
Die meisten Vergiftungsgefahren für Kinder lauern in der Wohnung. Kleinkinder nehmen fast alles in den Mund, was ihnen in die Quere kommt. Foto: Olesia Bilkei/123RF.com
Giftstoffe in Haus und Garten: Vergiftungsgefahr für Kinder lauert überall
Rund 100.000 Kinder vergiften sich pro Jahr in Deutschland, sechs von zehn Kindern mit Vergiftungssymptomen sind jünger als drei Jahre. Die Vergiftungsgefahr lauert überall da, wo sich Kleinkinder frei bewegen und alles in den Mund nehmen und testen können.
Im Gegensatz zu manch anderen Statistiken werden Vergiftungsfälle sehr zuverlässig erfasst. Krankenhäuser und Arztpraxen sind gesetzlich verpflichtet, sie an das Bundesinstitut zur Risikobewertung (BfR) zu melden. Kleinkinder sind besonders häufig betroffen. Sie erkunden ihre Umwelt auch dadurch, indem sie alles in den Mund nehmen, dessen sie habhaft werden. Gerade Eltern von Kleinkindern sollten daher Vorsichtsmaßnahmen ergreifen.
Schöne Gartenpflanzen mit unschönen Risiken
Mit den frühsommerlichen Temperaturen steigen auch die Vergiftungsgefahren. „Vielen Eltern ist nicht bewusst, dass Gartenpflanzen wie Oleander, Bilsenkraut, Kirschlorbeer, Tollkirsche und Goldregen nicht nur wunderschön blühen oder bunte Früchte bilden, sondern auch giftig sind. Wer sich mit Pflanzen nicht auskennt oder auf ihre Farbenpracht nicht verzichten möchte, sollte Kleinkinder draußen nicht unbeaufsichtigt lassen und ältere Kinder auf die Gefahren hinweisen“, sagt Matthias Wulff, Leiter des Vertriebszentrums der Barmenia Versicherungen Karlsruhe.
Zum Glück schmecken viele Giftpflanzen nicht und werden von den Kindern wieder ausgespuckt. Unbewusst steigern manche Eltern das Vergiftungsrisiko im eigenen Garten sogar: Auch versehentlich zurückgelassene Grillanzünder, Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie spezielle Pflanzenerden sind meist giftig und sollten kindersicher aufbewahrt werden.
Giftige Zimmerpflanzen und gefährliche Reinigungsmittel
Manche Zimmerpflanze kann für Kleinkinder ebenfalls zur Gefahr werden: Das gilt beispielsweise für den zum Jahreswechsel weit verbreiteten Weihnachtsstern wie auch für die im Frühjahr und Sommer beliebten Tulpen.
Überhaupt lauern die größten Vergiftungsrisiken in der Wohnung: Dass Medikamente, Putz- und Reinigungsmittel sowie Hausmittel wie Essigessenz und Natron sicher verwahrt gehören, ist vielen Eltern geläufig. Dass aber eine einzige verschluckte Zigarette oder wenige Tropfen der Flüssigkeit von E-Zigaretten für ein Kleinkind akute Lebensgefahr bedeuten, machen sich viele Eltern nicht klar. Für die Kleinen ist das, was die Eltern in den Mund nehmen, besonders spannend.
Im Notfall richtig handeln
Eltern sollten sich vorsorglich die kostenlose App des BfR „Vergiftungsunfälle bei Kindern“ auf ihr Smartphone herunterladen. Besteht der Verdacht einer Vergiftung, sollte immer der Notruf 112 oder eine der acht deutschen Kliniken mit Vergiftungszentrale angerufen werden. Wo die nächste Fachklinik ist, hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit im Internet unter dem Suchbegriff „Giftnotruf“ veröffentlicht.
Die Experten der Giftnotrufzentralen kennen sich mit Vergiftungen und den nötigen Gegenmaßnahmen aus. Wichtig sind möglichst genaue Angaben zum Alter und zum Gewicht des Kindes, Symptomen, Art und Menge des Gifts, Beschreibung der Pflanze und Zeitpunkt der Einnahme. In über 80 Prozent aller Anrufe können die Experten „Entwarnung” geben – zur Beruhigung der Eltern.
Was können Eltern im Notfall tun?
