise sogar mehr Zucker oder Fett enthalten als vergleichbare Produkte ohne Kinderoptik.

Das ist das Ergebnis eines Sonderberichts zu Produkten mit Kinderoptik auf Grundlage der unabhängigen, wissenschaftlichen Untersuchungen des Max-Rubner-Instituts (MRI) der letzten Jahre sowie des Produktmonitorings 2022 für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), für das rund 7000 Produkte untersucht wurden.

Lebensmittelindustrie erhöht teilweise die Zuckerwerte

Die aktuelle Analyse bewertet Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, mit deutlichen Worten: „Der heute vorgestellte Sonderbericht zum Anteil von Zucker, Fett und Salz in Nahrungsmitteln für Kinder ist ernüchternd. Über vier Jahre nach dem Start der Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie belegen die aktuellen Auswertungen des Max Rubner-Instituts erneut, dass die Lebensmittelindustrie kein wirkliches Interesse an der Veränderung ihrer Rezepturen zum Wohle der Kindergesundheit hat. Bestes Beispiel hierfür sind die bei Jungen und Mädchen beliebten Erfrischungsgetränke, bei denen die Zuckerwerte im Durchschnitt sogar wieder gestiegen sind.“

Und die AOK-Bundesvorstandsvorsitzende legt nach: „Die Ergebnisse sind ein weiterer Beleg dafür, dass wir im Kampf gegen ernährungsbedingte Krankheiten nicht mit Lippenbekenntnissen weiterkommen. Was es braucht, sind verpflichtende Reduktionsziele für die Produzenten. Darüber hinaus bedarf es schnellstmöglich weiterer Maßnahmen wie eine Beschränkung von an Kinder gerichteter Werbung für zuckerreiche und hochkalorische Lebensmittel.“

Erfrischungsgetränke und Cerealien viel zu süß

Wie das Produktmonitoring aus dem Herbst 2022 zeigt, sind die Zuckergehalte trotz Reduktionen bei bestimmten Lebensmitteln in gesüßten Milchprodukten, Frühstückscerealien und Erfrischungsgetränken sowie die Salz- und Fettgehalte in Suppen, Eintöpfen und Instantgerichten weiterhin hoch. Mit einem wissenschaftlichen Produktmonitoring dokumentiert das MRI regelmäßig die Veränderungen der Energie- und Nährstoffgehalte in den relevanten Lebensmittelgruppen und überprüft damit die Reduktionsbemühungen der Lebensmittelwirtschaft.

Wie die vertiefte Auswertung des Zuckergehalts von gesüßten Erfrischungsgetränken mit Kinderoptik zeigt, hat sich in den letzten fünf Jahren kaum etwas verändert. Im Gegenteil: Die besonders zuckerhaltigen Kindergetränke sind sogar noch zuckriger geworden. Seit 2019 ist das obere Viertel der Zuckergehalte von 7,4 g/100ml auf 8,4 g/100ml gestiegen. Das entspricht umgerechnet fast sechs Zuckerwürfeln in einem üblichen 200ml-Trinkglas.

Frühstückscerealien für Kinder enthalten mit 17 g Zucker pro 100 g im Durchschnitt sogar mehr Zucker als der Durchschnitt aller Frühstückscerealien (14,7g/100g). So entspricht der durchschnittliche Zuckergehalt von Flakes mit Kinderoptik beispielsweise mehr als vier Zuckerwürfeln in 100 g. Die Daten des Max-Rubner-Instituts zeigen darüber hinaus, dass deutlich weniger als die Hälfte der einbezogenen Produkte mit Kinderoptik die Kriterien des aktuellen Nährwertprofil-Modells der Weltgesundheitsorganisation erfüllen.

Besserer Kinderschutz braucht auch bessere Ernährung

„Egal ob gesüßte Erfrischungsgetränke oder Frühstücksflocken: Der Zuckergehalt in Lebensmitteln für Kinder ist immer noch zu hoch. Bei den Getränken ist er sogar teilweise gestiegen. Gerade in den Flakes mit lustiger und bunter Kinderoptik steckt oft mehr Zucker als in vergleichbaren Produkten für Erwachsene. Und leider ist es auch so, dass die Produkte, die besonders viel Zucker, Fette und Salz enthalten, uns oftmals besonders gut schmecken – und auch dazu verleiten, mehr davon zu essen, als es gut für uns ist“, sagt Bundesernährungsminister Cem Özdemir.

