Alleine bis 2030 werden in Pflegeheimen und in der ambulanten Versorgung bundesweit voraussichtlich 130.000 Pflegekräfte zusätzlich benötigt. Es droht ein immenser Pflegenotstand mit üblen Folgen für Kranke und Pflegebedürftige. Foto: Wolfilser/stock.adobe.com

Personalbedarf in der Altenpflege steigt dramatisch – Ist der Pflegenotstand noch aufzuhalten?

Deutschland droht noch in diesem Jahrzehnt ein flächendeckender Pflegenotstand. Das zeigt eine aktuelle Hochrechnung der „Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform“. Alleine bis 2030 werden in Pflegeheimen und in der ambulanten Versorgung bundesweit voraussichtlich 130.000 Pflegekräfte zusätzlich benötigt. Bis 2040 wären es bis zu 250.000 Fachkräfte.

Das entspricht rund 99.000 (2030) und 190.000 (2040) Vollzeitstellen. Allein auf die Zuwanderung von Pflegekräften zu hoffen, reicht nicht aus. Die in Deutschland möglichen Potenziale müssen genutzt werden.

Was Deutschland gegen den Pflegenotstand tun kann, hat die Initiative gemeinsam mit führenden Experten aus der Pflege erarbeitet, darunter Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey von der Charité-Universitätsmedizin Berlin, Dr. Grit Braeseke vom IGES-Institut, Annemarie Fajardo vom Deutschen Pflegerat und Prof. Dr. Alexander Karmann von der Technischen Universität Dresden.  

Die Ergebnisse im Überblick

Attraktivität des Berufsbildes steigern:

Internationale Ausbildungsstandards müssen endlich Eingang in die hiesige Pflegepraxis finden. Fachkräfte müssen mehr Befugnisse gemäß ihrer Qualifikation erhalten. Damit eng verbunden ist die Verbesserung der beruflichen Aufstiegschancen von Pflegekräften.

Entlasten durch Ressourceneffizienz:

Pflegefachkräfte sollen sich voll auf die Pflege konzentrieren können. Viel zu häufig wird ihre Zeit von Hilfstätigkeiten und Bürokratie in Anspruch genommen. Um sie zu entlasten, sind mehr Digitalisierung und elektronischer Datenverkehr dringend erforderlich.

Mehr Flexibilität beim Personaleinsatz:

Dringend nötig sind flexiblere Personalvorgaben und höhere Freiheitsgrade, um ein optimales Zusammenwirken von Therapeuten, Sozialarbeitern, Betreuungspersonal, Hauswirtschaft und auch ehrenamtlichem Engagement zu stärken. Es bedarf praxisnaher Personalbemessungssysteme.

Mehr Prävention in der Pflege:

Die präventiven Ansätze, mit denen Pflegebedürftigkeit vermieden oder hinausgezögert werden kann, müssen endlich verbindlich in der Pflegepraxis verankert werden. Es gilt insbesondere, die Kompetenzen älterer Menschen zu stärken und ihnen einen längeren Verbleib in der eigenen Häuslichkeit zu ermöglichen. Thomas Eisenreich, Geschäftsführer vom Bundesverband der Betreuungsdienste, ergänzt: „Dazu gehört auch, dass die ambulante Betreuung und Pflege nicht nur verrichtungsbezogene Leistungen erbringt, sondern auch präventive Leistungen. Dazu müssen diese aber im Leistungskatalog abgebildet werden.“

Neue Strategie für die Altenpflege

Dr. Timm Genett, Geschäftsführer Politik beim PKV-Verband, fasst die zentralen Ergebnisse des Memorandums zusammen: „Wir brauchen eine neue Strategie für die Altenpflege, vor allem eine Aufwertung des Berufsbildes, mehr Ressourceneffizienz und Flexibilität im Personaleinsatz – und nicht zuletzt den Ausbau der Pflege-Prävention.“

Dafür fordert die Initiative einen Neustart in der Pflegepolitik. Um den Personalmangel wirksam dämpfen zu können, muss Deutschland sich mehr an internationalen Standards orientieren. Reine Stellefinanzierungsprogramme, wie das 13.000-Stellen-Programm der vergangenen Bundesregierung, sind angesichts des akuten Arbeitskräftemangels und der Nichtbesetzbarkeit der Stellen keine Lösung.

Rütteln an starren Personalquoten

„Wir müssen uns darauf einstellen, die Altenpflege künftig mit weniger Personal zu organisieren, da rund eine halbe Million Pflegefachpersonen in den nächsten Jahren in Rente gehen. Mit starren Personalquoten kommen wir nicht mehr weiter. Sie erschweren schon heute eine wohnortnahe Pflege und führen dazu, dass Angehörige einspringen müssen oder pflegebedürftige Menschen unversorgt bleiben“, erklärt Isabell Halletz, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege.

Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer vom Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe resümiert: „Es ist an der Zeit, in der Pflegepolitik umzusteuern, wenn die flächendeckende Versorgungssicherheit nicht noch weiter gefährdet werden soll. Wir müssen die verfügbaren Ressourcen effizienter einsetzen, so gut es geht Pflegebedürftigkeit vermeiden und den Pflegeunternehmerinnen und -unternehmern mehr Gestaltungsfreiheiten einräumen. Denn sie sind Teil der Lösung und nicht das Problem.“