Die Eigenanteile der Pflegebedürftigen wachsen rasant an. Für pflegebedingte Eigenanteile, Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten müssen Pflegebedürftige, die neu in ein Heim ziehen, jetzt im Schnitt 2.614 Euro zahlen. 2022 waren es noch 2.479 Euro. Foto: M. Schuppich/stock.adobe.com
Eigenanteile der Pflegebedürftigen und Belastungen für Beitragszahlende steigen ungebremst
Mit dem schnellen Anstieg der Inflationsrate haben sich auch die Pflegekosten dramatisch erhöht. Das Geld der Pflegeversicherung reicht definitiv nicht für einen Heimaufenthalt. Im Gegenteil: Der Eigenanteil für die Pflegebedürftigen oder auch deren Angehörige ist weiter angewachsen.
Anders als in der Krankenversicherung erhalten Versicherte Pflegeleistungen – aufgrund des so genannten Teilleistungssystems – seit jeher nur bis zu einem gesetzlich fixierten Betrag. Seit 2008 sollten die Pflegeleistungen regelhaft alle drei Jahre mit Bezug zur allgemeinen Preisentwicklung angehoben werden. Dem Kaufkraftverlust wurde mit dieser Regelung aber nicht entgegengewirkt, zumal Preise für pflegebedingte Kosten maßgeblich durch Lohnkosten bestimmt sind. Seit 2022 erhalten die Pflegeheimbewohnenden deshalb je nach Wohndauer Zuschläge zu den pflegebedingten Eigenanteilen.
Was Pflegebedürftige und Angehörige über den Entlastungsbetrag wissen sollten, können Vital-Region-Leser am 7. September von 15 Uhr bis 18 Uhr unter der kostenfreien Telefonnummer 0800-0604000 erfragen.
Die Antworten gibt es in unserer SPRECHZEIT-Telefonberatungsaktion von Experten der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland.
Eigenanteil der Pflegebedürftigen steigt ungebremst
Zu den aktuell veröffentlichten Ergebnissen einer Umfrage zum Thema Pflegekosten und zu den steigenden Eigenanteilen für pflegebedürftiger Menschen durch den Paritätischem Gesamtverband, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und den BIVA-Pflegeschutzbund erklärt die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann: „Auch aktuelle Auswertungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigen, dass die Eigenanteile der Pflegebedürftigen infolge von Preissteigerungen und Lohnerhöhungen in der Pflege ungebremst weiter wachsen. Nachdem sie von 2021 auf 2022 mit einem Plus von 24 Prozent bereits einen großen Sprung nach oben gemacht haben, stellen wir im ersten Halbjahr 2023 einen weiteren Anstieg um knapp 8 Prozent fest.“
Was das in Euro-Beträgen bedeutet, erklärt Carola Reimann so: „Für pflegebedingte Eigenanteile, Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten müssen Pflegebedürftige, die neu in ein Heim ziehen, jetzt im Schnitt 2.614 Euro zahlen. Im vergangenen Jahr waren es noch 2.479 Euro. Die bereits beschlossene Anhebung der nach Wohndauer gestaffelten Zuschläge für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen, die 2024 greifen soll, ist daher ein richtiger Schritt.“
Vom Ziel noch weit entfernt
Aber ist das auch schon genug? Die AOK-Bundesvorsitzende sieht das nicht so: „ Angesichts der Kostenentwicklung ist die Ampel allerdings vom Ziel des Koalitionsvertrages, die Eigenanteile wirksam zu senken und planbar zu machen, trotzdem noch weit entfernt. Die Politik ist dringend gefordert, den Anstieg der Eigenanteile weiter zu begrenzen.“
Was tun? Für Carola Reimann wäre zum Beispiel eine schnelle Entlastung möglich, „wenn man die Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen herausnehmen würde“. Dass das nicht eine völlig aus der Luft gegriffene Forderung ist, erklärt die AOK-Bundesvorsitzende: „Das ist im Übrigen auch ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, das endlich eingelöst werden sollte. Außerdem fordern wir, dass die Investitionskosten der Pflegeheime nicht mehr weiter den Pflegebedürftigen aufgebürdet werden. Sie sollten als Teil der Daseinsvorsorge vollständig von den Ländern getragen werden. Sinnvoll wäre es zudem, die steigenden Eigenanteile der pflegebedürftigen Menschen durch eine jährliche Dynamisierung der Pflegeleistungen zu verringern.“
Reformwillen ausgebremst
Carola Reimann bedauert, dass die aktuelle Regierungskoalition keinen entsprechenden Reformwillen erkennen lassen würde. Auch für die Beitragszahlenden gebe es keine guten Nachrichten. „Von der im Koalitionsvertrag zugesagten Finanzierung der Rentenbeiträge pflegender Angehörigen und der pandemiebedingten Zusatzkosten der Pflegeversicherung aus Steuermitteln ist keine Rede mehr.“
Griff in die Pflegekasse
Doch das ist nicht alles, was Carola Reimann verärgert: „Anstatt für eine stabile Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung zu sorgen, greift der Bund zum Stopfen von Haushaltslöchern sogar noch auf die Beitragsgelder der Pflegekassen zurück. Mit der gerade beschlossenen Streichung des Bundeszuschusses zur Pflegeversicherung bis einschließlich 2027 wird der Anteil des Bundes an der Finanzierung der Pflegekosten auf Null gesetzt.“
Steigende Kosten würden, so die AOK-Chefin, „ausschließlich den Beitragszahlenden und Pflegebedürftigen aufgebürdet. Um das zu kaschieren, werden Einzahlungen in den Pflegevorsorgefonds zur langfristigen Stabilisierung der Beitragsentwicklung ebenfalls für vier Jahre gestoppt.“
Carola Reimanns enttäuschtes Fazit: „Mit fortschrittlicher Pflegepolitik, die Vertrauen in eine leistungsfähige Pflegeversicherung schafft, hat das nichts mehr zu tun.“ pm