Gleich vorweg: Da geistern von Generation zu Generation weitergegebene Mythen von Notfallmaßnahmen herum, die man jedoch besser nicht befolgen sollte. Wie so oft bei Mythen: Sie halten einer wissenschaftlichen Prüfung nicht stand. Die folgenden Hilfsmaßnahmen der Stiftung Kindergesundheit werden auf Basis medizinischer Erkenntnisse und Erfahrungen empfohlen.
• Ruhe bewahren.
• Das Kind ausspucken lassen, Reste der Pflanze oder Frucht mit dem Finger aus dem Mund wischen.
• Dem Kind Tee, Wasser oder Saft zu trinken geben.
• Bitte niemals versuchen, das Kind erbrechen zu lassen!
• Niemals Salzwasser zum Trinken geben!
• Keine Milch zum Trinken geben (sie begünstigt die Giftaufnahme)!
• Regionalen Giftnotruf anrufen.
Zeigt ein Kind allerdings bereits Symptome wie Übelkeit oder Erbrechen, sollte es so schnell wie möglich zum Kinderarzt oder direkt in die Notaufnahme einer Klinik gebracht werden.
Diese Fragen stellt der Giftnotruf
Es ist so leicht, zu sagen, dass man Ruhe bewahren soll. Im akuten Notfall ist das selten möglich. Hilfreich ist es daher, wenn man sich die empfohlenen Notfallmaßnahmen immer wieder einmal durchliest und sich vor allem auch mit dem weiteren Prozedere vertraut macht. So stellen die Experten des Giftnotrufs Standardfragen, mit denen man sich schon einmal vertraut machen kann, um im Notfall dann vorbereitet zu sein. Folgende Fragen müssen Sie beantworten.
• Wer ist betroffen? Kind, Erwachsener?
• Was wurde eingenommen? Genaue Bezeichnung der Pflanze.
• Wie viel wurde eingenommen?
• Wann wurde es eingenommen?
• Wie alt ist das Kind?
• Wie viel wiegt das Kind (ungefähr)?
• Wie geht es dem Kind? Husten? Erbrechen? Rauschzustand? Benommenheit? Schmerzen?
• Name und Telefonnummer? Für den Rückruf.
Hier gibt es Hilfe bei Vergiftungsgefahr
Tipp: Speichern Sie den Link zu diesem Artikel unter den Favoriten Ihres Browsers, um im Notfall schnell die Hilfsmaßnahmen und Giftnotruf-Telefonnummern parat zu haben. Oder drucken Sie die Telefonliste aus und heben Sie diese im Geldbeutel auf. Die Giftnotruf- oder Giftinformationszentren (GIZ) sind rund um die Uhr unter folgenden Telefonnummern zu erreichen:
• Berlin 030/19240
• Bonn 0228/19240
• Erfurt 0361/730730
• Freiburg 0761/19240
• Göttingen 0551/19240
• Mainz 06131/19240
• München 089/19240
• Wien +43-1-406 43 43
• Zürich +41-44-251 51 51
Hilfreiche Apps und Webseiten
Eltern können sich vorsorglich die kostenlose App des Bundesinstituts zur Risikobewertung (BfR) „Vergiftungsunfälle bei Kindern“ auf ihr Smartphone herunterladen. Die App wurde als Informations- und Nachschlagewerk für Vergiftungsunfälle bei Kindern und für deren Vermeidung entwickelt. Im Notfall kann direkt aus der App ein für das jeweilige Bundesland zuständiges Giftinformationszentrum angerufen werden. Im Ernstfall kann sie aber ärztliche Beratung, besonders in Vergiftungszentren, nicht ersetzen.
Weitere Informationen und Bilder zu giftigen Pflanzen finden Sie zum Beispiel hier im > Gesundheitsmagazin der AOK.
Die Aktion Das sichere Haus bietet auf ihrer Webseite eine > DSH-Online-Datenbank zum Thema Giftpflanzen. Die giftigen Pflanzen, die oft in Haus und Garten anzufinden sind, werden in dieser Online-Datenbank beschrieben. So können Sie bei der Gartengestaltung schon darauf achten, giftige Pflanzen auszutauschen oder gar nicht erst anzupflanzen. Die meisten Vergiftungen und Unfälle passieren zuhause. Welche Gefahren in Wohnung, Haus und Garten lauern und wie sie sich vermeiden lassen, zeigt die > Broschüre „Zu Hause sicher leben“ der Aktion Das sichere Haus. Interessierte können sich das Heft kostenfrei zusenden lassen oder > hier herunterladen.