„Es ist nicht die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, Kosten zur Umstrukturierung, Schließung oder dem Zusammenschluss von Krankenhäusern zu finanzieren. Diese Investitionen müssen durch die öffentliche Hand erfolgen“, kritisiert Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg die Krankenhausreform. Foto: HNFOTO/stock.adobe.com

AOK kritisiert: Kosten für Krankenhausreform werden auf Beitragszahlende abgewälzt

Der Referentenentwurf zur Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und insbesondere die geplante Finanzierung des Vorhabens stößt bei der AOK Baden-Württemberg auf deutliche Kritik. Um die notwendigen Kosten für die Reform zu stemmen, sollen die Kliniken für einen Zeitraum von zehn Jahren auf einen Transformationsfonds zugreifen dürfen, dessen Mittel jeweils zur Hälfte von den Ländern sowie dem Gesundheitsfonds der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgebracht werden müssen.

Bauernfeind: Lauterbach gefährdet Solidarsystem der GKV

„Es ist nicht die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, Kosten zur Umstrukturierung, Schließung oder dem Zusammenschluss von Krankenhäusern zu finanzieren. Diese Investitionen müssen durch die öffentliche Hand erfolgen“, kritisiert Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg. Auf die GKV kommen laut dem Referentenentwurf durch den Fonds ab dem Jahr 2026 Mehrkosten von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr zu.

Anstatt die Verantwortung zu übernehmen und zuverlässige Finanzierungskonzepte vorzustellen, belaste Minister Lauterbach die Beitragszahlenden, lasse aber die eher besserverdienenden Versicherten in der privaten Krankenversicherung (PKV) außen vor, so der Kassenchef. „Die Kosten für Investitionen ein weiteres Mal auf die Versicherten und Arbeitgeber in der GKV umzulegen und damit höhere Beiträge billigend in Kauf zu nehmen, ist eine klare ordnungspolitische Fehlentscheidung und weder solidarisch noch nachhaltig“, betont Bauernfeind. „Der Sozialdemokrat Lauterbach gefährdet die Zukunft des Solidarsystems der gesetzlichen Krankenversicherung.“ Die Beitragszahlenden werden bereits durch vergangene Reformen und die aktuelle Gesundheitspolitik erheblich belastet.

Kalte Strukturreform verhindern

Der Referentenentwurf konkretisiert nun auch die Ausgestaltung der Vorhaltepauschalen, mit der Krankenhäuser zukünftig 60 Prozent ihrer Einnahmen erzielen sollen. Die restlichen 40 Prozent werden, wie bislang, über die Fallpauschalen finanziert. „Die Weiterentwicklung der Krankenhausplanung auf Basis von bundeseinheitlichen Leistungsgruppen und die Kopplung der Vorhaltepauschalen an diesen Gruppen ist ein zielführender Schritt für eine qualitäts- und bedarfsorientierte Neuausrichtung der Krankenhauslandschaft“, betont Bauernfeind.
„Die Vorschläge zur Ausgestaltung der Vorhaltepauschale gehen in eine bessere Richtung. Es wäre allerdings weiterhin wichtig, sich maßgeblich am Bedarf der zu versorgenden Bevölkerung zu orientieren.“

Die Bemessung der Vorhaltekosten an Ist-Fallzahlen bedeute, dass weiterhin Fehlanreize zur Mengenausweitung gesetzt werden. „Die Zielsetzungen des Gesundheitsministers, das System zu ‚entökonomisieren‘, werden faktisch konterkariert“, betont Bauernfeind.

Die Reform ist notwendig, um ein unkoordiniertes Schließen von defizitären Krankenhäusern zu verhindern. Notwendig sei eine gezielte Standortplanung und Bereinigung von mehrfach vorgehaltenen und ineffizienten Strukturen, so Bauernfeind: „In Nordrhein-Westfalen gibt es – offenkundig als Folge der vielen Krankenhausstandorte in den Ballungsräumen an Rhein und Ruhr – 25 Prozent mehr Krankenhaus-Fälle pro 100.000 Einwohner als in Baden-Württemberg, obwohl der Altersdurchschnitt nahezu gleich ist. Es mag in Nordrhein-Westfalen Regionen geben, in denen die Menschen häufiger krank sind. Aber dass der Bedarf an Behandlungen dort wirklich so viel höher ist, scheint kaum plausibel.“

Gerade in ländlichen Regionen müsse die Erreichbarkeit von Versorgungsangeboten, beispielsweise durch eine wohnortnahe sektorenübergreifende Basisversorgung, gewährleistet bleiben.

Länder in Entscheidung miteinbeziehen

Unverständnis zeigt Bauernfeind für das Vorgehen von Lauterbach, die Bundesländer in der finalen Phase der Reformerstellung aus dem Prozess auszuschließen. So berichtete unter anderem die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach, von dem Referentenentwurf aus der Presse erfahren zu haben. „Die Länder müssen in die Planung zur Krankenhausreform und der Festlegung bundesweit verbindlicher Leitplanken eingebunden werden, denn die Versorgung wird vor Ort gestaltet“, so Bauernfeind. „Die Bundesländer in der Planung immer wieder auszuschließen, zeugt von keinem guten politischen Stil und verkennt die Planungshoheit der Länder.“   AOK

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