PFAS im Trinkwasser gelten als gefährliche Ewigkeitschemikalien. In Baden-Württemberg sorgen sie schon seit Jahren für Probleme. Jetzt klagt die Deutsche Umwelthilfe gegen die Einleitung von TFA (eine Chemikalie aus dem PFAS-Bereich) in den Neckar. Foto: PRODPLEUM DESIGN/stock.adobe.com

Gefahr durch PFAS im Trinkwasser: Deutsche Umwelthilfe klagt gegen TFA-Entsorgung im Neckar

PFAS – das klingt nach einer kryptischen Abkürzung aus dem Labor, und tatsächlich verbirgt sich dahinter eine ganze Gruppe synthetischer Chemikalien: die sogenannten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen. Sie sind seit Jahrzehnten in Gebrauch, weil sie extrem wasser-, fett- und schmutzabweisend sind. Vom Outdoor-Mantel über die Bratpfanne bis zum Löschschaum der Feuerwehr – überall stecken sie drin. Das Problem: PFAS sind nahezu unzerstörbar und obendrein ein Umweltgift, das mit Leberschäden, Hormonstörungen, einem geschwächtem Immunsystem und mit Krebs in Verbindung gebracht wird.

Weil PFAS nicht einfach so zerfallen, spricht man auch von „Ewigkeitschemikalien“. Gelangen sie in die Umwelt, verbleiben sie dort – und früher oder später landen sie auch im Trinkwasser.

Belastete Böden in Mittelbaden und TFA im Neckar

In Baden-Württemberg wurde das Thema besonders brisant, als in Mittelbaden (rund um Rastatt und Baden-Baden) großflächig Böden belastet waren. Jahrzehntelang wurde dort mit Papierschlämmen gedüngt, die PFAS enthielten. Das Resultat: Das Grundwasser ist bis heute stellenweise belastet, Landwirte können ihre Felder kaum nutzen, und Kommunen mussten teils neue Trinkwasserbrunnen erschließen.

Jetzt schlägt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ein neues Kapitel im Kampf gegen PFAS auf: Die DUH geht juristisch gegen die Einleitung der gefährlichen Ewigkeitschemikalie Trifluoressigsäure (TFA) durch das Chemiewerk Solvay in Bad Wimpfen vor. Trifluoressigsäure gehört zur Chemikaliengruppe der sogenannten per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS). Beim zuständigen Regierungspräsidium Stuttgart hat die DUH die sofortige Anpassung der wasserrechtlichen Erlaubnis beantragt, um die weitere Einleitung von TFA in den Neckar zu unterbinden. Aktuell darf Solvay laut DUH-Mitteilung ein Kilogramm TFA pro Stunde in den Neckar einleiten, womit es dann als Gefahr für die menschliche Gesundheit in Grund- und Trinkwasser gelangt.

Die zuständigen deutschen Bundesbehörden haben die Chemikalie jüngst als „fortpflanzungsgefährdend, sehr persistent und sehr mobil“ bewertet und einen Antrag zur Einstufung in eine neue Gefahrenklassen eingereicht. Solvay verwendet laut DUH TFA als Rohstoff für die Herstellung von Produkten, hauptsächlich für die agro-chemische (Herstellung von Pestiziden) und pharmazeutische Industrie. TFA kann nicht durch herkömmliche Methoden der Wasseraufbereitung entfernt werden. Fachbehörden warnen seit Jahren, dass TFA eine unwiderrufbare Verschmutzung der Wasserressourcen verursacht – mit gravierenden Folgen für Umwelt und Gesundheit.

Wissenschaftler warnen vor TFA, aber Entsorgung im Neckar läuft weiter

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, ist verärgert: „Es ist ein Skandal, dass der millionenschwere Solvay Chemiekonzern seit 2016 für lächerliche 12.000 Euro die Genehmigung hat, den Neckar und damit auch das Grund- und Trinkwasser mit der Ewigkeitschemikalie Trifluoressigsäure unwiderruflich weiter zu vergiften. Einmal in der Welt werden wir die schädliche Chemikalie TFA nicht mehr los. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse weisen nach, wie gefährlich TFA ist. Der Schutz unserer lebenswichtigen Wasserressourcen und damit unserer Gesundheit darf nicht weiter aufgeschoben werden.”

