Studien belegen, dass spannende Fußball-Momente für Menschen mit einem schwachen Herzen ernsthafte gesundheitliche Folgen haben können. Das Infarktrisiko steigt, je spannender, knapper und länger (Elfmeterschießen) die Spiele insbesondere in der Finalrunde sind. Foto: Schulz-Design/stock.adobe.com
Fußball-EM: Herzinfarktrisiko steigt beim Mitfiebern vor dem Bildschirm
Ob Elfmeterschießen, dramatische Zweikämpfe oder spektakuläre Paraden des Torwarts – die Fußballeuropameisterschaft ist nichts für schwache Herzen. „Studien haben inzwischen gezeigt, dass die emotionale Aufregung beim Schauen von Fußballspielen das Risiko für Herzinfarkte tatsächlich signifikant erhöhen kann“, weiß Priv.-Doz. Dr. Jan Knierim, Ärztlicher Direktor des Sana Paulinenkrankenhauses in Berlin.
Während der Europameisterschaft in Deutschland sollten Fans deshalb nicht nur das Spielgeschehen, sondern auch ihre Gesundheit im Auge behalten.
Mehr Herzinfarkte während Fußballspielen
Verschiedene Studien belegen, dass spannende Fußball-Momente nicht nur für emotionale Höhen und Tiefen bei den Zuschauern sorgen, sondern auch ernsthafte gesundheitliche Folgen haben können. Wissenschaftler ermittelten beispielsweise, dass 2014 während der WM in Brasilien 685 Patienten mehr wegen eines Herzinfarktes in deutsche Kliniken eingewiesen wurden als im selben Zeitraum im Folgejahr. Der der überraschende 7:1-Halbfinalsieg der deutschen Nationalelf gegen Brasilien und der knappe 1:0-Finalsieg gegen Argentinien zwischen totaler Euphorie und langem Bangen und Zittern vor der späten Erlösung kurbelte selbst bei gesunden Menschen den Blutdruck gewaltig an.
Eine weitere Studie zeigte, dass die Zahl der eingewiesenen Patienten mit Herzinfarkt oder Herzrhythmusstörungen während der Weltmeisterschaft 2006 bis zu 2,66-fach erhöht war, wenn die deutsche Nationalmannschaft spielte − insbesondere bei männlichen Fans. Geholfen hat die ganze Aufregung nicht. Deutschland musste sich im Viertelfinale im Elfmeterschießen gegen Argentinien behaupten – eine lange Folter, in dem bei manchem der Biervorrat im Kühlschrank zur Neige ging. Und auch die 0:2-Niederlage gegen Italien im Halbfinale hatte sicherlich für großen Stress und Dauerfluchen gesorgt – alles Gift fürs Herz, wenn dann am Ende kein positives Erlebnis folgt, sondern die klassische Fan-Depression die nächsten Tage den Alltag prägt.
Risikogruppe: Vorerkrankte Fans
Die intensive emotionale Belastung, insbesondere bei entscheidenden Spielen oder Elfmeterschießen, kann zu einer erhöhten Freisetzung des Stresshormons Adrenalin führen. „Eigentlich soll Adrenalin Menschen ermöglichen, in Notsituationen schnell zu fliehen oder sich zur Wehr zu setzen. Deshalb erhöht das Hormon die Herzfrequenz, steigert den Blutdruck und sorgt für einen höheren Sauerstoffbedarf des Herzens“, erklärt Dr. Knierim. Doch auch wer beim Fußball besonders stark mitfiebert, kann verstärkt Adrenalin ausschütten.
Insbesondere bei Menschen mit bestehenden Herzerkrankungen kann diese zusätzliche Belastung jedoch das Risiko für Herzinfarkte erhöhen. „Wer bereits unter Vorerkrankungen wie der koronaren Herzkrankheit leidet, sollte unbedingt auf seinen Körper hören und im Zweifelsfall auch mal den Fernseher ausschalten, wenn ihm das Spiel zu nahegeht. Auch vorbeugende Maßnahmen wie der Verzicht auf Alkohol können den Körper während des Spiels entlasten“, rät Dr. Knierim.
Das heißt: Die klassische Fan-Verpflegung vor dem Fernsehbildschirm sollte auf jeden Fall auf eine gesunde, alkoholfreie Variante umgestellt werden, um den Körper nicht noch zusätzlich zu belasten. So hart der Tipp mit dem Ausschalten des Fernsehers nach ersten Herzbeschwerden auch klingen mag, ein Totalverlust ist das nicht. Nach dem Abpfiff wird das Spiel im Fernsehen noch einmal lange besprochen und die Tore werden auch immer wieder eingeblendet oder in einer späteren Zusammenfassung präsentiert. Wer sich bis dahin beruhigt hat, kann dann die verpassten Momente noch einmal Revue passieren lassen und mit gebremstem Schaum die Siegerparty nachfeiern. Oder darauf verzichten, wenn klar ist, dass der Gegner gewonnen hat. pm/tok