
Was für ein schöner Urlaub. Was für ein glückliches Paar. Schnell ein Selfie von diesem zauberhaften Moment gemacht. Dass sich kurz nach dem Foto ein Eifersuchtsdrama entwickelte, wird nicht gepostet. Für die Social-Media-Welt scheint es Glück nur in solchen Kulissen und vor dem Smartphone zu geben. Foto: coldwaterman/stock.adobe.stock
Auf Social Media sind alle happy – aber wie schafft man es, richtig glücklich zu sein?
In unserer heutigen Gesellschaft ist ein Wettkampf entbrannt: Wer ist am glücklichsten? So scheint es zumindest, wenn man die Posts in den sozialen Netzwerken liest. Berichtet wird vor allem von Superlativen wie der erfolgreichen Beförderung, der neuen Liebe und tollen Urlauben. Unschöne Nachrichten tauchen dagegen eher selten auf. Warum ist das so?
Glück und Unglück gehören zusammen
„Wenn wir glücklich und zufrieden sind, wissen wir, dass unser Leben Sinn hat. Aber wehe, wenn nicht. Eine US-Studie hat gezeigt, dass Menschen in den sozialen Netzwerken teilweise nicht wissen, wie sie reagieren sollen, wenn jemand negative Gefühle schildert“, erklärt Kulturwissenschaftlerin Dr. Annegret Braun aus München, die zum Thema Glück geforscht hat, im Gesundheitsmagazin „Apotheken Umschau“.
Doch gibt es nun einmal kein Glück ohne Unglück, wie Braun feststellt: „Denn Glück ist ein Kontrastgefühl! Du spürst es als Gegensatz zu einem anderen, vielleicht weniger schönen Gefühl“, schildert die Glücksforscherin. Zum Beispiel, wenn peinigende Zahnschmerzen endlich beseitigt werden.
Social Media erzeugt mit verzerrter Realität massiven Druck
Waren wir früher ohne Social Media glücklicher? „Da war unser Fokus auf die direkte kleine Welt um uns herum, auf unsere Nachbarn, die Mitmenschen in der Straße oder dem Ort, in dem wir leben. Da haben wir noch hautnah mitbekommen, wenn jemand gute oder schlechte Tage hatte. Wir haben erlebt, dass das Leben manchmal ziemlich mühsam sein kann, was aber auch normal ist, und wir haben uns an kleinen Momenten gefreut. Diese Welt und die Wahrnehmung hat sich durch Social Media stark verändert“, sagt Andrea Mayer-Halm, Redakteurin im Wort und Bild Verlag (unter anderem mit der „Apotheken Umschau“).
„Wir sehen Bilder von tollem Essen, von Urlauben, erfahren von der neuen Liebe oder einer Beförderung im Job. Das ist ja alles positiv, aber das ist ein verzerrtes Bild, weil ja keiner Fotos von Trennungen oder Streit im Urlaub postet. Und wenn wir unser Leben mit dem Leben anderer auf Social Media vergleichen, kann uns das massiv unter Druck setzen.“
Für schöne und glückliche Momente gibt es die meisten Likes, also die meiste Anerkennung. Macht so etwas glücklich? „Wir sehen Bilder von tollem Essen, von Urlauben, erfahren von der neuen Liebe oder einer Beförderung im Job. Das ist ja alles positiv, aber das ist ein verzerrtes Bild, weil ja keiner Fotos von Trennungen oder Streit im Urlaub postet. Und wenn wir unser Leben mit dem Leben anderer auf Social Media vergleichen, kann uns das massiv unter Druck setzen“, sagt Andrea Mayer-Halm.
Was sind die wichtigsten Faktoren für Glück?
Für Andrea Mayer-Halm steht fest: „Internationale Forschungsergebnisse zeigen sehr deutlich auf, dass der wichtigste Faktor für Glück, für Zufriedenheit im Leben, gute und reale menschliche Beziehungen sind: eine gute Partnerschaft, aber auch Nachbarschaft, Freunde, Arbeitskollegen und -kolleginnen. Und auch wenn damit Konflikte einhergehen, Höhen und Tiefen, das ist das normale Leben und es hilft uns, eigene schlechte Phasen einzuordnen und gut zu überstehen.“
Übrigens, Glück ist nicht nur ein tolles Gefühl, glücklich sein macht auch gesund, schreibt die „Apotheken Umschau“. Das Immunsystem profitiert davon, das Risiko für Herzinfarkte sinkt und Glück verringert unser Stresslevel.
Emotionale Fähigkeiten frühzeitig schulen
Einem generellen Glücksempfinden lässt sich aber schon auf die Sprünge helfen. Laut Forschungen der University of California geht die Befähigung zum Glück zu 50 Prozent auf genetische Faktoren und zu 10 Prozent auf die Umstände zurück – aber zu 40 Prozent auf gezieltes Verhalten. So zeigen es die Finnen, die im World Happiness Report der UNO seit Jahren gut abschneiden.
Von dem skandinavischen Land lässt sich lernen, dass der Umgang mit den eigenen Gefühlen ein wichtiger Faktor ist. So legen die Finnen großen Wert darauf, dass in allen Bildungseinrichtungen wie etwa Kita und Schule emotionale Fähigkeiten gefördert werden, ja sogar auf dem Lehrplan stehen. Ebenfalls interessant: Die Finnen vergleichen sich weniger als die Menschen anderer Länder und stehen weniger im Wettbewerb zueinander, so die „Apotheken Umschau“.
Das Schulfach Glück an deutschen Schulen
Das Konzept der Finnen hält allmählich auch in deutschen Schulen Einzug. Am Heinrich-Heine-Gymnasium in München steht das Schulfach Glück bereits an zwei Nachmittagen im Jahr im Fokus. Die Schüler lernen dann die eigenen Fähigkeiten beim Namen zu nennen. Lehrerin Astrid Herbison wertet die Entfaltung der eigenen Möglichkeiten als eine wichtige Voraussetzung für Glück und Zufriedenheit: „Ich spüre, dass die Schülerinnen und Schüler es brauchen. Es macht ihnen Spaß, etwas über sich selbst zu lernen.“ pm/tok