Sein Ziel: „Jedes Kind in Deutschland soll die Chance haben, gesund aufzuwachsen – und zwar unabhängig von dem Einkommen der Eltern, der Bildung oder der Herkunft. Deshalb kämpfe ich für einen besseren Kinderschutz und gute Ernährung. Gerade im Kindesalter wird das Ernährungsverhalten entscheidend für das weitere Leben geprägt.“

Ungünstige Kinderernährung fördert spätere Krankheiten

Prof. Pablo Steinberg, Präsident des Max Rubner-Instituts, ergänzt: „Von Beginn an stehen beim Produktmonitoring die Lebensmittel mit Kinderoptik im Fokus. Dies ist uns deshalb so wichtig, weil schon bei den Jüngsten durch ungünstige Ernährung die Grundlage für spätere ernährungsmitbedingte Erkrankungen gelegt wird.“

Es hat sich nicht wirklich viel verbessert

Für eine breite Datengrundlage zu an Kinder gerichteten Produkten wurden für eine Sonderauswertung auch frühere Erhebungen des Monitorings anderer Produktgruppen mit Kinderoptik erfasst. Hier zeigt sich, dass die erzielten Veränderungen bei den Energie- und Nährstoffgehalten bisher noch nicht ausreichen, um zu einer deutlichen Reduktion der durchschnittlichen Zucker-, Fett-, Salz- und Energieaufnahme bei Kindern beizutragen. In folgenden Fällen enthielten Produkte mit Kinderoptik sogar mehr Energie, Zucker oder Fett als vergleichbare Produkte ohne Kinderoptik bzw. die Gesamtstichprobe:

Kinder-Frühstückscerealien: Höherer medianer Zuckergehalt bei bestimmten Flakes und Knuspererzeugnissen (2022)

Kinder-Waffelgebäck: höchster medianer Fettgehalt (2021)

Müsliriegel für Kinder: Höherer medianer Zuckergehalt als bei allen anderen Müsliriegeln (2020)

Nudelsoßen für Kinder: höchster medianer Zuckergehalt unter den Nudelsoßen (2021)

Panierte, vorgegarte Geflügelprodukte mit Kinderoptik: höherer medianer Energie- und Fettgehalt als bei den meisten vergleichbaren Produkten (2020)

Kinder-Salami: höherer medianer Energie- und Fettgehalt als bei allen anderen (außer Snack-Salami) (2020)

Reguläre Erfrischungsgetränke mit Kinderoptik: Höherer medianer Zuckergehalt als bei vergleichbaren Produkten (2022)

Bundesernährungsminister will neue Reduktionsziele entwickeln

Bundesernährungsminister Cem Özdemir: „Fertigprodukte für Kinder und Erwachsene müssen gesünder werden. Wer viel davon isst, erhöht sein Risiko für schwerwiegende Folgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 oder Adipositas. Die Unternehmen haben es selbst in der Hand, Rezepturen zu verbessern. Mir ist wichtig, dass nun zügig wissenschaftlich fundierte Reduktionsziele entwickelt werden.“

Wie hoch die Reduktionsziele in den einzelnen Lebensmittelgruppen ausfallen können, soll auf der Grundlage eines vom Max Rubner-Institut koordinierten Beteiligungsprozesses ermittelt werden. Hier soll zunächst mit Experten aus der Wissenschaft eine Methodik zur Ableitung von wissenschaftlich fundierten und auf Zielgruppen abgestimmten Reduktionszielen entwickelt werden. Anschließend werden möglichst konkrete Reduktionsziele erarbeitet. pm

Die Zusammenfassung des Sonderberichts zu Produkten mit Kinderoptik sowie Informationen zur Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten finden Sie hier.

Alle Ergebnisse des Produktmonitorings finden Sie detailliert unter diesem Link.