Sein Plan: „Der Chemiekonzern muss Verantwortung übernehmen und verpflichtet werden, Kosten für eine sichere Entsorgung zu tragen. Wir fordern das Regierungspräsidium Stuttgart auf, die Einleitungserlaubnis unverzüglich zu entziehen und damit die weitere Vergiftung des Neckars zu stoppen.“ Rechtsanwalt Lukas Rhiel, der die DUH vertritt, legt nach: „Das Regierungspräsidium Stuttgart muss auf die neuen Erkenntnisse zur Toxizität von TFA reagieren und die Einleitungserlaubnis umgehend anpassen, um das Grund- und Trinkwasser vor weiterer Verschmutzung zu schützen. Die TFA-Einleitung durch Solvay führt zu einer vielfachen Überschreitung der nunmehr maßgeblichen Grenz- und Schwellenwerte zum Schutz des Grund- und Trinkwassers.”

PFAS sind keine abstrakte Gefahr, sondern eine reale Bedrohung

Medizinisch betrachtet sind PFAS tückisch. Studien zeigen, dass sie sich im Blut anreichern können. So belasten sie das Entgiftungsorgan Leber, schwächen das Immunsystem und sollen sogar für Krebs verantwortlich sein. Besonders heikel: PFAS bleiben nicht nur in der Umwelt eine gefühlte Ewigkeit lang bestehen, sie werden auch nur sehr langsam vom Körper abgebaut. Einmal aufgenommen, bleiben sie für Jahre und reichern sich im Körper an.

Deutschlandweit und auch in Baden-Württemberg arbeiten Behörden derzeit daran, Grenzwerte strenger zu fassen. Ab 2026 sollen EU-weit verbindliche Höchstwerte gelten. Doch der Konflikt bleibt: Auf der einen Seite stehen Industrie und Konsumgewohnheiten, auf der anderen Seite Gesundheit und Umwelt. PFAS im Trinkwasser sind also keine abstrakte Gefahr, sondern eine reale Herausforderung – auch direkt vor unserer Haustür in Baden-Württemberg.    tok/pm

FAQ zu PFAS im Trinkwasser

Kann ich PFAS im Leitungswasser selbst erkennen?
Nein. PFAS sind unsichtbar, geschmack- und geruchlos. Sie lassen sich nur durch spezielle Laboranalysen nachweisen, die Wasserwerke oder Umweltämter durchführen.

Filtert mein Wasserwerk PFAS aus dem Trinkwasser?
Viele Wasserversorger überwachen inzwischen gezielt auf PFAS. In Baden-Württemberg werden besonders die betroffenen Regionen Mittelbaden (Rastatt, Baden-Baden, Bühl) streng kontrolliert. Wo Belastungen auftreten, setzen die Werke Aktivkohlefilter ein oder erschließen neue Brunnen.

Kann ich zuhause PFAS aus meinem Trinkwasser filtern?
Ja – aber nicht mit einfachen Tischfiltern. Sinnvoll sind Aktivkohlefilter oder Umkehrosmoseanlagen, die nachweislich PFAS reduzieren können. Wichtig: regelmäßig warten und wechseln.

Ist Mineralwasser sicherer als Leitungswasser?
Nicht automatisch. Auch Mineralquellen in Baden-Württemberg können belastet sein. Wer Mineralwasser kauft, sollte auf aktuelle Prüfberichte der Hersteller achten.

Wie gefährlich ist es, PFAS über Trinkwasser aufzunehmen?
Das hängt von Menge und Dauer ab. PFAS können sich im Körper anreichern und stehen im Verdacht, das Immunsystem, die Leber und den Hormonhaushalt zu beeinträchtigen. Besonders Kinder und Schwangere sind gefährdet.

Kann ich mich oder meine Familie irgendwie schützen?

  • Information einholen: Die Regierungspräsidien Karlsruhe und Freiburg sowie die Kommunen in Mittelbaden veröffentlichen regelmäßig Daten zu PFAS-Belastungen.
  • Filter nutzen: In stärker betroffenen Gegenden setzen viele Haushalte auf Aktivkohle- oder Osmosefilter.
  • Bürgerinitiativen beachten: In Rastatt und Umgebung informieren Initiativen wie die Interessengemeinschaft Schadstoffbelastung Mittelbaden regelmäßig über neue Entwicklungen.

Info

  • Regierungspräsidium Karlsruhe – Informationen zu PFAS-Belastungen in Mittelbaden: rp-karlsruhe.de
  • Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) – Messwerte und Hintergrundberichte: lubw.baden-wuerttemberg.de
  • Interessengemeinschaft Schadstoffbelastung Mittelbaden (IGSM) – Bürgerinitiative mit aktuellen Infos aus Rastatt und Umgebung: igsm-rastatt.de
  • Verbraucherzentrale Baden-Württemberg – Tipps zum Thema Trinkwasser und Filtermöglichkeiten: verbraucherzentrale-bawue.de