Melatonin ist ein Hormon, das in der Zirbeldrüse (Epiphyse), einem Teil des Zwischenhirns, produziert wird. Melatonin steuert den Schlaf-Wach-Rhythmus. Bei Herzkranken wird aber zu wenig von diesem Hormon produziert, was die Schlafstörungen der Herzpatienten erklärt. Foto: yasindu/stock.adobe.com

Forscherin entdeckt Auslöser für Schlafstörungen bei Herzkranken

Rund ein Drittel aller Menschen mit einer Herzerkrankung schlafen schlecht. Warum das so ist, wusste man bislang jedoch nicht. Länger bekannt ist, dass etliche am Herzen Erkrankte einen niedrigen Melatoninspiegel haben. Melatonin ist ein Hormon, das in der Zirbeldrüse (Epiphyse), einem Teil des Zwischenhirns, produziert wird.

Melatonin steuert den Schlaf-Wach-Rhythmus. Sobald es dunkel wird, bildet die Epiphyse mehr von dem Schlafhormon und sorgt dafür, dass wir abends müde werden. Erstmals hat Dr. Karin Ziegler vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie (IPT) an der Technischen Universität München (TUM) mit ihrem Team den Auslöser dafür entdeckt, warum Betroffene mit einer Herzerkrankung zu wenig Melatonin bilden. Darüber berichtet das DeutschesGesundheitsPortal (DGP).

Schlafstörungen neu behandeln

Die Medizinerin und angehende Fachärztin für Pharmakologie hat mit ihrer Forschungsarbeit mögliche neue Ansätze zur Behandlung von Schlafstörungen geschaffen. Für ihre Ergebnisse ist sie mit dem renommierten August Wilhelm und Lieselotte Becht-Forschungspreis der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) in Höhe von insgesamt 15.000 Euro ausgezeichnet worden. „Das sind vielversprechende Erkenntnisse, die neue Ausgangspunkte für die Entwicklung von Behandlungsoptionen für Betroffene mit Herzerkrankungen und Schlafstörungen eröffnen“, betont Prof. Dr. med. Armin Welz, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der DSHF, die 1988 von der Deutschen Herzstiftung gegründet wurde. Die Arbeit wurde jüngst im Fachmagazin „Science“ publiziert. Über aktuelles zur Förderung der Herz-Kreislauf-Forschung informiert die Herzstiftung unter www.herzstiftung.de/herzstiftung-und-forschung

Entzündungsprozess zerstört Nervenzellen

Wie hängt die Epiphyse – diese winzig kleine Zirbeldrüse, die in ihrer Gestalt einem Pinienzapfen ähnelt – mit dem Herzen zusammen? Die Verbindung liegt in einem sogenannten Nervenknoten (Ganglion), und zwar im oberen Halsganglion. Dort befinden sich gebündelt Nervenzellen des vegetativen Nervensystems, das automatische Abläufe im Körper regelt – unter anderem reguliert es die Epiphyse und den Herz-Kreislauf. „Um herauszufinden, was genau in dem Nervenknoten passiert, haben wir das Feingewebe der Nervenknoten von verstorbenen herzgesunden und herzkranken Menschen untersucht“, erklärt Dr. Karin Ziegler.

Das überraschende Ergebnis: Im Vergleich fanden sich in den Nervenknoten der herzkranken Menschen vermehrt bindegewebige Vernarbungen, stattdessen aber kaum noch Nervenzellen, die die Zirbeldrüse stimulieren können. Die Ursache für den Untergang der Nervenzellen liegt vermutlich in Fresszellen, sogenannten Makrophagen, die die Wissenschaftler gehäuft in den oberen Halsganglien der herzkranken Personen fanden. Diese rufen im Gewebe Entzündungen und Vernarbungen hervor. „Wahrscheinlich findet im oberen Halsganglion von Herzerkrankten ein Entzündungsprozess statt, der die Nervenzellen zerstört“, folgert die Forscherin.

Wirkstoff stoppt Fresszellen

Parallele Versuche im Tiermodell zeigten die gleichen Resultate. So sammelten sich im Halsganglion von Mäusen mit Herzschwäche (Herzinsuffizienz) ebenfalls Fresszellen, die zum Untergang von Nervenzellen führten. Infolgedessen wurde die Zirbeldrüse nur noch schwach angeregt, bildete wenig Melatonin, was zu einem gestörten Tag-Nacht-Rhythmus der Tiere führte. „Aber wir haben im Tiermodell herausgefunden, wie man die Nervenzellen schützen kann“, erklärt Dr. Ziegler.

