Die giftigen PFAS-Chemikalien finden sich in zahlreichen Alltagsprodukten, sind äußerst stabil und können nicht leicht abgebaut werden, was bedeutet, dass sie sich in der Umwelt und im Körper anreichern – mit schädlichen Folgen für die Gesundheit. Foto: Franz Pfluegl/stock.adobe.com

„Jahrhundertgift“ PFAS gefährdet Gesundheit – Ärztin gibt Tipps zur Kontakt-Vermeidung

An mehr als 1500 Orten lässt sich in Deutschland das „Jahrhundertgift“ PFAS nachweisen. Das zeigt eine Recherche von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung. Dr. med. Dorrit Rönn, Privatärztin für Humanmedizin, gibt auf Vital-Region.de Tipps, wie man Kontaminierungen mit PFAS aus dem Weg gehen kann.

NDR, WDR und SZ haben darüber hinaus mehrere Hundert Industriestandorte, Kläranlagen, Deponien, Flughäfen und Militärgelände identifiziert, bei denen die Gefahr besteht, dass auch hier Böden und Gewässer verunreinigt sein könnten. Die Recherchen zeigen: Das Problem ist viel größer als bisher bekannt.

Bevölkerung oft nicht über PFAS-Verunreinigungen informiert

Und sie zeigen auch, dass die Bevölkerung in vielen Fällen bisher nicht über die Verschmutzung informiert wurde. NDR, WDR und SZ machen deshalb im Rahmen des „Forever Pollution Project“ all diese Orte auf einer interaktiven Karte auf tagesschau.de sowie auf sz.de sichtbar.

Sogenannte PFAS, per- und polyfluorierte Chemikalien, sind eine Gruppe von mehr als 10.000 künstlich hergestellten Stoffen. Sie sind wasser-, fett- und schmutzabweisend und werden fast überall eingesetzt: in Regenjacken, beschichteten Pfannen und in dem Papier, in das Burger eingewickelt werden. Auch Löschschäume zur Brandbekämpfung oder die Kühlmittel in Wärmepumpen können PFAS enthalten. Wenn sie einmal in der Umwelt sind, bleiben sie dort für sehr lange Zeit und reichern sich auch im menschlichen Körper an. PFAS stehen in Verdacht, unfruchtbar zu machen und zu Fettleibigkeit und Krebs zu führen.

Keine große Verschmutzungen in Pforzheim und im Enzkreis, viele hohe Werte im Landkreis Rastatt

Reporter von 18 europäischen Medien haben im „Forever Pollution Project“ mehr als 100 Datensätze aus ganz Europa miteinander verbunden und so europaweit mehr als 17.000 Orte mit relevanter PFAS-Verschmutzung lokalisiert, darunter mehr als 2000 Hotspots mit erheblichen Gefahren für die menschliche Gesundheit. Mehr als 300 dieser Hotspots befinden sich der Recherche zufolge in Deutschland.

Nur ein Beispiel: Laut der interaktiven Karte auf tagesschau.de sowie auf sz.de befinden sich vier solcher vergleichsweise leicht verschmutzten Orte in Pforzheim und zwei im Enzkreis. Wesentlich mehr und teils besonders verschmutzte PFAS-Hotspots gibt es dagegen im Landkreis Rastatt.

Es gibt wohl noch viel mehr PFAS-verschmutzte Orte

Vermutlich ist die Zahl verunreinigter Orte noch deutlich höher, denn Behörden testen bislang nicht systematisch auf eine Verschmutzung mit PFAS. Deshalb haben NDR, WDR und SZ mit ihren europäischen Partnern die wissenschaftliche Methodik des PFAS-Project-Lab der amerikanischen Northeastern University auf Europa übertragen. Dadurch konnten in Deutschland zusätzlich mehrere Hundert Orte identifiziert werden, an denen Boden und Grundwasser möglicherweise verschmutzt sind. In Europa hat das „Forever Pollution Project“ sogar mehr als 20.000 solcher Orte lokalisiert und auf einer Karte veröffentlicht. In Verdacht stehen Standorte der Textil- und Plastikindustrie sowie der Metallveredelung und der Papierindustrie, dazu Flughäfen, Militärstandorte, Deponien und Kläranlagen.

In Deutschland gibt es der Recherche zufolge zudem sechs Fabriken, die PFAS produzieren – das sind der Erhebung zufolge mehr als in jedem anderen Land in Europa. In und um diese Fabriken herum besteht wohl die größte Gefahr, dass die Umwelt massiv verseucht ist. Diese Fabriken stehen in Bad Wimpfen (Solvay), in Frankfurt (Daikin), in Leverkusen (Lanxess) und im bayerischen Chemiepark Gendorf bei Burgkirchen an der Alz, wo sich gleich drei PFAS-Produzenten niedergelassen haben (3M, W.L. Gore und Archroma). Alle Produzenten schreiben, dass sie sich an die gesetzlichen Vorschriften halten und sich um eine Reduzierung der Schadstoffe bemühen, nur die Firma Archroma hat auf mehrere Anfragen nicht reagiert. Die Firma 3M, die in Gendorf produziert, hat angekündigt, bis Ende 2025 aus der PFAS-Produktion auszusteigen.

