Spezialisten untersuchen gerade ein mögliches Raum-Zeit-Cluster der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (englische Kurzform: CJD) in drei Landkreisen im Großraum Stuttgart. Hierbei handelt es sich um sCJK-Fällle. Großes Aufsehen erregten von Mitte der 1990er-Jahre die tödlichen vCJK-Fälle. Betroffene hatten BSE-kontaminiertes Fleisch von Kühen mit „Rinderwahnsinn“ gegessen. Foto: H_Ko/stock.adobe.com

Erinnerungen an BSE und Rinderwahn: RKI beobachtet Creutzfeldt-Jakob-Krankheit im Großraum Stuttgart

Man gehört zu den Babyboomern oder zur Generation X, um sich noch an den BSE-Skandal zu erinnern, als das Reizwort „Rinderwahn“ („mad cow disease“) deutschlandweit die Gespräche dominierte. Daheim beim sonntäglichen Rinderbraten, an Metzgertheke, vorm Kühlregal im Supermarkt, im Bus oder im Büro. 1995 starb in Großbritannien der erste Mensch an einer Variante der Creutzfeldt‑Jakob‑Krankheit (vCJK). Er hatte BSE-kontaminiertes Rundfleisch gegessen. Aktuell wird untersucht, was es mit der Häufung gemeldeter sCJK-Fälle (s für spontan) in drei Landkreisen des Großraums Stuttgart Anfang 2025 auf sich hat.  

Zehn sCJK-Verdachtsfälle in den Landkreisen Esslingen, Reutlingen und Heilbronn

Das Robert Koch-Institut (RKI) berichtet im Epidemiologischen Bulletin 37/2025 über die Untersuchung eines möglichen Raum‑Zeit‑Clusters der Creutzfeldt‑Jakob‑Krankheit (CJK) in Deutschland. Solche statistischen Auffälligkeiten können vorkommen, weil die Prionenerkrankung CJK insgesamt sehr selten ist und einzelne Fälle zeitlich und räumlich zufällig näher beieinander liegen. Für den Großraum Stuttgart (rund 2,8 Mio. Einwohner) bedeutet das: Selbst bei einer Basisrate von etwa 1 bis 2 CJK‑Fällen pro eine Million Einwohner und Jahr wären rein rechnerisch mehrere Fälle pro Jahr nicht ungewöhnlich – überwiegend in der sporadischen, nicht ansteckenden sCJK-Form, für die keine sicheren Risikofaktoren bekannt sind.

Über die Monate Januar und Februar 2025 sind dem Nationalen Referenzzentrum für die Surveillance Transmissibler Spongiformer Enzephalopathien (NRZ-TSE) zehn sCJK-Verdachtsfälle aus den Kreisen Esslingen (sechs Personen), Reutlingen (2) und Heilbronn (2)bekannt geworden. Die Verdachtsfälle ergaben sich aus Liquor-Einsendungen (Nervenwasser) mit auffälligen Resultaten sowie durch direkte Benachrichtigungen des NRZ durch Ärzte in den entsprechenden Krankenhäusern. Die Gesamteinwohnerzahl liegt in den drei Kreisen bei rund 1,2 Millionen Einwohnern.

Keine Hinweise auf vCJK als Folge von „Rinderwahn“

„Nachdem das Gesundheitsamt Esslingen das NRZ-TSE im Februar über mehrere aktuelle Verdachtsfälle im Landkreis informierte und das NRZ-TSE parallel Fälle im Nachbarkreis Reutlingen und im nahe gelegenen Kreis Heilbronn begutachtete, informierte das NRZ-TSE das RKI über eine mögliche außergewöhnliche Fallhäufung. In der Folge fanden regelmäßige Meetings mit Beteiligung des NRZ-TSE, des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg und dem RKI zum Abgleich der Meldedaten und zur Risikoeinschätzung statt“, berichtet das RKI.

Entscheidend und beruhigend zugleich: „Im Jahr 2025 wurde im Rahmen der CJD-Surveillance eine auffällige Häufung von Fällen registriert, die ein mögliches Raum‑Zeit‑Cluster darstellen könnte. Bislang liegen keine Hinweise auf eine Übertragung der Varianten-CJK (vCJK) vor; ein bestätigter vCJK-Fall in Deutschland ist nicht dokumentiert“, heißt es im Epidemiologischesn Bulletin des RKI. Der weltweit bisher letzte vCJK-Fall wurde 2019 diagnostiziert.

