In den vergangenen Jahren waren rund ein Drittel aller neuen Medikamente Orphan Drugs, also Medikamente gegen seltene Erkrankungen. Von denen sind rund 8000 bekannt. Für 95 % davon gibt es noch keine zugelassene Therapie. Die Forschung nach Orphan Drugs kann aber in der pharmazeutischen Industrie nur auf Hochtouren laufen, wenn die Kosten dafür gedeckt werden. Foto: Sebastian/stock.adobe.com

Tag der seltenen Erkrankungen: Spezielle Medikamente brauchen breite Förderung

Mit der aktuellen Geschwindigkeit in der Forschung und Entwicklung würde es 100 Jahre dauern, bis Therapien für alle seltenen Erkrankungen zur Verfügung stehen. Etwa 6000 bis 8000 seltene Erkrankungen sind bekannt. Für 95 % gibt es aktuell keine zugelassene Therapie. Das heißt: Menschen müssen weiter leiden, bis nicht doch einmal irgendwann ein wirksames Medikament zur Verfügung steht.

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Orphan Drugs: Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen. Ein Video der „vfa. Die forschenden Pharma-Unternehmen“.

Was sind Orphan Drugs?

Was genau sind seltene Erkrankungen und Orphan Drugs? Als selten gilt in der Europäischen Union (EU) eine Krankheit, wenn höchstens eine Person von 2000 EU-Bürgern darunter leidet. Zum Vergleich dazu ist eine Volkskrankheit wie Diabetes Typ 2 wesentlich häufiger anzutreffen, nämlich bei 170 von 2000 EU-Bürgern. Seltene Erkrankungen, auch Orphan Diseases („Waisenkrankheiten“) genannt, betreffen alle medizinischen Bereiche und verlaufen meist chronisch und können zu Invalidität oder gar Tod führen. Durch ihre Seltenheit können sie meistens nur sehr schwer diagnostiziert werden, was den Betroffenen einen langen Leidensweg beschert. Oft vergehen Jahre, in denen der Patient von Arzt zu Arzt irrt, um dabei auf Unverständnis und Fehldiagnosen zu stoßen. Und so kann dann oft auch keine wirklich hilfreiche Therapie gefunden werden.

Orphan Drugs sind Medikamente gegen diese Orphan Diseases. Weil es jeweils nur wenige betroffene Patienten gibt, können die Pharmaunternehmen nur wenig Medikamente verkaufen – und bis es zum Verkauf kommen kann, müssen die wenig erforschten Krankheiten erst einmal näher untersucht und in ihrer Entstehung und Auswirkung verstanden werden. Das macht sie vergleichsweise teurer als ein Medikament, das täglich hundertfach in Deutschland in der Apotheke ausgegeben wird. Damit die Pharmaindustrie sich dieser Spezialaufgabe annimmt, gibt es Sonderkonditionen, wie der Wegfall der Zulassungsgebühren und ein Exklusivrecht für den Verkauf. So sind zum Beispiel zugelassene Orphan Drugs zehn Jahre lang vor Konkurrenz durch Wettbewerbsprodukte geschützt. So leuchtet es ein, dass in den vergangenen Jahren rund ein Drittel aller neuen Medikamente Orphan Drugs waren.

Mehr Infos bei „vfa. Die forschenden Pharma-Unternehmen“ unter https://www.vfa.de/de/wirtschaft-politik/abcgesundheitspolitik/orphan-drugs-schnell-erklaert

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Was sind Seltene Krankheiten? Was sind Orphan Drugs? Ein Video der „vfa. Die forschenden Pharma-Unternehmen“.