Bundesumweltministerin Lemke: Am besten ganze Stoffgruppe verbieten

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte im Interview mit dem ARD-Politikmagazin Panorama, dass die ganze Stoffgruppe der PFAS grundsätzlich überprüft und die gefährlichen Stoffe verboten werden müssten, „weil wir uns nicht leisten können, sie weiter in diesem Umfang in die Umwelt zu entlassen – mit teilweise unbekannten Folgen, aber der Sicherheit, dass sie uns Jahrzehnte oder Jahrhunderte begleiten werden.“

Die mehr als 10.000 Stoffe sollen – mit einer Übergangsfrist von wenigen Jahren – nicht mehr verwendet werden dürfen. Doch die Industrie läuft schon seit vielen Monaten Sturm gegen ein drohendes Verbot.

Unternehmen und Lobby-Verbände wollen Verbot verwässern

Rund 100 Lobby-Verbände und Firmen wirken dafür auf die zuständige EU Behörde ECHA ein, darunter auch deutsche Großkonzerne wie Bayer und BASF. Das geht aus mehr als 1200 Dokumenten hervor, die Reporter des „Forever Pollution Project“ mit Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz in Brüssel erhalten haben. Die Unternehmen versuchen, das Verbot mit Ausnahmen zu verwässern. BASF und Bayer schreiben auf Anfrage, ein mögliches Verbot dürfe nicht die Verwendung von PFAS in Schlüsselsektoren verhindern. BASF nennt etwa Batterien, Halbleiter, Elektrofahrzeuge und erneuerbare Energien. Eine Entscheidung über das PFAS-Verbot wird wohl im Jahr 2025 fallen.

Beeinträchtigung von Leber und Schilddrüse

Die Substanzen finden sich in zahlreichen Produkten, wie bei Töpfen und Pfannen mit Antihaftbeschichtungen, in wasserabweisender Outdoor-Kleidung und in Lebensmittelverpackungen. „Und genau so gelangen sie dann auch in den Körper – wo sie zum Großteil für immer bleiben“, erklärt die Dr. med. Dorrit Rönn, Privatärztin für Humanmedizin. Die Substanzen sind äußerst stabil und können nicht leicht abgebaut werden, was bedeutet, dass sie sich in der Umwelt und im Körper anreichern.

Mit schweren Folgen: „Von der Beeinträchtigung der Leber- und Schilddrüsenfunktion bis hin zu erhöhtem Krebsrisiko – die Liste der möglichen Gesundheitsprobleme ist lang.“  Studien haben gezeigt, dass sie nicht nur Leber und Schilddrüse schaden, sondern auch das Immunsystem schwächen und sogar das Risiko für bestimmte Krebsarten erhöhen können. Die tatsächlichen Auswirkungen von PFAS auf die Gesundheit sind jedoch noch nicht vollständig erforscht.

Was raten Ärzte?

Um den eigenen Körper vor den schädlichen Auswirkungen von PFAS zu schützen, gibt es einige einfache Schritte, die man ergreifen kann, so Dorrit Rönn. Zum Beispiel sollte man den Einsatz von Antihaftpfannen und -töpfen vermeiden. Wenn man dennoch nicht auf Antihaftbeschichtungen verzichten möchte, empfiehlt es sich, Keramik-, Edelstahl- oder Gusseisenpfannen zu wählen, die ohne PFAS hergestellt wurden.

Des Weiteren sollte man auf wasserabweisende Kleidung verzichten und nach Alternativen suchen, die keine PFAS enthalten. Einige Unternehmen stellen beispielsweise mittlerweile wasserabweisende Kleidung auf Basis von natürlichen Materialien wie Wolle oder Baumwolle her. Auch bei der Verwendung von Lebensmittelverpackungen sollte man vorsichtig sein und auf Papierverpackungen oder Glasbehälter statt Plastikverpackungen zurückgreifen, um den Kontakt mit PFAS-haltigen Materialien zu minimieren.

Außerdem können Wasserfilter dabei helfen, den Gehalt von PFAS im Trinkwasser zu reduzieren. Einige Wasserfilter sind sogar speziell auf die Entfernung von PFAS ausgelegt. Und schließlich ist es ratsam, so Dorrit Rönn, eine ausgewogene und nahrhafte Ernährung zu sich zu nehmen, die reich an Antioxidantien ist. Denn eine Ernährung, die reich an Obst und Gemüse ist, kann helfen, den Körper vor den schädlichen Auswirkungen von PFAS zu schützen. pm/tok