„Wir müssen lernen, deutlich mehr Pflegebedürftige mit weniger Pflegepersonal würdevoll zu versorgen“, sagt Isabell Halletz, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP). Foto: Reddragonfly/stock.adobe.com
Bis 2049 könnten bis zu 690.000 Pflegekräfte in Deutschland fehlen
Deutschland braucht von Jahr zu Jahr mehr Menschen, die in der Pflege arbeiten: Bis 2049 könnte der Bedarf bei 2,15 Millionen Pflegekräften liegen, meldet das Statistische Bundesamt. Doch laut einer Vorausberechnung werden wohl mehrere Hunderttausend Stellen unbesetzt bleiben. „Die Krise in der Pflege ist eine Krise der Medizin“, kommentiert die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).
Babyboomer in Rente, Jugend fehlt auf dem Arbeitsmarkt
Die Gesellschaft in Deutschland altert. Das trifft den Bereich der Pflege in mehrfacher Hinsicht. Isabell Halletz, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP), sieht insbesondere die Altenpflege in einem „Demografie-Sandwich“. Sie erklärt: „Die geburtenstarken Babyboomer gehen in Rente, die Zahl der Pflegebedürftigen steigt weiter und weniger junge Menschen kommen auf den Arbeitsmarkt.“
Statt den benötigten 2,15 Millionen Pflegekräften werden laut einer Vorausberechnung des Statistischen Bundesamts (Destatis) im Jahr 2049 nur zwischen 1,46 Millionen und 1,87 Millionen Menschen in diesem Beruf arbeiten. Die Lücke ist also enorm: Selbst in der günstigsten Variante der Vorausberechnung, welche neben der demografischen Entwicklung auch die positiven Trends am Arbeitsmarkt aus den 2010er Jahren berücksichtigt, fehlen dann 280.000 Pflegende. Im pessimistischsten Szenario, das ausschließlich die Auswirkungen der Alterung betrachtet, fehlen sogar 690.000 Erwerbstätige in diesem Bereich.
Pflegekrise = Medizin-Krise
„Es besteht dringender Handlungsbedarf“, betonte die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) auf Social Media. Die Pflegekrise sei eine Krise der gesamten Medizin. Wie wahr: Schließlich halten diese Menschen mit ihren Tätigkeiten Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Pflege-, Alten- und Behindertenheime sowie (ambulante) Pflege- und Betreuungsdienste am Laufen. Es geht um mehr als nur um unbesetzte Stellen und nackte Zahlen: Die professionelle Versorgung vieler kranker und hilfsbedürftiger Menschen steht auf dem Spiel.
„Wir müssen lernen, deutlich mehr Pflegebedürftige mit weniger Pflegepersonal würdevoll zu versorgen“, so Isabell Halletz von der AGVP. Außerdem müsse die Pflege „Priorität Nr. 1 in der Politik werden“.
Sie kritisiert starre Personalquoten. „Sie erschweren schon heute eine wohnortnahe Pflege und führen dazu, dass Angehörige einspringen müssen oder pflegebedürftige Menschen unversorgt bleiben. Jede in der Pflege tätige Person ist wichtig und nur zusammen wird es funktionieren, immer komplexeren Anforderungen an die pflegerische Versorgung gerecht zu werden und die Arbeitsbelastung langfristig zu reduzieren. Dazu muss eine effektive Arbeitsteilung möglich werden, damit hochqualifizierte Pflegefachpersonen sich auf die Aufgaben fokussieren können, die nicht delegierbar sind.“ Auch beim Einsatz von Robotik und Künstlicher Intelligenz (KI) zur Entlastung des Personals dürfe „es keine Denkverbote geben“.
Personal reicht nicht für alle Kliniken
Prof. Dr. med. Christian Karagiannidis, Geschäftsführender Oberarzt am Klinikum Köln-Merheim und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), konstatierte: „Man kann es nur immer wieder sagen: unser Personal reicht nicht mehr für die vielen Kliniken im Lande.“ Er plädiert für eine „sinnvolle Zentralisierung, wo es geht“ und für den „Erhalt auch kleiner Standorte, wo sie bedarfsnotwendig sind“. Die Krankenhausreform „geht nur mit dem Pflegepersonal, das wir haben“. pharma-fakten.de