Der massive Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung begünstigt die Entwicklung von Resistenzen bei Viren, die dann auch Menschen befallen, deren Behandlungsmöglichkeiten durch die Widerstandsfähigkeit der Viren eingeschränkt werden – mit möglicherweise lebensgefährlichen Folgen. Foto: Budimir Jevtic/stock.adobe.com
Gefahr aus dem Stall: mutierte Erreger und Resistenzen gegen Antibiotika
Die industrielle Tierhaltung erhöht das Risiko von Infektionskrankheiten auf vielfältige Weise. Bakterien können über tierische Lebensmittel auf den Menschen übertragen werden – Salmonellen oder Campylobacter sind Beispiele für diesen Übertragungsweg, letztere sind häufig auf Geflügelfleisch zu finden.
Bei Salmonellen steigen die Krankheitsfälle laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) linear mit der Lufttemperatur: 5 bis 10 Prozent pro Grad Celsius. Mehr warme Tage fördern also durch Lebensmittel übertragene Krankheitserreger, wie der Medienservice Klima & Gesundheit der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen (GEGM) vermeldet.
Tierische Bakterien im Trinkwasser
Auch Bakterien, die aus der Tierhaltung in das Grundwasser gelangen, stellen eine Gefahr für den Menschen dar. Diese Risiken dürften in Folge der Klimakrise zunehmen, da sich beide Erreger bei wärmeren Temperaturen stärker vermehren.
Andererseits sorgen insbesondere die Ausbreitungsmöglichkeiten für virale Erreger in großen und engen Tierbeständen dafür, dass diese Viren mutieren und Artgrenzen überschreiten können, wie unlängst bei der Vogelgrippe in Nerzfarmen beobachtet werden konnte.
Antibiotika für Tiere begünstigt Resistenzen
Der noch immer massive Antibiotikaeinsatz begünstigt die Entwicklung von Resistenzen. Zwar sind die offiziellen Zahlen in Deutschland rückläufig, so wurden im Jahr 2021 rund 78 Tonnen an Antibiotika weniger eingesetzt als noch im Jahr 2017, was einem Rückgang um 18 % entspricht. Doch für die Hühnermast meldet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sogar einen Anstieg des Antibiotikaeinsatzes. Zudem werden die offiziell kommunizierten Zahlen zum Antibiotikaeinsatz kritisch hinterfragt. Etwa weil sie regional sehr unterschiedlich sind.
Während sie in Regionen mit großen Tierhaltungsbeständen sehr hoch sein können, erscheinen sie über den bundesweiten Durchschnittswert dann gemäßigter. Aber auch, weil der Antibiotikaeinsatz ausschließlich an die abgegebene Menge anknüpft, was über den tatsächlichen Verbrauch wenig aussagt: Denn es gibt Antibiotika, die mit 20 mg/kg Körpergewicht verabreicht werden – und andere mit einer Dosierung von 400 mg/kg Körpergewicht.
Massentierhaltung ideal für Anpassung von Viren an Menschen
„Die Tierhaltung bietet ideale Bedingungen für ein Virus, um sich an den Menschen anzupassen. (…) Was wir hier mit den Schweinen machen, ist auch nicht gut. Die würden in der Natur nie in solchen Herdengrößen auftreten. Eine wachsende Menschheit mit einem wachsenden Fleischhunger: Hier steckt das Risiko für künftige Pandemien“, erklärte Prof. Dr. Christian Drosten, Virologe an der Charité Berlin, in einem Gespräch mit der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Auch wenn der vermehrte und unsachgemäße Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin eine große Rolle bei der Resistenzentwicklung spielt: Weltweit werden über 70 Prozent der Antibiotika bei Tieren in Intensivhaltung eingesetzt. Der Antibiotikaeinsatz soll (haltungsbedingte) Krankheiten oder deren Ausbreitung verhindern oder auch das Wachstum beschleunigen, da bestimmte Antibiotika wachstumsfördernd wirken. 76 Prozent der Antibiotika, die in der Landwirtschaft und Aquakultur eingesetzt werden, sind auch in der Humanmedizin wichtig.
Gefährlicher Einsatz von „Reserveantibiotika“
Besonders gefährlich ist der Einsatz sogenannter „Reserveantibiotika” in der Tierhaltung. Reserveantibiotika kommen zum Einsatz, wenn sich Erreger nur noch mit einem beziehungsweise wenigen Mitteln behandeln lassen. Grund dafür sind Antibiotikaresistenzen. Ein Beispiel dafür ist die Resistenz gegen Colistin – ein wirksames Antibiotikum gegen eine Vielzahl von bakteriellen Infektionen und das letzte Mittel zur Bekämpfung bestimmter Bakterien der Gattung Enterobacter. Colistin wird laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in großem Umfang auch in deutschen Hühner- und Putenmastbetrieben eingesetzt. Es gilt als wachstumsfördernd.
Mancherorts tragen fast 100 % der Nutztiere das Resistenzgen mcr-1 – und auch bei immer mehr Menschen wird das Gen nachgewiesen. Die Ausbreitung des Gens ist eines der deutlichsten Beispiele dafür, wie der Einsatz von Antibiotika auf Farmen zu Resistenzen bei menschlichen Infektionen führen kann, so Lance Price, ein Antibiotikaforscher an der George Washington University in Washington DC.
Globales Gesundheitsrisiko
Gesundheitsrisiken durch Multiresistente Keime werden von den Vereinten Nationen und der WHO zu einem der zehn größten globalen Gesundheitsrisiken erklärt. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, dass viele Pathogene von der Klimaerwärmung profitieren und auch Antibiotikaresistenzen durch den Klimawandel zunehmen. Veränderungen von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Niederschlag fördern die Ausbreitung bakterieller Krankheitserreger, was zu einem verstärkten Antibiotikaeinsatz und damit der Zunahme von Resistenzen führt. Eine Reduktion der Nutztierbestände würde die Risiken durch mutierte Erreger und Antibiotikaresistenzen verringern und dem Klimaschutz dienen.
INFO: Der Medienservice Klima & Gesundheit wird bereitgestellt von der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen (GEGM). GEGM ist eine im März 2020 von Dr. Eckart von Hirschhausen gegründete gemeinnützige Organisation und wird von der Stiftung Mercator unterstützt.