„Wenn man im frühen Krankheitsstadium einen Makrophagen-Hemmstoff gezielt in das Halsganglion injiziert, gehen die Fresszellen zurück und die Melatoninproduktion normalisiert sich wieder.“ Die Hoffnung ist, basierend auf diesen Ergebnissen Medikamente zu entwickeln, um die Schlafstörungen, die mit einer Herzerkrankung einhergehen, dauerhaft zu kurieren.

Die Zirbeldrüse ist ein kleines zapfenförmiges Organ im Mittelhirn. Sie bildet das Schlafhormon Melatonin, das unsere innere Uhr steuert und den Menschen müde macht. Foto: Henrie/stock.adobe.com

Biomarker für Herzerkrankung?

Doch das ist noch nicht alles. Die insgesamt über rund fünf Jahre laufenden Untersuchungen hielten eine weitere Verblüffung für die Wissenschaftler bereit. „Wir konnten schon mit bloßem Auge sehen, dass die oberen Halsganglien bei den Herzkranken stark angeschwollen waren“, sagt Dr. Ziegler. Kann somit die Größe des oberen Halsganglions ein erster Hinweis auf eine Herzerkrankung sein? Mit einem ganz normalen Ultraschall untersuchte das Team die Nervenknoten von Studienteilnehmern, die sie in ihrem Umfeld rekrutierten. „Das Ergebnis war eindeutig“, betont die Münchener Preisträgerin. „Bei den herzkranken Personen waren die Ganglien deutlich vergrößert.“

Umfassende klinische Studie geplant

Das heißt, Dr. Ziegler und ihre Kollegen haben erstens einen möglichen Biomarker gefunden, der ein Indiz für eine Herzerkrankung und einer damit einhergehenden Schlafstörung sein kann. Zweitens haben sie eine Option entdeckt, die Melatoninproduktion bei Herzkranken anzukurbeln, indem frühzeitig und gezielt ein Wirkstoff in das Halsganglion von Betroffenen gespritzt wird, der die zerstörerischen Fresszellen ausschaltet. Die Nerven erholen sich, die Zirbeldrüse produziert wieder ausreichend Melatonin und der Schlaf normalisiert sich.

Ist die Herzerkrankung fortgeschritten, lässt sich die Schlafstörung möglicherweise mit einem Melatonin-Medikament in bestimmter Dosierung beheben. Spannende Ansatzpunkte, die Dr. Ziegler und ihre Forschergruppe in einer umfassenden klinischen Studie eingehend untersuchen wollen. „Doch bis betroffene Patienten von unseren Ergebnissen profitieren können, dauert es noch viele Jahre.“

Infos

Forschung nah am Patienten

Dank der finanziellen Unterstützung durch Stifterinnen und Stifter, Spender und Erblasser kann die Deutsche Herzstiftung gemeinsam mit der von ihr 1988 gegründeten Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) Forschungsprojekte in einer für die Herz-Kreislauf-Forschung unverzichtbaren Größenordnung finanzieren. Infos zur Forschung unter www.herzstiftung.de/herzstiftung-und-forschung

August Wilhelm und Lieselotte Becht-Forschungspreis

Jährlich vergibt die Deutsche Stiftung für Herzforschung einen Wissenschaftspreis, der in kardiologischen Kreisen hoch angesehen ist: den „August Wilhelm und Lieselotte Becht-Forschungspreis”. Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert und zählt zu den herausragenden Instrumenten der Nachwuchsförderung. Er wird für hervorragende Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der patientennahen Herz-Kreislauf-Forschung verliehen. 1995 stiftete das Ehepaar Becht zum ersten Mal den Forschungspreis. Damit begann für die beiden eine regelmäßige Selbstverpflichtung, die bis heute andauert. Denn auch nach dem Tod ihres Mannes finanziert Lieselotte Becht den Preis weiter, der seit 2005 den Namen seiner Stifter trägt. So bleibt ein lebendiges Andenken an August Wilhelm Becht, der sich mit seiner Frau als großzügiger Förderer gezeigt hat.

Tipp für Herzpatienten

Die Podcast-Folge „Warum wird unser Herz krank, wenn uns Schlaf fehlt?“ mit einem Gespräch mit Prof. Anil-Martin Sinha hören Sie unter https://herzstiftung.de/service-und-aktuelles/podcasts/herz-gesund-durch-schlaf DGP