„Oft die einzige Hoffnung“

„Bei der Behandlung von Schwer- und Schwerstkranken sind Arzneimittel gegen Seltene Leiden (Orphan Drugs) oft die einzige Hoffnung. Ihre Zulassung und Vermarktung darf nicht erschwert werden“, sagt Dr. med. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) anlässlich des Tages der Seltenen Erkrankungen am 29. Februar. „Wir hören im politischen Raum leider immer wieder Stimmen die sagen, es gäbe zu viele Orphan Drugs und deren Entwicklung sei privilegiert. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Es gibt 8000 Seltene Erkrankungen und bislang ist erst ein Bruchteil davon behandelbar. Es gibt also nicht zu viele Orphan Drugs, sondern zu wenige!“

Joachimsen hat dabei den Patienten mit seltenen Erkrankungen und dem langen Leidensweg im Blick, der die Hoffnung hat, endlich ein Medikament zu bekommen, das ihm hilft, sein Leben angenehmer, schmerzfreier, selbstständiger, gesünder zu gestalten. So wie das für andere Patienten mit häufigen Erkrankungen selbstverständlich ist. „Jeder hat ein Recht auf eine gute Gesundheitsversorgung – das gilt für Patientinnen und Patienten mit häufigen Erkrankungen genauso, wie für jene mit Seltenen Leiden. In den allermeisten Fällen steht mit einem Orphan Drug erstmals überhaupt eine medikamentöse Therapie zur Verfügung. Und wenn es vorher nichts gab, ist es offensichtlich, dass eine neue Therapie einen Zusatznutzen hat und ohne größere Hürden in die Versorgung kommen muss. Sollte es bereits Therapieansätze geben, dann gewährt die Zulassungsbehörde den Status als Orphan Drug auch nur, wenn ein sogenannter signifikanter therapeutischer Vorteil (significant clinical benefit) nachgewiesen wird.“

„Kein Privileg, sondern ein Segen“

Teure Medikamente für wenige betroffene Menschen? Ist das nun ein Privileg für ein paar wenige Betroffene oder gar nur ein lukrativer, gesponsorter Bereich für Pharma-Unternehmen? Der BPI-Hauptgeschäftsführer sieht das anders: „Die vom Gesetzgeber im AMNOG verankerte Sonderstellung von Orphan Drugs ist kein Privileg, sondern ein Segen für betroffene Patientinnen und Patienten! Sie muss unbedingt erhalten bleiben. Denn bisher stehen in Deutschland nahezu alle in der EU zugelassenen Orphan Drugs auch tatsächlich der Patientenversorgung zur Verfügung. Das ist enorm wichtig – wird aber von bestimmten Kreisen, die weitere Einschränkungen des Sonderstatus fordern, vollkommen ignoriert.“

Was wäre, wenn nun Sparmaßnahmen von staatlicher Seite die Entwicklung der Orphan Drugs ausbremsen würden? „Die Folgen wären verheerend: Wenn ein Zusatznutzen bei Orphan Drugs im größeren Umfang nicht mehr anerkannt wird, ergibt sich zusammen mit den jüngst in Kraft getretenen AMNOG-Änderungen eine gefährliche Gemengelage. Erstattungsbeträge würden auf ein Niveau gedrückt, dass eine wirtschaftliche Vermarktung für Hersteller ausschließt. Doch pharmazeutische Unternehmen entwickeln Orphan Drugs für sehr kleine Patientenzahlen. Allein deshalb sind höhere Preise erforderlich“, sagt Joachimsen.

BPI will bessere Rahmenbedingungen für die Industrie

Er fordert: „Die Politik muss jetzt signalisieren, dass sie im Interesse der Patientinnen und Patienten agiert und auch zukünftig neue Therapieoptionen für Seltene Erkrankung fördern will, die bislang nicht behandelbar sind. Hierzu sind gute Rahmenbedingungen für die Industrie unerlässlich. Von der Bundesregierung wurde dies im Rahmen des kürzlich veröffentlichten Medizinforschungsgesetzes (hier die BPI-Stellungnahme zum Referentenentwurf) auch an mehreren Stellen anerkannt – beispielsweise durch verbesserte Bedingungen für die klinische Forschung in Deutschland.“

Und, so betont BPI-Jauptgeschäftsführer Joachimsen weiter: „Arzneimittelrechtliche Verbesserungen wirken aber nur, wenn sie parallel auch sozialrechtlich weitergedacht werden. Nur so können sie Patientinnen und Patienten zugutekommen.“ pm/BPI/vfa/tok