
Ärztliche Behandlungen, Arzneimittel und Krankenhausbehandlungen – in allen drei Bereichen sind die Kosten für die Gesetzliche Krankenversicherung enorm gestiegen. Daher steigt jetzt der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz zum Ende der Legislaturperiode auf ein neues Rekordhoch. Foto: MQ-Illustrations/stock.adobe.com
AOK-Chef Bauernfeind: Bund tut nichts gegen jährliche Anhebungen des GKV-Beitragssatzes
Zum Jahreswechsel müssen eine Vielzahl an Krankenkassen in Deutschland ihre Versicherten über die Anpassung der kassenindividuellen Beitragssätze informieren. Dazu äußert sich Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg.
Neues Rekordhoch beim Zusatzbeitragssatz
„Das Jahr geht historisch zu Ende: Noch nie haben unterjährig so viele Krankenkassen ihre Beiträge erhöhen müssen. Spätestens zum Jahreswechsel müssen alle anderen Kassen nachziehen – auch die AOK Baden-Württemberg. Dieser Schritt ist schmerzhaft – und wäre vermeidbar gewesen“, sagt Bauernfeind. Die Ampel-Regierung sei mit dem Versprechen gestartet, die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) langfristig zu stabilisieren. Stattdessen steige der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz zum Ende der Legislaturperiode auf ein neues Rekordhoch.
„Wesentlich sind vor allem drei Treiber: Ärztliche Behandlungen, Arzneimittel und Krankenhausbehandlungen. In allen drei Bereichen sind die Kosten enorm gestiegen. Bei Arzneimitteln seit 2013 um mehr als 65%!“, so Bauernfeind. Und: „Auf diese Entwicklung weisen wir seit Jahren hin. Es braucht keine Einschnitte in der Versorgung oder bei den Leistungen, um die Belastungen für die Beitragszahlenden langfristig zu reduzieren. Aber es braucht endlich strukturelle Maßnahmen, um die Ausgabendynamik abzubremsen.“
Bund verweigert sich der Finanzierung
Für den Chef der AOK Baden-Württemberg ist klar: „Die Krankenhausreform geht in die richtige Richtung, aber der Bund stiehlt sich bei der Finanzierung aus seiner Verantwortung. Auch bei der Finanzierung der Bürgergeldempfänger macht sich der Bund klamm. Dabei wären das gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die nicht nur durch die GKV-Beitragszahlenden getragen werden dürfen.“
Der AOK sei es daran gelegen, die bestmögliche Versorgung im Land sicherzustellen. Zukunftsfähiges Handeln erfordere allerdings eine nachhaltige Finanzierung. „Wir setzen in Baden-Württemberg seit Jahren auf eine hochwertige und qualitätsorientierte Versorgung und bringen uns aktiv in der Region ein. Es ärgert mich, dass es für die Politik einfacher zu sein scheint, die Verantwortung zur Finanzierung des Gesundheitssystems auf die GKV-Mitglieder und ihre Arbeitgeber abzuwälzen. Das muss ein Ende finden, denn die Belastungsgrenze ist deutlich erreicht“, so Bauernfeind.

Sozialer Frieden in Gefahr
Und dieses Vorgehen des Bundes hat für den Vorstandsvorsitzenden der AOK Baden-Württemberg auch noch politische, gesellschaftliche Folgen: „Wir können es uns im wahrsten Sinne nicht leisten, dass das Vertrauen in das solidarische Gesundheitssystem sinkt und damit der soziale Frieden im Land gefährdet ist. Von der Prävention bis zur Pflege müssen wir das System effizienter, patientenorientierter und qualitativ-hochwertig aufstellen. Dafür braucht es nicht neues Geld, sondern endlich echte Strukturreformen.“ pm