Ein Bluttest liefert Biomarker, die anzeigen können, welche Therapiemöglichkeit bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa erfolgversprechend ist. Foto: Rawpixel.com/stock.adobe.com

Biomarker ermöglichen Vorhersage für Behandlungserfolg bei chronisch-entzündlicher Darmerkrankung

Therapien gegen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen schlagen nicht bei allen Betroffenen gleich gut an. Was individuell funktioniert, muss im Behandlungsprozess ausgetestet werden. Einem Forschungsteam unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist es nun mit Kollegen in Berlin und Bonn gelungen, einen Biomarker ausfindig zu machen, der anzeigt, ob die Therapie mit einem bestimmten immunmodulierenden Medikament erfolgreich sein wird oder nicht.

Er erlaubt einen gezielteren Einsatz der Therapie, wie die Forschenden im Fachmagazin Gastroenterology schreiben.

Unkontrollierte Aktivierung von Immunzellen im Darm

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa werden durch unkontrollierte Aktivierung von Immunzellen im Darm hervorgerufen. Die Betroffenen leiden unter Bauchschmerzen, Durchfall und Müdigkeit. Heilbar sind chronisch-entzündliche Darmerkrankungen nicht. Bislang können nur die Symptome gelindert und die Entzündung kontrolliert werden.

„Als klinischer Wissenschaftler bin ich in die Betreuung von Patient:innen aktiv eingebunden“, sagt Prof. Ahmed Hegazy von der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie der Charité. „Da die Krankheit in Schüben erfolgt und oft unvorhersehbar aufflammt, muss die Behandlung immer wieder neu angepasst werden. Eine Vorhersage des individuellen Krankheitsverlaufs und des Ansprechens der Patient:innen auf unterschiedliche Therapieoptionen ist bislang nicht möglich – das macht die Behandlung so herausfordernd.“

Anti-Integrin-Therapie hilft zwei Dritteln der Patienten

Als sehr wirksame und nebenwirkungsarme Behandlungsmöglichkeit gilt die sogenannte Anti-Integrin-Therapie. Sie verhindert, dass bestimmte Immunzellen in den Darm eindringen und Entzündungsprozesse auslösen. Das Medikament Vedolizumab, ein spezifischer Antikörper, wirkt dabei als Blocker: Es bindet sich an die T-Helferzellen, die dadurch nicht mehr in den Darm einwandern können.

„Bei rund zwei Drittel der Patient:innen ist die Anti-Integrin-Therapie sehr wirksam. Bei einem Drittel dagegen gar nicht. Bei wem die Therapie wirkt, können wir bislang nur durch Ausprobieren herausfinden. Das ist mühsam, zeit- und kostenintensiv und für die Betroffenen oftmals ziemlich frustrierend“, sagt Ahmed Hegazy. „Hilfreich wäre ein Biomarker, der vorab anzeigen kann, ob die Therapie erfolgversprechend sein wird oder nicht. Genau danach haben wir in unserer Studie gesucht.“

Maschinelles Lernen hilft beim Erkennen von Mustern

Grundlage für die umfangreichen Untersuchungen waren 47 Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Ihnen wurde vor und sechs Wochen nach Beginn der Behandlung mit Vedolizumab Blut abgenommen. Die Proben untersuchten die Forschenden mithilfe moderner Analysemethoden wie Massenzytometrie, Einzelzell-RNA-Sequenzierung und Serumproteomik. „Wir haben verschiedene Arten von Immunzellen und bestimmte Proteine in den Fokus genommen und Ausschau nach möglichen Veränderungen gehalten, die sich durch die Therapie ergaben“, erklärt Ahmed Hegazy.

„Die umfangreichen Daten durchliefen eine Analyse unter Anwendung von maschinellem Lernen. Maschinelles Lernen ist ein Bereich der künstlichen Intelligenz, der Algorithmen und statistische Modelle nutzt, damit Computer aus Daten lernen und Muster erkennen können, ohne explizit programmiert zu werden. Auf diese Weise konnten wir tatsächlich Muster identifizieren, die dabei helfen vorherzusagen, welche Patient:innen mit größerer Wahrscheinlichkeit auf die Therapie ansprechen werden.“

Dieselben Muster fand das interdisziplinäre Team aus Medizin, Bioinformatik, Mathematik und Biologie, dem auch Forschende des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin (DRFZ), ein Leibniz-Institut, und der Universität Bonn angehörten, in Untersuchungen mit einer weiteren Patientengruppe. Sie bestand aus 26 Teilnehmenden, anhand derer die Forschenden ihre Untersuchungsergebnisse bestätigten.

Biomarker hoch – Behandlungserfolg gering

Ein besonders aussagekräftiges Molekül war das Zellteilungsprotein KI67, das verstärkt von sich teilenden T-Helferzellen produziert wird. Patienten, bei denen vor der Therapie eine hohe Anzahl solcher Zellen im Blut nachgewiesen wurde, zeigten keinen Therapieerfolg mit Vedolizumab.

„Wir konnten das molekulare Phänomen dahinter entschlüsseln: Diese T-Helferzellen besitzen keine Bindungsstelle für Vedolizumab, sodass sie ungehindert in den Darm einwandern und Entzündungen weiter befeuern können“, erklärt Hegazy. „Diese Zellen bilden alternative Oberflächenstrukturen, die ihre Wanderung in den Darm ermöglichen. Aus diesem Grund ist KI67 ein guter Indikator für das Vorhandensein Vedolizumab-resistenter T-Helferzellen.“

Auf dem Weg in die klinische Praxis

Ihre Ergebnisse wollen die Forschenden in großangelegten multizentrischen Studien verifizieren und die Zuverlässigkeit des gefundenen Biomarkers eingehend prüfen. Sie werden die Nachweis- und Messmethode weiterentwickeln, sodass sie in die klinische Routine integriert werden kann.

„Zuverlässige Biomarker sind der Schlüssel für eine individualisierte Therapie und damit eine bessere Behandlung für unsere Patient:innen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen“, sagt Prof. Britta Siegmund, Direktorin der Klinik. Die Entscheidung für die individuell passende Therapieform kann dann schneller und gezielter getroffen werden. Ein Schritt in Richtung personalisierter Medizin, der den Betroffenen frühzeitig Klarheit gibt.    pm

Info

Den Beitrag auf Gastroenterology finden Sie auf Horn V et al. Multimodal Profiling of Peripheral Blood Identifies Proliferating Circulating Effector CD4+ T Cells as Predictors for Response to Integrin α4β7-Blocking Therapy in Inflammatory Bowel Disease. Gastroenterology. 2024 Sep 28. doi: 10.1053/j.gastro.2024.09.021.