Das aktuelle Geschehen ist daher kein bestätigter Ausbruch von vCJK, was in Verbindung mit Rindern mit einer Bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE, Rinderwahn) gesehen werden müsste, sondern eine statistische Auffälligkeit von sCJK-Fällen, die epidemiologisch genauer geprüft wird. Eine konkrete Gesundheitsgefahr für die breite Bevölkerung im Raum Stuttgart ist nach derzeitigem Kenntnisstand sehr gering.

Ursachen, Übertragung, Symptome, Therapien

CJK gehört zu den transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (TSE). Ursache sind fehlgefaltete Eiweiße (Prionen), die im Gehirn Kettenreaktionen auslösen. Bei fortschreitender Erkrankung nimmt das befallene Gehirn eine schwammartig durchlöcherte Struktur mit fadenförmigen, proteinhaltigen Ablagerungen an.

Es gibt verschiedene Formen: die sporadische CJK (sCJK, am häufigsten), selten erbliche Formen und die iatrogene Form (Übertragung durch medizinische Produkte in der Vergangenheit). Die vCJK ist eine besondere Variante, die in den 1990er‑Jahren in Großbritannien im Zusammenhang mit BSE‑verseuchtem Rindfleisch auftrat.

Übertragungswege: Bei vCJK steht der Verzehr von BSE‑kontaminiertem Rindfleisch im Vordergrund. Eine Alltags‑Ansteckung zwischen Menschen ist nicht zu erwarten. In der Medizin gelten strenge Hygiene‑ und Aufbereitungsregeln, um eine Übertragung über Instrumente zu vermeiden; für Blutspenden gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen.

Symptome: Anfangs oft unspezifisch (zum Beispiel Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Schmerzen), später neurologische Auffälligkeiten (Gang‑ und Koordinationsstörungen), Demenz und rascher Krankheitsfortschritt. Die Prognose ist leider ernst: Viele Betroffene versterben innerhalb von Monaten bis wenigen Jahren nach Beginn der Symptome.

Therapie: Eine kausale Therapie gibt es bislang nicht. Die Behandlung ist symptomorientiert (Schmerztherapie, pflegerische und psychosoziale Unterstützung). Forschung läuft, unter anderem zu Diagnostik (RT‑QuIC‑Test im Nervenwasser) und Biomarkern, die Erkrankungen früher erkennbar machen sollen.

Verläufe: CJK verläuft in der Regel schwer und endet häufig tödlich. Die sporadische CJK hat weltweit eine Inzidenz von rund einem Fall pro eine Million Einwohner und Jahr. Bei vCJK wurden weltweit etwas über 200 Fälle dokumentiert, die meisten in Großbritannien; nahezu alle Betroffenen sind verstorben.

Was schützt uns heute vor der Creutzfeldt‑Jakob‑Krankheit?

Nach der BSE‑Krise wurden europaweit strenge Maßnahmen eingeführt: Futterverbote (kein Tiermehl für Wiederkäuer), Entfernen bestimmter Risikomaterialien bei der Schlachtung, engmaschige Kontrollen und Rückverfolgung. In Kliniken gelten klare Hygienevorgaben für Risiko‑Eingriffe und die Aufbereitung von Instrumenten. Das Bundesinstitut PEI und der Arbeitskreis Blut geben vorsorgliche Regeln für die Blutspende vor.

Bei ungeklärten, rasch fortschreitenden neurologischen Symptomen sollte man diese ärztlich abklären lassen.

BSE in Großbritannien und Folgen für Deutschland

Vor 30 Jahren starb in Großbritannien der erste Mensch an vCJK. Am 20. März 1996 erklärte der britische Gesundheitsminister im Parlament, dass der Verzehr von BSE‑kontaminiertem Rindfleisch wahrscheinlich die Ursache sei. Kurz darauf verhängte die EU ein Exportverbot für britisches Rindfleisch. 1999 wurden Exporte unter strengen Bedingungen teilweise wieder zugelassen, 2006 endete der zehnjährige Bann endgültig.

Deutschland erlebte 2000/2001 seine eigene BSE‑Krise mit großem Vertrauensverlust. Der Rindfleischkonsum brach zeitweise drastisch ein; zwei Bundesminister traten zurück. Die geschätzten wirtschaftlichen Schäden in Deutschland lagen – je nach Quelle – im Bereich von rund 0,8 bis 1,05 Milliarden Euro. In Großbritannien summierten sich die staatlichen Kosten auf mehrere Milliarden Pfund.   tok